sprang er auf, zog seine Thierhaut wieder über und hätte kein Mensch gedacht, was für einer da- hinter steckte. Bald kam auch der alte König ge- gangen: "ei," rief er, ist das Eselein schon mun- ter! du bist wohl recht traurig, sagte er zu seiner Tochter, daß du keinen ordentlichen Menschen zum Mann bekommen hast?" Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn so lieb, als wenn er der al- lerschönste wär' und will ihn mein Lebtag behal- ten." Der König wunderte sich, aber der Die- ner, der sich versteckt hatte, kam und offenbarte ihm alles. Der König sprach: "Das ist nimmer- mehr wahr!" -- "So wacht selber die folgende Nacht, ihr werdet's mit eigenen Augen sehen; und wißt ihr was, Herr König, nehmt ihm die Haut weg, und werft sie in's Feuer, so muß er sich wohl in seiner rechten Gestalt zeigen." "Dein Rath ist gut," sprach der König, und Abends, als sie schliefen, schlich er sich hinein, und wie er zum Bett' kam, sah er im Mondschein einen stol- zen Jüngling da ruhen, und die Haut lag abge- streift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrennt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen würde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Jüngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Mor- genschein, stand er auf und wollte die Eselshaut
ſprang er auf, zog ſeine Thierhaut wieder uͤber und haͤtte kein Menſch gedacht, was fuͤr einer da- hinter ſteckte. Bald kam auch der alte Koͤnig ge- gangen: „ei,“ rief er, iſt das Eſelein ſchon mun- ter! du biſt wohl recht traurig, ſagte er zu ſeiner Tochter, daß du keinen ordentlichen Menſchen zum Mann bekommen haſt?“ Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn ſo lieb, als wenn er der al- lerſchoͤnſte waͤr’ und will ihn mein Lebtag behal- ten.“ Der Koͤnig wunderte ſich, aber der Die- ner, der ſich verſteckt hatte, kam und offenbarte ihm alles. Der Koͤnig ſprach: „Das iſt nimmer- mehr wahr!“ — „So wacht ſelber die folgende Nacht, ihr werdet’s mit eigenen Augen ſehen; und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die Haut weg, und werft ſie in’s Feuer, ſo muß er ſich wohl in ſeiner rechten Geſtalt zeigen.“ „Dein Rath iſt gut,“ ſprach der Koͤnig, und Abends, als ſie ſchliefen, ſchlich er ſich hinein, und wie er zum Bett’ kam, ſah er im Mondſchein einen ſtol- zen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abge- ſtreift auf der Erde. Da nahm er ſie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb ſelber dabei, bis ſie ganz zu Aſche verbrennt war. Weil er aber ſehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauſchte. Als der Juͤngling ausgeſchlafen hatte, beim erſten Mor- genſchein, ſtand er auf und wollte die Eſelshaut
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ſprang er auf, zog ſeine Thierhaut wieder uͤber
und haͤtte kein Menſch gedacht, was fuͤr einer da-
hinter ſteckte. Bald kam auch der alte Koͤnig ge-
gangen: „ei,“ rief er, iſt das Eſelein ſchon mun-
ter! du biſt wohl recht traurig, ſagte er zu ſeiner
Tochter, daß du keinen ordentlichen Menſchen
zum Mann bekommen haſt?“ Ach nein, lieber
Vater, ich habe ihn ſo lieb, als wenn er der al-
lerſchoͤnſte waͤr’ und will ihn mein Lebtag behal-
ten.“ Der Koͤnig wunderte ſich, aber der Die-
ner, der ſich verſteckt hatte, kam und offenbarte
ihm alles. Der Koͤnig ſprach: „Das iſt nimmer-
mehr wahr!“ — „So wacht ſelber die folgende
Nacht, ihr werdet’s mit eigenen Augen ſehen;
und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die
Haut weg, und werft ſie in’s Feuer, ſo muß er
ſich wohl in ſeiner rechten Geſtalt zeigen.“ „Dein
Rath iſt gut,“ ſprach der Koͤnig, und Abends,
als ſie ſchliefen, ſchlich er ſich hinein, und wie er
zum Bett’ kam, ſah er im Mondſchein einen ſtol-
zen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abge-
ſtreift auf der Erde. Da nahm er ſie weg, und
ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und
die Haut hineinwerfen und blieb ſelber dabei, bis
ſie ganz zu Aſche verbrennt war. Weil er aber
ſehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde,
blieb er die Nacht wach, und lauſchte. Als der
Juͤngling ausgeſchlafen hatte, beim erſten Mor-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/301>, abgerufen am 23.12.2024.
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