müßt' es darauf stehen. Wie er nun die herun- ter gebracht hatte, suchten sie von neuem und end- lich fanden sie das goldene Schloß von Strom- berg, aber es war viele tausend Meilen weit weg. "Wie werd' ich nun dahin kommen?" sprach der Mann. "Ei, sagte der Riese, zwei Stunden hab' ich Zeit, da will ich dich bis in die Nähe tra- gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und das Kind säugen, das wir haben." Da trug der Riese den Mann bis etwa noch hundert Stunden vom Schloß und sagte: "jetzt muß ich zurück, den übrigen Weg kannst du wohl allein gehen." -- "O ja, sagte der Mann, das kann ich wohl." Wie sie sich nun trennen wollten, sprach der Mann, "wir wollen uns erst recht satt essen;" und darauf nahm der Riese Abschied und ging heim. Der Mann aber ging vorwärts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da stand es aber auf einem gläsernen Berge, und oben darauf sah er die ver- wünschte Prinzessin fahren; nun wollte er hinauf zu ihr, aber er glitschte immer wieder herunter. Da war er ganz betrübt und sprach zu sich selbst: am besten ist, du baust dir hier eine Hütte, Essen und Trinken hast du ja." Also baute er sich eine Hütte und saß darin ein ganzes Jahr und sah die Prinzessin alle Tage oben fahren; konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen.
muͤßt’ es darauf ſtehen. Wie er nun die herun- ter gebracht hatte, ſuchten ſie von neuem und end- lich fanden ſie das goldene Schloß von Strom- berg, aber es war viele tauſend Meilen weit weg. „Wie werd’ ich nun dahin kommen?“ ſprach der Mann. „Ei, ſagte der Rieſe, zwei Stunden hab’ ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tra- gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und das Kind ſaͤugen, das wir haben.“ Da trug der Rieſe den Mann bis etwa noch hundert Stunden vom Schloß und ſagte: „jetzt muß ich zuruͤck, den uͤbrigen Weg kannſt du wohl allein gehen.“ — „O ja, ſagte der Mann, das kann ich wohl.“ Wie ſie ſich nun trennen wollten, ſprach der Mann, „wir wollen uns erſt recht ſatt eſſen;“ und darauf nahm der Rieſe Abſchied und ging heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da ſtand es aber auf einem glaͤſernen Berge, und oben darauf ſah er die ver- wuͤnſchte Prinzeſſin fahren; nun wollte er hinauf zu ihr, aber er glitſchte immer wieder herunter. Da war er ganz betruͤbt und ſprach zu ſich ſelbſt: am beſten iſt, du bauſt dir hier eine Huͤtte, Eſſen und Trinken haſt du ja.“ Alſo baute er ſich eine Huͤtte und ſaß darin ein ganzes Jahr und ſah die Prinzeſſin alle Tage oben fahren; konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0081"n="60"/>
muͤßt’ es darauf ſtehen. Wie er nun die herun-<lb/>
ter gebracht hatte, ſuchten ſie von neuem und end-<lb/>
lich fanden ſie das goldene Schloß von Strom-<lb/>
berg, aber es war viele tauſend Meilen weit weg.<lb/>„Wie werd’ ich nun dahin kommen?“ſprach der<lb/>
Mann. „Ei, ſagte der Rieſe, zwei Stunden<lb/>
hab’ ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tra-<lb/>
gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und<lb/>
das Kind ſaͤugen, das wir haben.“ Da trug der<lb/>
Rieſe den Mann bis etwa noch hundert Stunden<lb/>
vom Schloß und ſagte: „jetzt muß ich zuruͤck, den<lb/>
uͤbrigen Weg kannſt du wohl allein gehen.“—<lb/>„O ja, ſagte der Mann, das kann ich wohl.“<lb/>
Wie ſie ſich nun trennen wollten, ſprach der<lb/>
Mann, „wir wollen uns erſt recht ſatt eſſen;“<lb/>
und darauf nahm der Rieſe Abſchied und ging<lb/>
heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und<lb/>
Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von<lb/>
Stromberg kam. Da ſtand es aber auf einem<lb/>
glaͤſernen Berge, und oben darauf ſah er die ver-<lb/>
wuͤnſchte Prinzeſſin fahren; nun wollte er hinauf<lb/>
zu ihr, aber er glitſchte immer wieder herunter.<lb/>
Da war er ganz betruͤbt und ſprach zu ſich ſelbſt:<lb/>
am beſten iſt, du bauſt dir hier eine Huͤtte, Eſſen<lb/>
und Trinken haſt du ja.“ Alſo baute er ſich eine<lb/>
Huͤtte und ſaß darin ein ganzes Jahr und ſah die<lb/>
Prinzeſſin alle Tage oben fahren; konnte aber<lb/>
nicht hinauf zu ihr kommen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[60/0081]
muͤßt’ es darauf ſtehen. Wie er nun die herun-
ter gebracht hatte, ſuchten ſie von neuem und end-
lich fanden ſie das goldene Schloß von Strom-
berg, aber es war viele tauſend Meilen weit weg.
„Wie werd’ ich nun dahin kommen?“ ſprach der
Mann. „Ei, ſagte der Rieſe, zwei Stunden
hab’ ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tra-
gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und
das Kind ſaͤugen, das wir haben.“ Da trug der
Rieſe den Mann bis etwa noch hundert Stunden
vom Schloß und ſagte: „jetzt muß ich zuruͤck, den
uͤbrigen Weg kannſt du wohl allein gehen.“ —
„O ja, ſagte der Mann, das kann ich wohl.“
Wie ſie ſich nun trennen wollten, ſprach der
Mann, „wir wollen uns erſt recht ſatt eſſen;“
und darauf nahm der Rieſe Abſchied und ging
heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und
Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von
Stromberg kam. Da ſtand es aber auf einem
glaͤſernen Berge, und oben darauf ſah er die ver-
wuͤnſchte Prinzeſſin fahren; nun wollte er hinauf
zu ihr, aber er glitſchte immer wieder herunter.
Da war er ganz betruͤbt und ſprach zu ſich ſelbſt:
am beſten iſt, du bauſt dir hier eine Huͤtte, Eſſen
und Trinken haſt du ja.“ Alſo baute er ſich eine
Huͤtte und ſaß darin ein ganzes Jahr und ſah die
Prinzeſſin alle Tage oben fahren; konnte aber
nicht hinauf zu ihr kommen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/81>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.