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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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soll ich sie aber halten?' Da sagte der Jäger der alten Eselin, welche die Hexe war, sollte er täglich dreimal Prügel und keinmal zu fressen geben; der jüngern, welche die Magd war, einmal Prügel und dreimal Futter; und der jüngsten, welche das Mädchen war, keinmal Prügel und dreimal zu fressen; denn er konnte es doch nicht über das Herz bringen, daß das Mädchen sollte geschlagen werden. Darauf gieng er zurück in das Schloß, und was er nöthig hatte, das fand er alles darin.

Nach ein paar Tagen kam der Müller, und sprach er müßte melden, daß die alte Eselin, die nur Schläge bekommen hätte und nichts zu fressen, gestorben wäre; 'die zwei andern,' sagte er weiter, 'sind zwar nicht gestorben, und kriegen auch zu fressen, aber sie sind so traurig, daß es nicht lang mit ihnen dauern kann.' Da erbarmte sich der Jäger, und ließ allen Zorn fahren, und sprach zum Müller, er sollte sie wieder hertreiben. Und wie sie kamen, gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen, daß sie wieder zu Menschen wurden. Da fiel das schöne Mädchen vor ihm auf die Knie und sprach 'ach, mein Liebster, verzeiht mir was ich Böses an euch gethan, meine Mutter hatte mich dazu gezwungen; es ist gegen meinen Willen geschehen, denn ich habe euch von Herzen lieb. Euer Wunschmantel hängt in einem Schrank, und für das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen.' Da ward er anderes Sinnes, und sprach 'behalt es nur, es ist gleich eins, denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen.' Und da ward Hochzeit gehalten, und sie lebten vergnügt mit einander bis an ihren Tod.



soll ich sie aber halten?’ Da sagte der Jaͤger der alten Eselin, welche die Hexe war, sollte er taͤglich dreimal Pruͤgel und keinmal zu fressen geben; der juͤngern, welche die Magd war, einmal Pruͤgel und dreimal Futter; und der juͤngsten, welche das Maͤdchen war, keinmal Pruͤgel und dreimal zu fressen; denn er konnte es doch nicht uͤber das Herz bringen, daß das Maͤdchen sollte geschlagen werden. Darauf gieng er zuruͤck in das Schloß, und was er noͤthig hatte, das fand er alles darin.

Nach ein paar Tagen kam der Muͤller, und sprach er muͤßte melden, daß die alte Eselin, die nur Schlaͤge bekommen haͤtte und nichts zu fressen, gestorben waͤre; ‘die zwei andern,’ sagte er weiter, ‘sind zwar nicht gestorben, und kriegen auch zu fressen, aber sie sind so traurig, daß es nicht lang mit ihnen dauern kann.’ Da erbarmte sich der Jaͤger, und ließ allen Zorn fahren, und sprach zum Muͤller, er sollte sie wieder hertreiben. Und wie sie kamen, gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen, daß sie wieder zu Menschen wurden. Da fiel das schoͤne Maͤdchen vor ihm auf die Knie und sprach ‘ach, mein Liebster, verzeiht mir was ich Boͤses an euch gethan, meine Mutter hatte mich dazu gezwungen; es ist gegen meinen Willen geschehen, denn ich habe euch von Herzen lieb. Euer Wunschmantel haͤngt in einem Schrank, und fuͤr das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen.’ Da ward er anderes Sinnes, und sprach ‘behalt es nur, es ist gleich eins, denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen.’ Und da ward Hochzeit gehalten, und sie lebten vergnuͤgt mit einander bis an ihren Tod.



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[197/0213] soll ich sie aber halten?’ Da sagte der Jaͤger der alten Eselin, welche die Hexe war, sollte er taͤglich dreimal Pruͤgel und keinmal zu fressen geben; der juͤngern, welche die Magd war, einmal Pruͤgel und dreimal Futter; und der juͤngsten, welche das Maͤdchen war, keinmal Pruͤgel und dreimal zu fressen; denn er konnte es doch nicht uͤber das Herz bringen, daß das Maͤdchen sollte geschlagen werden. Darauf gieng er zuruͤck in das Schloß, und was er noͤthig hatte, das fand er alles darin. Nach ein paar Tagen kam der Muͤller, und sprach er muͤßte melden, daß die alte Eselin, die nur Schlaͤge bekommen haͤtte und nichts zu fressen, gestorben waͤre; ‘die zwei andern,’ sagte er weiter, ‘sind zwar nicht gestorben, und kriegen auch zu fressen, aber sie sind so traurig, daß es nicht lang mit ihnen dauern kann.’ Da erbarmte sich der Jaͤger, und ließ allen Zorn fahren, und sprach zum Muͤller, er sollte sie wieder hertreiben. Und wie sie kamen, gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen, daß sie wieder zu Menschen wurden. Da fiel das schoͤne Maͤdchen vor ihm auf die Knie und sprach ‘ach, mein Liebster, verzeiht mir was ich Boͤses an euch gethan, meine Mutter hatte mich dazu gezwungen; es ist gegen meinen Willen geschehen, denn ich habe euch von Herzen lieb. Euer Wunschmantel haͤngt in einem Schrank, und fuͤr das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen.’ Da ward er anderes Sinnes, und sprach ‘behalt es nur, es ist gleich eins, denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen.’ Und da ward Hochzeit gehalten, und sie lebten vergnuͤgt mit einander bis an ihren Tod.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/213>, abgerufen am 21.11.2024.