alles, du mußt' wieder heim, ließ den Kopf trau- rig hängen, trat vor den König und verlangte sei- nen Abschied. Der König hatte es aber gar lieb und sprach: "Eselein, was ist dir, du schau'st ja sauer, wie ein Essigkrug, ich will dir geben, was du verlangst: "willst du Gold?" -- "Nein," sagte das Eselein und schüttelte mit dem Kopf. "Willst du Kostbarkeiten und Schmuck?" -- "Nein." -- "Willst du mein halbes Reich?" -- "Ach nein!" Da sprach der König: "wenn ich nur wüßte, was dich vergnügt machen könnte: willst du meine schöne Tochter zur Frau?" "Ach ja," sagte das Eselein, war auf einmal ganz lustig und guter Dinge, denn das war's gerade, was es sich gewünscht hatte. Also ward eine große und prächtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Bräutigam in ihr Schlafkämmerlein geführt wurden, wollte der König wissen, ob sich das Eselein auch fein artig und ma- nierlich betrüge, und hieß einen Diener sich dort verstecken. Wie sie nun beide drinnen waren, schob der Bräutigam den Riegel vor die Thüre, blickte sich um und wie er glaubte, daß sie ganz allein wären, da warf er auf einmal seine Eselhaut ab und stand da als ein schöner, königlicher Jüngling, der sprach: "siehst du, wer ich bin und daß ich deiner werth gewesen." Da ward die Braut froh, küßte ihn und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward,
alles, du mußt’ wieder heim, ließ den Kopf trau- rig haͤngen, trat vor den Koͤnig und verlangte ſei- nen Abſchied. Der Koͤnig hatte es aber gar lieb und ſprach: „Eſelein, was iſt dir, du ſchau’ſt ja ſauer, wie ein Eſſigkrug, ich will dir geben, was du verlangſt: „willſt du Gold?“ — „Nein,“ ſagte das Eſelein und ſchuͤttelte mit dem Kopf. „Willſt du Koſtbarkeiten und Schmuck?“ — „Nein.“ — „Willſt du mein halbes Reich?“ — „Ach nein!“ Da ſprach der Koͤnig: „wenn ich nur wuͤßte, was dich vergnuͤgt machen koͤnnte: willſt du meine ſchoͤne Tochter zur Frau?“ „Ach ja,“ ſagte das Eſelein, war auf einmal ganz luſtig und guter Dinge, denn das war’s gerade, was es ſich gewuͤnſcht hatte. Alſo ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wiſſen, ob ſich das Eſelein auch fein artig und ma- nierlich betruͤge, und hieß einen Diener ſich dort verſtecken. Wie ſie nun beide drinnen waren, ſchob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre, blickte ſich um und wie er glaubte, daß ſie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal ſeine Eſelhaut ab und ſtand da als ein ſchoͤner, koͤniglicher Juͤngling, der ſprach: „ſiehſt du, wer ich bin und daß ich deiner werth geweſen.“ Da ward die Braut froh, kuͤßte ihn und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward,
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alles, du mußt’ wieder heim, ließ den Kopf trau-
rig haͤngen, trat vor den Koͤnig und verlangte ſei-
nen Abſchied. Der Koͤnig hatte es aber gar lieb
und ſprach: „Eſelein, was iſt dir, du ſchau’ſt ja
ſauer, wie ein Eſſigkrug, ich will dir geben, was
du verlangſt: „willſt du Gold?“ — „Nein,“
ſagte das Eſelein und ſchuͤttelte mit dem Kopf.
„Willſt du Koſtbarkeiten und Schmuck?“ —
„Nein.“ — „Willſt du mein halbes Reich?“ —
„Ach nein!“ Da ſprach der Koͤnig: „wenn ich
nur wuͤßte, was dich vergnuͤgt machen koͤnnte:
willſt du meine ſchoͤne Tochter zur Frau?“ „Ach
ja,“ ſagte das Eſelein, war auf einmal ganz
luſtig und guter Dinge, denn das war’s gerade,
was es ſich gewuͤnſcht hatte. Alſo ward eine große
und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie
Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein
gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wiſſen,
ob ſich das Eſelein auch fein artig und ma-
nierlich betruͤge, und hieß einen Diener ſich
dort verſtecken. Wie ſie nun beide drinnen
waren, ſchob der Braͤutigam den Riegel vor
die Thuͤre, blickte ſich um und wie er glaubte,
daß ſie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal
ſeine Eſelhaut ab und ſtand da als ein ſchoͤner,
koͤniglicher Juͤngling, der ſprach: „ſiehſt du, wer
ich bin und daß ich deiner werth geweſen.“ Da
ward die Braut froh, kuͤßte ihn und hatte ihn
von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/300>, abgerufen am 23.12.2024.
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