nig, und meinte nicht anders, der würde ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen, denn hätte sein Bruder soviel für eine Rübe bekommen, was würde es ihm für so schöne Dinge nicht alles tra- gen. Der König nahm das Geschenk und sagte, er wüßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer und besser wäre, als die große Rübe. Also mußte der reiche seines Bruders Rübe auf einen Wagen legen und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht, an wem er seinen Zorn und Aer- ger auslassen sollte, bis ihm böse Gedanken ka- men und er beschloß seinen Bruder zu tödten. Er gewann Mörder, die mußten sich in einen Hin- terhalt stellen, und darauf ging er zu seinem Bru- der und sprach: "Lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander heben und theilen." Der andere ließ sich's auch gefallen und ging ohne Arg mit; als sie aber hinauskamen, stürzten die Mörder über ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum hän- gen. Indem sie eben darüber waren, erscholl aus der Ferne lauter Gesang und Hufschlag, daß ih- nen der Schrecken in den Leib fuhr und sie über Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack steckten, am Ast hinaufwanden und hängen ließen, er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf stecken konnte. Dar- auf ergriffen sie die Flucht. Wer aber des Wegs daher kam, war nichts als ein fahrender Schü-
nig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeſchenk machen, denn haͤtte ſein Bruder ſoviel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was wuͤrde es ihm fuͤr ſo ſchoͤne Dinge nicht alles tra- gen. Der Koͤnig nahm das Geſchenk und ſagte, er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer und beſſer waͤre, als die große Ruͤbe. Alſo mußte der reiche ſeines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen und nach Haus fahren laſſen. Daheim wußte er nicht, an wem er ſeinen Zorn und Aer- ger auslaſſen ſollte, bis ihm boͤſe Gedanken ka- men und er beſchloß ſeinen Bruder zu toͤdten. Er gewann Moͤrder, die mußten ſich in einen Hin- terhalt ſtellen, und darauf ging er zu ſeinem Bru- der und ſprach: „Lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander heben und theilen.“ Der andere ließ ſich’s auch gefallen und ging ohne Arg mit; als ſie aber hinauskamen, ſtuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤn- gen. Indem ſie eben daruͤber waren, erſcholl aus der Ferne lauter Geſang und Hufſchlag, daß ih- nen der Schrecken in den Leib fuhr und ſie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack ſteckten, am Aſt hinaufwanden und haͤngen ließen, er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf ſtecken konnte. Dar- auf ergriffen ſie die Flucht. Wer aber des Wegs daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤ-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0305"n="284"/>
nig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein<lb/>
viel groͤßeres Gegengeſchenk machen, denn haͤtte<lb/>ſein Bruder ſoviel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was<lb/>
wuͤrde es ihm fuͤr ſo ſchoͤne Dinge nicht alles tra-<lb/>
gen. Der Koͤnig nahm das Geſchenk und ſagte,<lb/>
er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer<lb/>
und beſſer waͤre, als die große Ruͤbe. Alſo mußte<lb/>
der reiche ſeines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen<lb/>
legen und nach Haus fahren laſſen. Daheim<lb/>
wußte er nicht, an wem er ſeinen Zorn und Aer-<lb/>
ger auslaſſen ſollte, bis ihm boͤſe Gedanken ka-<lb/>
men und er beſchloß ſeinen Bruder zu toͤdten. Er<lb/>
gewann Moͤrder, die mußten ſich in einen Hin-<lb/>
terhalt ſtellen, und darauf ging er zu ſeinem Bru-<lb/>
der und ſprach: „Lieber Bruder, ich weiß einen<lb/>
heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander<lb/>
heben und theilen.“ Der andere ließ ſich’s auch<lb/>
gefallen und ging ohne Arg mit; als ſie aber<lb/>
hinauskamen, ſtuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her,<lb/>
banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤn-<lb/>
gen. Indem ſie eben daruͤber waren, erſcholl aus<lb/>
der Ferne lauter Geſang und Hufſchlag, daß ih-<lb/>
nen der Schrecken in den Leib fuhr und ſie uͤber<lb/>
Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack<lb/>ſteckten, am Aſt hinaufwanden und haͤngen ließen,<lb/>
er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack<lb/>
hatte, wodurch er den Kopf ſtecken konnte. Dar-<lb/>
auf ergriffen ſie die Flucht. Wer aber des Wegs<lb/>
daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤ-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[284/0305]
nig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein
viel groͤßeres Gegengeſchenk machen, denn haͤtte
ſein Bruder ſoviel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was
wuͤrde es ihm fuͤr ſo ſchoͤne Dinge nicht alles tra-
gen. Der Koͤnig nahm das Geſchenk und ſagte,
er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer
und beſſer waͤre, als die große Ruͤbe. Alſo mußte
der reiche ſeines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen
legen und nach Haus fahren laſſen. Daheim
wußte er nicht, an wem er ſeinen Zorn und Aer-
ger auslaſſen ſollte, bis ihm boͤſe Gedanken ka-
men und er beſchloß ſeinen Bruder zu toͤdten. Er
gewann Moͤrder, die mußten ſich in einen Hin-
terhalt ſtellen, und darauf ging er zu ſeinem Bru-
der und ſprach: „Lieber Bruder, ich weiß einen
heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander
heben und theilen.“ Der andere ließ ſich’s auch
gefallen und ging ohne Arg mit; als ſie aber
hinauskamen, ſtuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her,
banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤn-
gen. Indem ſie eben daruͤber waren, erſcholl aus
der Ferne lauter Geſang und Hufſchlag, daß ih-
nen der Schrecken in den Leib fuhr und ſie uͤber
Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack
ſteckten, am Aſt hinaufwanden und haͤngen ließen,
er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack
hatte, wodurch er den Kopf ſtecken konnte. Dar-
auf ergriffen ſie die Flucht. Wer aber des Wegs
daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/305>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.