ler, ein junger Geselle, der fröhlich sein Lied sin- gend durch den Wald die Straße ritt. Wie der oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei ging, rief er: "sey mir gegrüßt, zu guter Stun- de!" Der Schüler guckte sich überall um, wußte nicht, wo die Stimme herschallte, endlich sprach er: "Wer ruft mir?" Da antwortete es aus dem Wipfel: "Erhebe deine Augen, ich sitze hier oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schu- len ein Wind, um ein Weniges, so werde ich aus- gelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Ich verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kräfte der Kräuter, Vögel und Steine. Wär'st du einmal darin, du würdest fühlen, was für Herrlichkeit aus ihm fließt." Der Schüler, wie er das alles hörte, erstaunte er und sprach: "Ge- segnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, könnt' ich nicht auch ein wenig in den Sack kom- men?" Oben der antwortete, als thät' er's nicht gern: "eine kleine Weile will ich dich wohl hineinlassen für Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stück übrig, das ich erst lernen muß." Als der Schüler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch mögte hin- eingelassen werden, sein Durst nach Weisheit wäre
ler, ein junger Geſelle, der froͤhlich ſein Lied ſin- gend durch den Wald die Straße ritt. Wie der oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei ging, rief er: „ſey mir gegruͤßt, zu guter Stun- de!“ Der Schuͤler guckte ſich uͤberall um, wußte nicht, wo die Stimme herſchallte, endlich ſprach er: „Wer ruft mir?“ Da antwortete es aus dem Wipfel: „Erhebe deine Augen, ich ſitze hier oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen ſind alle Schu- len ein Wind, um ein Weniges, ſo werde ich aus- gelernt haben, herabſteigen und weiſer ſeyn als alle Menſchen. Ich verſtehe die Geſtirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤr’ſt du einmal darin, du wuͤrdeſt fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erſtaunte er und ſprach: „Ge- ſegnet ſey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt’ ich nicht auch ein wenig in den Sack kom- men?“ Oben der antwortete, als thaͤt’ er’s nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hineinlaſſen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es iſt ein Stuͤck uͤbrig, das ich erſt lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hin- eingelaſſen werden, ſein Durſt nach Weisheit waͤre
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ler, ein junger Geſelle, der froͤhlich ſein Lied ſin-
gend durch den Wald die Straße ritt. Wie der
oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei
ging, rief er: „ſey mir gegruͤßt, zu guter Stun-
de!“ Der Schuͤler guckte ſich uͤberall um, wußte
nicht, wo die Stimme herſchallte, endlich ſprach
er: „Wer ruft mir?“ Da antwortete es aus
dem Wipfel: „Erhebe deine Augen, ich ſitze hier
oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe
ich große Dinge gelernt, dagegen ſind alle Schu-
len ein Wind, um ein Weniges, ſo werde ich aus-
gelernt haben, herabſteigen und weiſer ſeyn als
alle Menſchen. Ich verſtehe die Geſtirn- und
Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und
den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die
Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤr’ſt
du einmal darin, du wuͤrdeſt fuͤhlen, was fuͤr
Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie
er das alles hoͤrte, erſtaunte er und ſprach: „Ge-
ſegnet ſey die Stunde, wo ich dich gefunden,
koͤnnt’ ich nicht auch ein wenig in den Sack kom-
men?“ Oben der antwortete, als thaͤt’ er’s
nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl
hineinlaſſen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du
mußt doch noch eine Stunde warten, es iſt ein
Stuͤck uͤbrig, das ich erſt lernen muß.“ Als der
Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die
Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hin-
eingelaſſen werden, ſein Durſt nach Weisheit waͤre
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/306>, abgerufen am 23.12.2024.
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