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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hörnern verzehren, und unten im Keller liegen dreihundert Fässer Wein, die mußt du dazu austrinken, und bleibt von den Ochsen ein Haar, und von dem Wein ein Tröpfchen übrig, so ist mir dein Leben verfallen.' Sprach der Königssohn 'darf ich mir keine Gäste dazu laden? ohne Gesellschaft schmeckt keine Mahlzeit.' Die Alte lachte in Bosheit, und antwortete 'einen darfst du dir dazu laden, damit du Gesellschaft hast, aber weiter keinen.'

Da gieng der Königssohn zu seinen Dienern, und sprach zu dem Dicken 'du sollst heute mein Gast seyn, und dich einmal satt essen.' Da that sich der Dicke von einander, und aß die dreihundert Ochsen, daß kein Haar übrig blieb, und fragte ob weiter nichts als das Frühstück da wäre; den Wein aber trank er gleich aus den Fässern, ohne daß er ein Glas nöthig hatte, und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter. Als die Mahlzeit zu Ende war, gieng der Königssohn zur Alten, und sagte ihr der zweite Bund wäre gelöst. Sie verwunderte sich, und sprach 'so weit wie du hats noch keiner gebracht, aber es ist noch ein Bund übrig,' und dachte 'du sollst mir nicht entgehen, und sollst deinen Kopf nicht oben erhalten.' 'Heut Abend,' sprach sie, 'bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber hüte dich daß du nicht einschläfst; ich komme Schlag zwölf Uhr, und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.' 'O,' dachte der Königssohn, 'der Bund ist leicht, ich will wohl meine Augen offen behalten,' doch

du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren, und unten im Keller liegen dreihundert Faͤsser Wein, die mußt du dazu austrinken, und bleibt von den Ochsen ein Haar, und von dem Wein ein Troͤpfchen uͤbrig, so ist mir dein Leben verfallen.’ Sprach der Koͤnigssohn ‘darf ich mir keine Gaͤste dazu laden? ohne Gesellschaft schmeckt keine Mahlzeit.’ Die Alte lachte in Bosheit, und antwortete ‘einen darfst du dir dazu laden, damit du Gesellschaft hast, aber weiter keinen.’

Da gieng der Koͤnigssohn zu seinen Dienern, und sprach zu dem Dicken ‘du sollst heute mein Gast seyn, und dich einmal satt essen.’ Da that sich der Dicke von einander, und aß die dreihundert Ochsen, daß kein Haar uͤbrig blieb, und fragte ob weiter nichts als das Fruͤhstuͤck da waͤre; den Wein aber trank er gleich aus den Faͤssern, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte, und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter. Als die Mahlzeit zu Ende war, gieng der Koͤnigssohn zur Alten, und sagte ihr der zweite Bund waͤre geloͤst. Sie verwunderte sich, und sprach ‘so weit wie du hats noch keiner gebracht, aber es ist noch ein Bund uͤbrig,’ und dachte ‘du sollst mir nicht entgehen, und sollst deinen Kopf nicht oben erhalten.’ ‘Heut Abend,’ sprach sie, ‘bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber huͤte dich daß du nicht einschlaͤfst; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr, und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.’ ‘O,’ dachte der Koͤnigssohn, ‘der Bund ist leicht, ich will wohl meine Augen offen behalten,’ doch

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[257/0273] du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren, und unten im Keller liegen dreihundert Faͤsser Wein, die mußt du dazu austrinken, und bleibt von den Ochsen ein Haar, und von dem Wein ein Troͤpfchen uͤbrig, so ist mir dein Leben verfallen.’ Sprach der Koͤnigssohn ‘darf ich mir keine Gaͤste dazu laden? ohne Gesellschaft schmeckt keine Mahlzeit.’ Die Alte lachte in Bosheit, und antwortete ‘einen darfst du dir dazu laden, damit du Gesellschaft hast, aber weiter keinen.’ Da gieng der Koͤnigssohn zu seinen Dienern, und sprach zu dem Dicken ‘du sollst heute mein Gast seyn, und dich einmal satt essen.’ Da that sich der Dicke von einander, und aß die dreihundert Ochsen, daß kein Haar uͤbrig blieb, und fragte ob weiter nichts als das Fruͤhstuͤck da waͤre; den Wein aber trank er gleich aus den Faͤssern, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte, und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter. Als die Mahlzeit zu Ende war, gieng der Koͤnigssohn zur Alten, und sagte ihr der zweite Bund waͤre geloͤst. Sie verwunderte sich, und sprach ‘so weit wie du hats noch keiner gebracht, aber es ist noch ein Bund uͤbrig,’ und dachte ‘du sollst mir nicht entgehen, und sollst deinen Kopf nicht oben erhalten.’ ‘Heut Abend,’ sprach sie, ‘bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber huͤte dich daß du nicht einschlaͤfst; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr, und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.’ ‘O,’ dachte der Koͤnigssohn, ‘der Bund ist leicht, ich will wohl meine Augen offen behalten,’ doch

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/273>, abgerufen am 22.11.2024.