Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.sie unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthät. Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefährlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden; denn nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Haas in der Sonne und schlief, streckte die Ohren in die Höhe und hatte die großen, gläsernen Augen starr aufstehen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt und hielten Rath, was zu thun das wenigst gefährliche wäre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach und verschläng sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie: "wir müssen einen großen und gefährlichen Kampf wagen! Frisch gewagt ist halb gewonnen!" faßten alle siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief: "stoß zu in aller Schwabe Name!
sonst wünsch i, daß ihr mögt erlahme!" Aber der Hans wußt ihn zu treffen und sprach: "beim Element, du hascht gut schwätze,
bischt stets der letscht beim Drachehetze!" Der Michal rief: "es wird nit fehle um ei Haar,
so ischt es wohl der Teufel gar!" Drauf kam an den Jergli die Reih, der sprach: sie unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt. Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden; denn nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Haas in der Sonne und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe und hatte die großen, glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt und hielten Rath, was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach und verschlaͤng sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie: „wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf wagen! Frisch gewagt ist halb gewonnen!“ faßten alle siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief: „stoß zu in aller Schwabe Name!
sonst wuͤnsch i, daß ihr moͤgt erlahme!“ Aber der Hans wußt ihn zu treffen und sprach: „beim Element, du hascht gut schwaͤtze,
bischt stets der letscht beim Drachehetze!“ Der Michal rief: „es wird nit fehle um ei Haar,
so ischt es wohl der Teufel gar!“ Drauf kam an den Jergli die Reih, der sprach: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0236" n="158"/> sie unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt.</p><lb/> <p>Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden; denn nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Haas in der Sonne und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe und hatte die großen, glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt und hielten Rath, was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach und verschlaͤng sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie: „wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf wagen! Frisch gewagt ist halb gewonnen!“ faßten alle siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„stoß zu in aller Schwabe Name!</l><lb/> <l>sonst wuͤnsch i, daß ihr moͤgt erlahme!“</l><lb/> </lg> <p>Aber der Hans wußt ihn zu treffen und sprach:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„beim Element, du hascht gut schwaͤtze,</l><lb/> <l>bischt stets der letscht beim Drachehetze!“</l><lb/> </lg> <p>Der Michal rief:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„es wird nit fehle um ei Haar,</l><lb/> <l>so ischt es wohl der Teufel gar!“</l><lb/> </lg> <p>Drauf kam an den Jergli die Reih, der sprach:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [158/0236]
sie unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt.
Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden; denn nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Haas in der Sonne und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe und hatte die großen, glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt und hielten Rath, was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach und verschlaͤng sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie: „wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf wagen! Frisch gewagt ist halb gewonnen!“ faßten alle siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief:
„stoß zu in aller Schwabe Name!
sonst wuͤnsch i, daß ihr moͤgt erlahme!“
Aber der Hans wußt ihn zu treffen und sprach:
„beim Element, du hascht gut schwaͤtze,
bischt stets der letscht beim Drachehetze!“
Der Michal rief:
„es wird nit fehle um ei Haar,
so ischt es wohl der Teufel gar!“
Drauf kam an den Jergli die Reih, der sprach:
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/236>, abgerufen am 16.02.2025. |