Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

"Kommt Altmutter und erwärmt euch." Sie
kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer
steh'n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen
und sie ward's nicht gewahr. Der Junge stand
und sah' das, er hätt's doch löschen sollen?
Nicht wahr, er hätte löschen sollen? Und
wenn er kein Wasser gehabt hätte, dann hätte er
alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen heraus-
weinen sollen, das hätte so zwei hübsche Bächlein
gegeben zu löschen.

65.
Die drei Faulen.

Ein König hatte drei Söhne, die waren ihm
alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er
zum König nach seinem Tode bestimmen sollte.
Als die Zeit kam daß er sterben wollte, rief er sie
vor sich und sprach: "Liebe Kinder, ich habe et-
was bei mir bedacht, das will ich euch sagen:
"welcher von euch der Faulste ist, der soll nach
mir König werden." Da sprach der älteste:
"Vater, so gehört das Reich mir, denn ich bin so
faul, wenn ich liege und will schlafen, und es fällt
mir ein Tropfen in die Augen, so mag ich sie
nicht zuthun, damit ich einschlafe." Der zweite
sprach: "Vater, das Reich gehört mir, denn ich
bin so faul, wenn ich beim Feuer sitze mich zu
wärmen, so ließ ich mir eher die Fersen verbren-
nen, eh' ich die Beine zurückzöge." Der dritte

„Kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie
kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer
ſteh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen
und ſie ward’s nicht gewahr. Der Junge ſtand
und ſah’ das, er haͤtt’s doch loͤſchen ſollen?
Nicht wahr, er haͤtte loͤſchen ſollen? Und
wenn er kein Waſſer gehabt haͤtte, dann haͤtte er
alles Waſſer in ſeinem Leibe zu den Augen heraus-
weinen ſollen, das haͤtte ſo zwei huͤbſche Baͤchlein
gegeben zu loͤſchen.

65.
Die drei Faulen.

Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm
alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er
zum Koͤnig nach ſeinem Tode beſtimmen ſollte.
Als die Zeit kam daß er ſterben wollte, rief er ſie
vor ſich und ſprach: „Liebe Kinder, ich habe et-
was bei mir bedacht, das will ich euch ſagen:
„welcher von euch der Faulſte iſt, der ſoll nach
mir Koͤnig werden.“ Da ſprach der aͤlteſte:
„Vater, ſo gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin ſo
faul, wenn ich liege und will ſchlafen, und es faͤllt
mir ein Tropfen in die Augen, ſo mag ich ſie
nicht zuthun, damit ich einſchlafe.“ Der zweite
ſprach: „Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich
bin ſo faul, wenn ich beim Feuer ſitze mich zu
waͤrmen, ſo ließ ich mir eher die Ferſen verbren-
nen, eh’ ich die Beine zuruͤckzoͤge.“ Der dritte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="292"/>
&#x201E;Kommt Altmutter und erwa&#x0364;rmt euch.&#x201C; Sie<lb/>
kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer<lb/>
&#x017F;teh&#x2019;n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen<lb/>
und &#x017F;ie ward&#x2019;s nicht gewahr. Der Junge &#x017F;tand<lb/>
und &#x017F;ah&#x2019; das, er ha&#x0364;tt&#x2019;s doch lo&#x0364;&#x017F;chen &#x017F;ollen?<lb/>
Nicht wahr, er ha&#x0364;tte lo&#x0364;&#x017F;chen &#x017F;ollen? Und<lb/>
wenn er kein Wa&#x017F;&#x017F;er gehabt ha&#x0364;tte, dann ha&#x0364;tte er<lb/>
alles Wa&#x017F;&#x017F;er in &#x017F;einem Leibe zu den Augen heraus-<lb/>
weinen &#x017F;ollen, das ha&#x0364;tte &#x017F;o zwei hu&#x0364;b&#x017F;che Ba&#x0364;chlein<lb/>
gegeben zu lo&#x0364;&#x017F;chen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>65.<lb/><hi rendition="#g">Die drei Faulen</hi>.</head><lb/>
        <p>Ein Ko&#x0364;nig hatte drei So&#x0364;hne, die waren ihm<lb/>
alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er<lb/>
zum Ko&#x0364;nig nach &#x017F;einem Tode be&#x017F;timmen &#x017F;ollte.<lb/>
Als die Zeit kam daß er &#x017F;terben wollte, rief er &#x017F;ie<lb/>
vor &#x017F;ich und &#x017F;prach: &#x201E;Liebe Kinder, ich habe et-<lb/>
was bei mir bedacht, das will ich euch &#x017F;agen:<lb/>
&#x201E;welcher von euch der Faul&#x017F;te i&#x017F;t, der &#x017F;oll nach<lb/>
mir Ko&#x0364;nig werden.&#x201C; Da &#x017F;prach der a&#x0364;lte&#x017F;te:<lb/>
&#x201E;Vater, &#x017F;o geho&#x0364;rt das Reich mir, denn ich bin &#x017F;o<lb/>
faul, wenn ich liege und will &#x017F;chlafen, und es fa&#x0364;llt<lb/>
mir ein Tropfen in die Augen, &#x017F;o mag ich &#x017F;ie<lb/>
nicht zuthun, damit ich ein&#x017F;chlafe.&#x201C; Der zweite<lb/>
&#x017F;prach: &#x201E;Vater, das Reich geho&#x0364;rt mir, denn ich<lb/>
bin &#x017F;o faul, wenn ich beim Feuer &#x017F;itze mich zu<lb/>
wa&#x0364;rmen, &#x017F;o ließ ich mir eher die Fer&#x017F;en verbren-<lb/>
nen, eh&#x2019; ich die Beine zuru&#x0364;ckzo&#x0364;ge.&#x201C; Der dritte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0313] „Kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer ſteh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und ſie ward’s nicht gewahr. Der Junge ſtand und ſah’ das, er haͤtt’s doch loͤſchen ſollen? Nicht wahr, er haͤtte loͤſchen ſollen? Und wenn er kein Waſſer gehabt haͤtte, dann haͤtte er alles Waſſer in ſeinem Leibe zu den Augen heraus- weinen ſollen, das haͤtte ſo zwei huͤbſche Baͤchlein gegeben zu loͤſchen. 65. Die drei Faulen. Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er zum Koͤnig nach ſeinem Tode beſtimmen ſollte. Als die Zeit kam daß er ſterben wollte, rief er ſie vor ſich und ſprach: „Liebe Kinder, ich habe et- was bei mir bedacht, das will ich euch ſagen: „welcher von euch der Faulſte iſt, der ſoll nach mir Koͤnig werden.“ Da ſprach der aͤlteſte: „Vater, ſo gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin ſo faul, wenn ich liege und will ſchlafen, und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen, ſo mag ich ſie nicht zuthun, damit ich einſchlafe.“ Der zweite ſprach: „Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich bin ſo faul, wenn ich beim Feuer ſitze mich zu waͤrmen, ſo ließ ich mir eher die Ferſen verbren- nen, eh’ ich die Beine zuruͤckzoͤge.“ Der dritte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/313
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/313>, abgerufen am 23.12.2024.