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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das sie
einen Schlaftrunk gethan hatte. Also gingen
beide in die Kammer schlafen, und er schlief so
fest, daß sie ihn nicht erwecken konnte. Sie
weinte aber die ganze Nacht und rief: "ich hab'
dich erlöst aus einem wilden Wald und aus einem
eisernen Ofen, du hast mich erlöst und ich hab'
dich erlöst durch ein verwünschtes Schloß, über
einen gläsernen Berg, über drei schneidende
Schwerter und über ein großes Wasser, ehe ich
dich gefunden habe und willst mich doch nicht
hören." Die Bedienten saßen vor der Stuben-
thüre und hörten wie sie so die ganze Nacht weinte
und sagten's am Morgen ihrem Herrn. Und wie
sie am anderen Abend aufgewaschen hatte, biß sie
die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schöne-
res Kleid drin, wie das die Braut sah, wollte sie
es auch kaufen. Aber Geld wollte das Mädchen
nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der
Kammer des Bräutigams schlafen dürfte. Sie
gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er
schlief so fest, daß er nichts hören konnte. Das
Küchenmädchen weinte aber die ganze Nacht und
rief: "ich hab' dich erlöst aus einem wilden
Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich
erlöst und ich habe dich erlöst, durch ein verwünsch-
tes Schloß, über einen gläsernen Berg, über drei
schneidende Schwerter und über ein großes Wasser
ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch

gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das ſie
einen Schlaftrunk gethan hatte. Alſo gingen
beide in die Kammer ſchlafen, und er ſchlief ſo
feſt, daß ſie ihn nicht erwecken konnte. Sie
weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’
dich erloͤſt aus einem wilden Wald und aus einem
eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich hab’
dich erloͤſt durch ein verwuͤnſchtes Schloß, uͤber
einen glaͤſernen Berg, uͤber drei ſchneidende
Schwerter und uͤber ein großes Waſſer, ehe ich
dich gefunden habe und willſt mich doch nicht
hoͤren.“ Die Bedienten ſaßen vor der Stuben-
thuͤre und hoͤrten wie ſie ſo die ganze Nacht weinte
und ſagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie
ſie am anderen Abend aufgewaſchen hatte, biß ſie
die zweite Nuß auf, da war noch ein weit ſchoͤne-
res Kleid drin, wie das die Braut ſah, wollte ſie
es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen
nicht und bat ſich aus, daß es noch einmal in der
Kammer des Braͤutigams ſchlafen duͤrfte. Sie
gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er
ſchlief ſo feſt, daß er nichts hoͤren konnte. Das
Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und
rief: „ich hab’ dich erloͤſt aus einem wilden
Walde und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich
erloͤſt und ich habe dich erloͤſt, durch ein verwuͤnſch-
tes Schloß, uͤber einen glaͤſernen Berg, uͤber drei
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[218/0239] gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das ſie einen Schlaftrunk gethan hatte. Alſo gingen beide in die Kammer ſchlafen, und er ſchlief ſo feſt, daß ſie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤſt aus einem wilden Wald und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich hab’ dich erloͤſt durch ein verwuͤnſchtes Schloß, uͤber einen glaͤſernen Berg, uͤber drei ſchneidende Schwerter und uͤber ein großes Waſſer, ehe ich dich gefunden habe und willſt mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten ſaßen vor der Stuben- thuͤre und hoͤrten wie ſie ſo die ganze Nacht weinte und ſagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie ſie am anderen Abend aufgewaſchen hatte, biß ſie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit ſchoͤne- res Kleid drin, wie das die Braut ſah, wollte ſie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat ſich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams ſchlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er ſchlief ſo feſt, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤſt aus einem wilden Walde und aus einem eiſernen Ofen, du haſt mich erloͤſt und ich habe dich erloͤſt, durch ein verwuͤnſch- tes Schloß, uͤber einen glaͤſernen Berg, uͤber drei ſchneidende Schwerter und uͤber ein großes Waſſer ehe ich dich gefunden habe und willſt mich doch

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/239>, abgerufen am 22.12.2024.