Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.merkwürdig' und lacht. Dann untersucht er noch einen der Fäden und spricht 'Gesser ist gestorben und überdeckt mit einer weißen Steinplatte, die von weißem Schnee beschneit ist: das vertrocknete Kraut ist zusammen gefallen und neues grünes Kraut gewachsen. An dem Ufer einer großen See waschen sämmtliche Vögel ihre Federn: über ihnen sitzen Krähen und Elstern und treiben ihr Gespötte mit Gesser. Seit seinem Tod ist schon ein volles Jahr verflossen.' Jetzt steigt er von dem Maulthier und fordert seinen Zahnstocher: als er damit stochert, fallen zwei bis drei Menschen aus seinem Rachen. Die Frau muß ihm sein Essen bringen, eine Schüssel mit geschmorten Menschenfingern. Nach der Mahlzeit setzt sie sich auf seinen Schoß und spricht 'wenn ich allein im Hause bin, und der verruchte Gesser kommt und will mich tödten, so möchte ich dich gleich davon benachrichtigen, aber die Burg hat keinen Ausgang.' 'Jch sage dir nichts,' antwortet der Riese, 'der Mensch ist in drei Dingen ungewis, einen Strauch rechnet er nicht zu den Bäumen, einen Sperling nicht zu den Vögeln und ein Weib nicht zu seinen Freunden; ich will nicht.' Sie besänftigt ihn indessen und legt sich nieder. Er lacht und heißt sie näher sich legen, dann nimmt er sie in seine Arme und spricht 'hier hast du zwei goldne Ringe, lege den einen beim Ausgang auf die Nasenspitze, stecke den andern beim Eingang an den kleinen Finger, so wird das Thor der Burg sich öffnen. Wenn ich sage daß ich nach Osten gehe, so bedeutet das nach Westen.' Sie fragt 'wie willst du Gesser besiegen, wenn er herkommen sollte?' Der Riese antwortet 'wenn der Nichtswürdige kommen sollte, werde ich ihn nicht mit dem kleinen Finger tödten können? Es befinden sich vorwärts von meinem Haus drei verschiedene große Seen, herwärts davon ein fünffaches Schilffeld. AmUfer des nächsten Sees rennen zwei Stiere, ein weißer und ein schwarzer, um die Wette. Am Morgen siegt der weiße, Gessers Schutzgeist, merkwürdig’ und lacht. Dann untersucht er noch einen der Fäden und spricht ‘Gesser ist gestorben und überdeckt mit einer weißen Steinplatte, die von weißem Schnee beschneit ist: das vertrocknete Kraut ist zusammen gefallen und neues grünes Kraut gewachsen. An dem Ufer einer großen See waschen sämmtliche Vögel ihre Federn: über ihnen sitzen Krähen und Elstern und treiben ihr Gespötte mit Gesser. Seit seinem Tod ist schon ein volles Jahr verflossen.’ Jetzt steigt er von dem Maulthier und fordert seinen Zahnstocher: als er damit stochert, fallen zwei bis drei Menschen aus seinem Rachen. Die Frau muß ihm sein Essen bringen, eine Schüssel mit geschmorten Menschenfingern. Nach der Mahlzeit setzt sie sich auf seinen Schoß und spricht ‘wenn ich allein im Hause bin, und der verruchte Gesser kommt und will mich tödten, so möchte ich dich gleich davon benachrichtigen, aber die Burg hat keinen Ausgang.’ ‘Jch sage dir nichts,’ antwortet der Riese, ‘der Mensch ist in drei Dingen ungewis, einen Strauch rechnet er nicht zu den Bäumen, einen Sperling nicht zu den Vögeln und ein Weib nicht zu seinen Freunden; ich will nicht.’ Sie besänftigt ihn indessen und legt sich nieder. Er lacht und heißt sie näher sich legen, dann nimmt er sie in seine Arme und spricht ‘hier hast du zwei goldne Ringe, lege den einen beim Ausgang auf die Nasenspitze, stecke den andern beim Eingang an den kleinen Finger, so wird das Thor der Burg sich öffnen. Wenn ich sage daß ich nach Osten gehe, so bedeutet das nach Westen.’ Sie fragt ‘wie willst du Gesser besiegen, wenn er herkommen sollte?’ Der Riese antwortet ‘wenn der Nichtswürdige kommen sollte, werde ich ihn nicht mit dem kleinen Finger tödten können? Es befinden sich vorwärts von meinem Haus drei verschiedene große Seen, herwärts davon ein fünffaches Schilffeld. AmUfer des nächsten Sees rennen zwei Stiere, ein weißer und ein schwarzer, um die Wette. Am Morgen siegt der weiße, Gessers Schutzgeist, <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0050" n="XLIV"/> merkwürdig’ und lacht. Dann untersucht er noch einen der Fäden und spricht ‘Gesser ist gestorben und überdeckt mit einer weißen Steinplatte, die von weißem Schnee beschneit ist: das vertrocknete Kraut ist zusammen gefallen und neues grünes Kraut gewachsen. An dem Ufer einer großen See waschen sämmtliche Vögel ihre Federn: über ihnen sitzen Krähen und Elstern und treiben ihr Gespötte mit Gesser. Seit seinem Tod ist schon ein volles Jahr verflossen.’ Jetzt steigt er von dem Maulthier und fordert seinen Zahnstocher: als er damit stochert, fallen zwei bis drei Menschen aus seinem Rachen. Die Frau muß ihm sein Essen bringen, eine Schüssel mit geschmorten Menschenfingern. Nach der Mahlzeit setzt sie sich auf seinen Schoß und spricht ‘wenn ich allein im Hause bin, und der verruchte Gesser kommt und will mich tödten, so möchte ich dich gleich davon benachrichtigen, aber die Burg hat keinen Ausgang.’ ‘Jch sage dir nichts,’ antwortet der Riese, ‘der Mensch ist in drei Dingen ungewis, einen Strauch rechnet er nicht zu den Bäumen, einen Sperling nicht zu den Vögeln und ein Weib nicht zu seinen Freunden; ich will nicht.’ Sie besänftigt ihn indessen und legt sich nieder. Er lacht und heißt sie näher sich legen, dann nimmt er sie in seine Arme und spricht ‘hier hast du zwei goldne Ringe, lege den einen beim Ausgang auf die Nasenspitze, stecke den andern beim Eingang an den kleinen Finger, so wird das Thor der Burg sich öffnen. Wenn ich sage daß ich nach Osten gehe, so bedeutet das nach Westen.’ Sie fragt ‘wie willst du Gesser besiegen, wenn er herkommen sollte?’ Der Riese antwortet ‘wenn der Nichtswürdige kommen sollte, werde ich ihn nicht mit dem kleinen Finger tödten können? Es befinden sich vorwärts von meinem Haus drei verschiedene große Seen, herwärts davon ein fünffaches Schilffeld. AmUfer des nächsten Sees rennen zwei Stiere, ein weißer und ein schwarzer, um die Wette. Am Morgen siegt der weiße, Gessers Schutzgeist, </p> </div> </front> </text> </TEI> [XLIV/0050]
merkwürdig’ und lacht. Dann untersucht er noch einen der Fäden und spricht ‘Gesser ist gestorben und überdeckt mit einer weißen Steinplatte, die von weißem Schnee beschneit ist: das vertrocknete Kraut ist zusammen gefallen und neues grünes Kraut gewachsen. An dem Ufer einer großen See waschen sämmtliche Vögel ihre Federn: über ihnen sitzen Krähen und Elstern und treiben ihr Gespötte mit Gesser. Seit seinem Tod ist schon ein volles Jahr verflossen.’ Jetzt steigt er von dem Maulthier und fordert seinen Zahnstocher: als er damit stochert, fallen zwei bis drei Menschen aus seinem Rachen. Die Frau muß ihm sein Essen bringen, eine Schüssel mit geschmorten Menschenfingern. Nach der Mahlzeit setzt sie sich auf seinen Schoß und spricht ‘wenn ich allein im Hause bin, und der verruchte Gesser kommt und will mich tödten, so möchte ich dich gleich davon benachrichtigen, aber die Burg hat keinen Ausgang.’ ‘Jch sage dir nichts,’ antwortet der Riese, ‘der Mensch ist in drei Dingen ungewis, einen Strauch rechnet er nicht zu den Bäumen, einen Sperling nicht zu den Vögeln und ein Weib nicht zu seinen Freunden; ich will nicht.’ Sie besänftigt ihn indessen und legt sich nieder. Er lacht und heißt sie näher sich legen, dann nimmt er sie in seine Arme und spricht ‘hier hast du zwei goldne Ringe, lege den einen beim Ausgang auf die Nasenspitze, stecke den andern beim Eingang an den kleinen Finger, so wird das Thor der Burg sich öffnen. Wenn ich sage daß ich nach Osten gehe, so bedeutet das nach Westen.’ Sie fragt ‘wie willst du Gesser besiegen, wenn er herkommen sollte?’ Der Riese antwortet ‘wenn der Nichtswürdige kommen sollte, werde ich ihn nicht mit dem kleinen Finger tödten können? Es befinden sich vorwärts von meinem Haus drei verschiedene große Seen, herwärts davon ein fünffaches Schilffeld. AmUfer des nächsten Sees rennen zwei Stiere, ein weißer und ein schwarzer, um die Wette. Am Morgen siegt der weiße, Gessers Schutzgeist,
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