ein Espenlaub, und sprach: "so hab' ich mein Leb- tage nicht gefroren, und wenn's länger gedauert hätte, wär' ich erstarrt."
Nun mußte sich die schöne Jungfrau mit dem Prinzen vermählen, als sie aber nach der Kirche fuhren, sprach die Alte: "ich kann's nim- mermehr zugeben," und schickte ihr Kriegsvolk nach, das sollte alles niedermachen, und ihr die Tochter zurückbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren gespitzt und alles angehört, was die Alte gesprochen, und sagte es dem Dicken, der speite einmal oder zweimal aus hinter den Wa- gen, und da entstand ein groß Wasser, in diesem blieben die Kriegsvölker stecken. Als sie nicht zu- rück kamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reuter, aber der Horcher hörte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, und sie sprangen aus- einander wie Glas. Da fuhren sie ungestört wei- ter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied und wollten weiter ihr Glück in der Welt versuchen.
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem hütete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach der Prinz zu seiner Frau: "weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Prinz, sondern ein Schweine- hirt, und der dort mit der Heerde, das ist mein
ein Eſpenlaub, und ſprach: „ſo hab’ ich mein Leb- tage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert haͤtte, waͤr’ ich erſtarrt.“
Nun mußte ſich die ſchoͤne Jungfrau mit dem Prinzen vermaͤhlen, als ſie aber nach der Kirche fuhren, ſprach die Alte: „ich kann’s nim- mermehr zugeben,“ und ſchickte ihr Kriegsvolk nach, das ſollte alles niedermachen, und ihr die Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren geſpitzt und alles angehoͤrt, was die Alte geſprochen, und ſagte es dem Dicken, der ſpeite einmal oder zweimal aus hinter den Wa- gen, und da entſtand ein groß Waſſer, in dieſem blieben die Kriegsvoͤlker ſtecken. Als ſie nicht zu- ruͤck kamen, ſchickte die Alte ganz geharniſchte Reuter, aber der Horcher hoͤrte ſie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen ſcharf an, und ſie ſprangen aus- einander wie Glas. Da fuhren ſie ungeſtoͤrt wei- ter, und als ſie in der Kirche verheirathet und eingeſegnet waren, nahmen die ſechs Diener ihren Abſchied und wollten weiter ihr Gluͤck in der Welt verſuchen.
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt ſeine Heerde; wie ſie dahin kamen, ſprach der Prinz zu ſeiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Prinz, ſondern ein Schweine- hirt, und der dort mit der Heerde, das iſt mein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0272"n="251"/>
ein Eſpenlaub, und ſprach: „ſo hab’ ich mein Leb-<lb/>
tage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert<lb/>
haͤtte, waͤr’ ich erſtarrt.“</p><lb/><p>Nun mußte ſich die ſchoͤne Jungfrau mit<lb/>
dem Prinzen vermaͤhlen, als ſie aber nach der<lb/>
Kirche fuhren, ſprach die Alte: „ich kann’s nim-<lb/>
mermehr zugeben,“ und ſchickte ihr Kriegsvolk<lb/>
nach, das ſollte alles niedermachen, und ihr die<lb/>
Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte<lb/>
die Ohren geſpitzt und alles angehoͤrt, was die<lb/>
Alte geſprochen, und ſagte es dem Dicken, der<lb/>ſpeite einmal oder zweimal aus hinter den Wa-<lb/>
gen, und da entſtand ein groß Waſſer, in dieſem<lb/>
blieben die Kriegsvoͤlker ſtecken. Als ſie nicht zu-<lb/>
ruͤck kamen, ſchickte die Alte ganz geharniſchte<lb/>
Reuter, aber der Horcher hoͤrte ſie kommen und<lb/>
band dem einen die Augen auf, der guckte die<lb/>
Feinde ein bischen ſcharf an, und ſie ſprangen aus-<lb/>
einander wie Glas. Da fuhren ſie ungeſtoͤrt wei-<lb/>
ter, und als ſie in der Kirche verheirathet und<lb/>
eingeſegnet waren, nahmen die ſechs Diener ihren<lb/>
Abſchied und wollten weiter ihr Gluͤck in der Welt<lb/>
verſuchen.</p><lb/><p>Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein<lb/>
Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt ſeine<lb/>
Heerde; wie ſie dahin kamen, ſprach der Prinz<lb/>
zu ſeiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich<lb/>
bin? ich bin kein Prinz, ſondern ein Schweine-<lb/>
hirt, und der dort mit der Heerde, das iſt mein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[251/0272]
ein Eſpenlaub, und ſprach: „ſo hab’ ich mein Leb-
tage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert
haͤtte, waͤr’ ich erſtarrt.“
Nun mußte ſich die ſchoͤne Jungfrau mit
dem Prinzen vermaͤhlen, als ſie aber nach der
Kirche fuhren, ſprach die Alte: „ich kann’s nim-
mermehr zugeben,“ und ſchickte ihr Kriegsvolk
nach, das ſollte alles niedermachen, und ihr die
Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte
die Ohren geſpitzt und alles angehoͤrt, was die
Alte geſprochen, und ſagte es dem Dicken, der
ſpeite einmal oder zweimal aus hinter den Wa-
gen, und da entſtand ein groß Waſſer, in dieſem
blieben die Kriegsvoͤlker ſtecken. Als ſie nicht zu-
ruͤck kamen, ſchickte die Alte ganz geharniſchte
Reuter, aber der Horcher hoͤrte ſie kommen und
band dem einen die Augen auf, der guckte die
Feinde ein bischen ſcharf an, und ſie ſprangen aus-
einander wie Glas. Da fuhren ſie ungeſtoͤrt wei-
ter, und als ſie in der Kirche verheirathet und
eingeſegnet waren, nahmen die ſechs Diener ihren
Abſchied und wollten weiter ihr Gluͤck in der Welt
verſuchen.
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein
Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt ſeine
Heerde; wie ſie dahin kamen, ſprach der Prinz
zu ſeiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich
bin? ich bin kein Prinz, ſondern ein Schweine-
hirt, und der dort mit der Heerde, das iſt mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/272>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.