Nun mußte er auch durch ein Holz, darin sah er einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal- tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn wollte zum Diener haben? Der Prinz sprach: "was soll ich mit einem so dicken Mann anfan- gen; wie bist du nur so dick geworden?" -- "O das ist noch gar nichts, wenn ich mich recht aus- einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick!" -- "Da komm mit mir," sagte der Prinz. Die zwei gingen weiter und fanden einen andern, der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. "Was machst du da?" sprach der Prinz. "Ei! ich horche, denn ich kann das Gras wachsen hören, und alles, was sich in der Welt zuträgt, und darum werd' ich der Horcher ge- nannt." "Sag' mir, was geschieht eben an der alten Königin Hof?" -- "Es wird einem Freier der Kopf abgeschlagen, ich hör' das Schwert sau- sen." -- "Komm mit mir," sprach der Prinz und sie zogen zu dreien weiter. Da fanden sie einen, der lag da und war ganz lang, so daß sie eine gute Strecke gehen mußten, bis sie von seinen Füßen bis zum Kopf kamen. "Warum bist du so lang?" fragte der Prinz. "O, sagte er, wenn ich mich ausstrecke, so bin ich noch drei- tausendmal so lang, und größer, als der höchste Berg auf Erden." "Komm mit mir," sprach der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-
Nun mußte er auch durch ein Holz, darin ſah er einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal- tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn wollte zum Diener haben? Der Prinz ſprach: „was ſoll ich mit einem ſo dicken Mann anfan- gen; wie biſt du nur ſo dick geworden?“ — „O das iſt noch gar nichts, wenn ich mich recht aus- einander thue, bin ich noch dreitauſendmal ſo dick!“ — „Da komm mit mir,“ ſagte der Prinz. Die zwei gingen weiter und fanden einen andern, der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den Raſen gelegt. „Was machſt du da?“ ſprach der Prinz. „Ei! ich horche, denn ich kann das Gras wachſen hoͤren, und alles, was ſich in der Welt zutraͤgt, und darum werd’ ich der Horcher ge- nannt.“ „Sag’ mir, was geſchieht eben an der alten Koͤnigin Hof?“ — „Es wird einem Freier der Kopf abgeſchlagen, ich hoͤr’ das Schwert ſau- ſen.“ — „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz und ſie zogen zu dreien weiter. Da fanden ſie einen, der lag da und war ganz lang, ſo daß ſie eine gute Strecke gehen mußten, bis ſie von ſeinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. „Warum biſt du ſo lang?“ fragte der Prinz. „O, ſagte er, wenn ich mich ausſtrecke, ſo bin ich noch drei- tauſendmal ſo lang, und groͤßer, als der hoͤchſte Berg auf Erden.“ „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-
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Nun mußte er auch durch ein Holz, darin ſah er
einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal-
tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der
Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn
wollte zum Diener haben? Der Prinz ſprach:
„was ſoll ich mit einem ſo dicken Mann anfan-
gen; wie biſt du nur ſo dick geworden?“ — „O
das iſt noch gar nichts, wenn ich mich recht aus-
einander thue, bin ich noch dreitauſendmal ſo
dick!“ — „Da komm mit mir,“ ſagte der Prinz.
Die zwei gingen weiter und fanden einen andern,
der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den
Raſen gelegt. „Was machſt du da?“ ſprach der
Prinz. „Ei! ich horche, denn ich kann das Gras
wachſen hoͤren, und alles, was ſich in der Welt
zutraͤgt, und darum werd’ ich der Horcher ge-
nannt.“ „Sag’ mir, was geſchieht eben an der
alten Koͤnigin Hof?“ — „Es wird einem Freier
der Kopf abgeſchlagen, ich hoͤr’ das Schwert ſau-
ſen.“ — „Komm mit mir,“ ſprach der Prinz
und ſie zogen zu dreien weiter. Da fanden ſie
einen, der lag da und war ganz lang, ſo daß
ſie eine gute Strecke gehen mußten, bis ſie von
ſeinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. „Warum
biſt du ſo lang?“ fragte der Prinz. „O, ſagte
er, wenn ich mich ausſtrecke, ſo bin ich noch drei-
tauſendmal ſo lang, und groͤßer, als der hoͤchſte
Berg auf Erden.“ „Komm mit mir,“ ſprach
der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/267>, abgerufen am 23.12.2024.
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