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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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stärker, als wir, zur Veränderung geneigt,
begreifen. Eben darum hat es auch, so viel-
fach erprobt, eine gewisse eindringliche Nähe
und innere Tüchtigkeit, zu der anderes nicht
so leicht gelangt, das äußerlich viel glänzen-
der erscheinen kann. Der epische Grund der
Volksdichtung gleicht dem durch die ganze
Natur in mannichfachen Abstufungen verbrei-
teten Grün, das sättigt und sänftigt ohne je
zu ermüden.

Der innere gehaltige Werth dieser Mär-
chen ist in der That hoch zu schätzen, sie geben
auf unsere uralte Heldendichtung ein neues
und solches Licht, wie man sich nirgendsher
sonst könnte zu Wege bringen. Das von der
Spindel zum Schlaf gestochene Dornröschen
ist die vom Dorn entschlafene Brunhilde, näm-
lich nicht einmal die nibelungische, sondern
die altnordische selber. Schneewitchen schlum-
mert in rothblühender Lebensfarbe wie Snä-
fridr, die schönste ob allen Weibern, an deren
Sarg Haraldur, der haarschöne, drei Jahre sitzt,
gleich den treuen Zwergen, bewachend und
hütend die todtlebendige Jungfrau; der Apfel-

ſtaͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt,
begreifen. Eben darum hat es auch, ſo viel-
fach erprobt, eine gewiſſe eindringliche Naͤhe
und innere Tuͤchtigkeit, zu der anderes nicht
ſo leicht gelangt, das aͤußerlich viel glaͤnzen-
der erſcheinen kann. Der epiſche Grund der
Volksdichtung gleicht dem durch die ganze
Natur in mannichfachen Abſtufungen verbrei-
teten Gruͤn, das ſaͤttigt und ſaͤnftigt ohne je
zu ermuͤden.

Der innere gehaltige Werth dieſer Maͤr-
chen iſt in der That hoch zu ſchaͤtzen, ſie geben
auf unſere uralte Heldendichtung ein neues
und ſolches Licht, wie man ſich nirgendsher
ſonſt koͤnnte zu Wege bringen. Das von der
Spindel zum Schlaf geſtochene Dornroͤschen
iſt die vom Dorn entſchlafene Brunhilde, naͤm-
lich nicht einmal die nibelungiſche, ſondern
die altnordiſche ſelber. Schneewitchen ſchlum-
mert in rothbluͤhender Lebensfarbe wie Snaͤ-
fridr, die ſchoͤnſte ob allen Weibern, an deren
Sarg Haraldur, der haarſchoͤne, drei Jahre ſitzt,
gleich den treuen Zwergen, bewachend und
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[VI/0011] ſtaͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es auch, ſo viel- fach erprobt, eine gewiſſe eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit, zu der anderes nicht ſo leicht gelangt, das aͤußerlich viel glaͤnzen- der erſcheinen kann. Der epiſche Grund der Volksdichtung gleicht dem durch die ganze Natur in mannichfachen Abſtufungen verbrei- teten Gruͤn, das ſaͤttigt und ſaͤnftigt ohne je zu ermuͤden. Der innere gehaltige Werth dieſer Maͤr- chen iſt in der That hoch zu ſchaͤtzen, ſie geben auf unſere uralte Heldendichtung ein neues und ſolches Licht, wie man ſich nirgendsher ſonſt koͤnnte zu Wege bringen. Das von der Spindel zum Schlaf geſtochene Dornroͤschen iſt die vom Dorn entſchlafene Brunhilde, naͤm- lich nicht einmal die nibelungiſche, ſondern die altnordiſche ſelber. Schneewitchen ſchlum- mert in rothbluͤhender Lebensfarbe wie Snaͤ- fridr, die ſchoͤnſte ob allen Weibern, an deren Sarg Haraldur, der haarſchoͤne, drei Jahre ſitzt, gleich den treuen Zwergen, bewachend und huͤtend die todtlebendige Jungfrau; der Apfel-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/11>, abgerufen am 22.12.2024.