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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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'etwas ist ohne Zweifel vorhanden, denn ich schmeck das Pulver und den Zündstrick.' Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an die Flucht zu ergreifen, und sprang im Hui über einen Zaun, weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang, der vom Heumachen da liegen geblieben war, so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht, und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. 'O wey, o wey,' schrie der Herr Schulz, 'nimm mich gefangen, ich ergeb mich! ich ergeb mich!' Die andern sechs hüpften auch alle einer über den andern herzu, und schrien 'giebst du dich, so geb ich mich auch: giebst du dich, so geb ich mich auch.' Endlich, wie kein Feind da war, der sie binden und fortführen wollte, merkten sie daß sie betrogen waren, und damit die Geschichte nicht unter die Leute käme, und sie nicht damit genarrt und gespottet würden, verschwuren sie sich unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthät.

Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefährlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden. Nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Hase in der Sonne, und schlief, streckte die Ohren in die Höhe, und hatte die großen gläsernen Augen starr aufstehen. Da erschracken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt, und hielten Rath was zu thun das wenigst gefährliche wäre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach, und verschlänge sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie 'wir müssen einen großen und gefährlichen Kampf bestehen, frisch gewagt ist halb gewonnen!' faßten alle

‘etwas ist ohne Zweifel vorhanden, denn ich schmeck das Pulver und den Zuͤndstrick.’ Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an die Flucht zu ergreifen, und sprang im Hui uͤber einen Zaun, weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang, der vom Heumachen da liegen geblieben war, so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht, und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. ‘O wey, o wey,’ schrie der Herr Schulz, ‘nimm mich gefangen, ich ergeb mich! ich ergeb mich!’ Die andern sechs huͤpften auch alle einer uͤber den andern herzu, und schrien ‘giebst du dich, so geb ich mich auch: giebst du dich, so geb ich mich auch.’ Endlich, wie kein Feind da war, der sie binden und fortfuͤhren wollte, merkten sie daß sie betrogen waren, und damit die Geschichte nicht unter die Leute kaͤme, und sie nicht damit genarrt und gespottet wuͤrden, verschwuren sie sich unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt.

Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden. Nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Hase in der Sonne, und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe, und hatte die großen glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschracken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt, und hielten Rath was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach, und verschlaͤnge sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie ‘wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf bestehen, frisch gewagt ist halb gewonnen!’ faßten alle

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[174/0190] ‘etwas ist ohne Zweifel vorhanden, denn ich schmeck das Pulver und den Zuͤndstrick.’ Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an die Flucht zu ergreifen, und sprang im Hui uͤber einen Zaun, weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang, der vom Heumachen da liegen geblieben war, so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht, und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. ‘O wey, o wey,’ schrie der Herr Schulz, ‘nimm mich gefangen, ich ergeb mich! ich ergeb mich!’ Die andern sechs huͤpften auch alle einer uͤber den andern herzu, und schrien ‘giebst du dich, so geb ich mich auch: giebst du dich, so geb ich mich auch.’ Endlich, wie kein Feind da war, der sie binden und fortfuͤhren wollte, merkten sie daß sie betrogen waren, und damit die Geschichte nicht unter die Leute kaͤme, und sie nicht damit genarrt und gespottet wuͤrden, verschwuren sie sich unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt. Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden. Nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Hase in der Sonne, und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe, und hatte die großen glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschracken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt, und hielten Rath was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach, und verschlaͤnge sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie ‘wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf bestehen, frisch gewagt ist halb gewonnen!’ faßten alle

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/190>, abgerufen am 15.05.2024.