Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen. Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus, daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber immer weiter schreitend das Schlimmste unter der Decke der Unschuld ausführt: übertroffen wird es von dem irischen Darby Duly und noch weiter geht der walachische Bakala, der keine Schandthat scheut. Dagegen ist es harmlose Lust, die den Aufschneider antreibt, wenn er behauptet unerhörte Dinge vollbracht zu haben. Er ist an einem dünnen Stiel in den Himmel gestiegen, hat sich dort umgesehen und hernach an einem Seil von Spreu wieder herab gelassen, oder was er sonst Unglaubliches erlebt hat. Davon berichten deutsche Märchen (Nr 112. 138. 159), ein norwegisches (Asbjörnsen Seite 284), am vollständigsten ein serbisches vom Bartlos (Bd 3, 421) und ein slavonisches (Vogl Seite 71): auf andere Weise, aber nicht minder gut das irische von Daniel O Rourke; die bekannten schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen. Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus, daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber immer weiter schreitend das Schlimmste unter der Decke der Unschuld ausführt: übertroffen wird es von dem irischen Darby Duly und noch weiter geht der walachische Bakâla, der keine Schandthat scheut. Dagegen ist es harmlose Lust, die den Aufschneider antreibt, wenn er behauptet unerhörte Dinge vollbracht zu haben. Er ist an einem dünnen Stiel in den Himmel gestiegen, hat sich dort umgesehen und hernach an einem Seil von Spreu wieder herab gelassen, oder was er sonst Unglaubliches erlebt hat. Davon berichten deutsche Märchen (Nr 112. 138. 159), ein norwegisches (Asbjörnsen Seite 284), am vollständigsten ein serbisches vom Bartlos (Bd 3, 421) und ein slavonisches (Vogl Seite 71): auf andere Weise, aber nicht minder gut das irische von Daniel O Rourke; die bekannten <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0071" n="LXV"/> schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen.</p><lb/> <p>Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus, daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber immer weiter schreitend das Schlimmste unter der Decke der Unschuld ausführt: übertroffen wird es von dem irischen Darby Duly und noch weiter geht der walachische Bakâla, der keine Schandthat scheut.</p><lb/> <p>Dagegen ist es harmlose Lust, die den Aufschneider antreibt, wenn er behauptet unerhörte Dinge vollbracht zu haben. Er ist an einem dünnen Stiel in den Himmel gestiegen, hat sich dort umgesehen und hernach an einem Seil von Spreu wieder herab gelassen, oder was er sonst Unglaubliches erlebt hat. Davon berichten deutsche Märchen (Nr 112. 138. 159), ein norwegisches (Asbjörnsen Seite 284), am vollständigsten ein serbisches vom Bartlos (Bd 3, 421) und ein slavonisches (Vogl Seite 71): auf andere Weise, aber nicht minder gut das irische von Daniel O Rourke; die bekannten </p> </div> </front> </text> </TEI> [LXV/0071]
schreckt er Riesen, tödtet Ungeheuer und weiß die schwersten Räthsel zu lösen.
Wird die Albernheit unter dem Schein eines breiten Verstandes und mit sichtbarem Wohlgefallen, aber mit voller Gutmüthigkeit betrieben, so kommen die Lalenbürger zum Vorschein, deren Narrheiten das bekannte deutsche Buch in einigem Zusammenhang darstellt, wie die nicht minder treffliche indische Erzählung von Paramarta. Die liebe Dummheit ohne alle Zuthat kommt bei Catherlieschen, dem Frieder (Nr 59) gegenüber, glänzend an den Tag und ist ebenso natürlich in dem Märchen vom gescheidten Hans (Nr 32 und Vogls Großmütterchen S. 93) geschildert; in dem abenteuerlichen Zug der sieben Schwaben macht sie sich auf andere Weise Luft. Eingemischte Schalkheit führt zu den Streichen Eulenspiegels, die älter sind als man glaubt: schon der Riese Kullervo in Kalevala richtet unter dem Schein der Folgsamkeit was ihm aufgegeben wird so verkehrt aus, daß es zum Verderben ausschlagen muß. Schadenfreude steht bei dem Bäuerlein (Nr 61) im Hintergrund, das sich anfänglich nur dumm anstellt, dann aber immer weiter schreitend das Schlimmste unter der Decke der Unschuld ausführt: übertroffen wird es von dem irischen Darby Duly und noch weiter geht der walachische Bakâla, der keine Schandthat scheut.
Dagegen ist es harmlose Lust, die den Aufschneider antreibt, wenn er behauptet unerhörte Dinge vollbracht zu haben. Er ist an einem dünnen Stiel in den Himmel gestiegen, hat sich dort umgesehen und hernach an einem Seil von Spreu wieder herab gelassen, oder was er sonst Unglaubliches erlebt hat. Davon berichten deutsche Märchen (Nr 112. 138. 159), ein norwegisches (Asbjörnsen Seite 284), am vollständigsten ein serbisches vom Bartlos (Bd 3, 421) und ein slavonisches (Vogl Seite 71): auf andere Weise, aber nicht minder gut das irische von Daniel O Rourke; die bekannten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |