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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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rief er seine Diener, erzählte ihnen was die Alte gesagt hatte, und sprach 'wer weiß, was für eine List dahinter steckt, Vorsicht ist gut, haltet Wache, und sorgt daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt.' Als es nun Nacht wurde, da brachte die Alte ihre Tochter, und führte sie in die Arme des Königssohns, und danach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreiß, und der Dicke stellte sich vor die Thüre, also daß keine lebendige Seele herein konnte. Da saßen sie beide, und die Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schönheit sehen konnte. Er that nichts als sie anschauen, und war voll Freude und Liebe, und seine Augen wurden nicht müde; das dauerte bis elf Uhr, da fiel, durch die Künste der Alten, ein Zauber über alle, daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen, und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entrückt.

Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwölf, da war der Zauber kraftlos, und sie erwachten alle wieder. 'O Jammer und Unglück,' rief der Königssohn, 'nun bin ich verloren!' Die treuen Diener fiengen auch an zu klagen, aber der Horcher sprach 'seyd einmal still, ich will horchen,' da horchte er einen Augenblick, und dann sprach er 'sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier, und bejammert ihr Schicksal; du kannst helfen, Langer, wenn du dich aufrichtest, so bist du mit ein paar Schritten dort.' 'Ja,' antwortete der Lange, 'aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen, damit wir den Felsen wegschaffen.' Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf, und im Augenblick, wie man

rief er seine Diener, erzaͤhlte ihnen was die Alte gesagt hatte, und sprach ‘wer weiß, was fuͤr eine List dahinter steckt, Vorsicht ist gut, haltet Wache, und sorgt daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt.’ Als es nun Nacht wurde, da brachte die Alte ihre Tochter, und fuͤhrte sie in die Arme des Koͤnigssohns, und danach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreiß, und der Dicke stellte sich vor die Thuͤre, also daß keine lebendige Seele herein konnte. Da saßen sie beide, und die Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte. Er that nichts als sie anschauen, und war voll Freude und Liebe, und seine Augen wurden nicht muͤde; das dauerte bis elf Uhr, da fiel, durch die Kuͤnste der Alten, ein Zauber uͤber alle, daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen, und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entruͤckt.

Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, da war der Zauber kraftlos, und sie erwachten alle wieder. ‘O Jammer und Ungluͤck,’ rief der Koͤnigssohn, ‘nun bin ich verloren!’ Die treuen Diener fiengen auch an zu klagen, aber der Horcher sprach ‘seyd einmal still, ich will horchen,’ da horchte er einen Augenblick, und dann sprach er ‘sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier, und bejammert ihr Schicksal; du kannst helfen, Langer, wenn du dich aufrichtest, so bist du mit ein paar Schritten dort.’ ‘Ja,’ antwortete der Lange, ‘aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen, damit wir den Felsen wegschaffen.’ Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf, und im Augenblick, wie man

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[258/0274] rief er seine Diener, erzaͤhlte ihnen was die Alte gesagt hatte, und sprach ‘wer weiß, was fuͤr eine List dahinter steckt, Vorsicht ist gut, haltet Wache, und sorgt daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt.’ Als es nun Nacht wurde, da brachte die Alte ihre Tochter, und fuͤhrte sie in die Arme des Koͤnigssohns, und danach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreiß, und der Dicke stellte sich vor die Thuͤre, also daß keine lebendige Seele herein konnte. Da saßen sie beide, und die Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte. Er that nichts als sie anschauen, und war voll Freude und Liebe, und seine Augen wurden nicht muͤde; das dauerte bis elf Uhr, da fiel, durch die Kuͤnste der Alten, ein Zauber uͤber alle, daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen, und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entruͤckt. Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, da war der Zauber kraftlos, und sie erwachten alle wieder. ‘O Jammer und Ungluͤck,’ rief der Koͤnigssohn, ‘nun bin ich verloren!’ Die treuen Diener fiengen auch an zu klagen, aber der Horcher sprach ‘seyd einmal still, ich will horchen,’ da horchte er einen Augenblick, und dann sprach er ‘sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier, und bejammert ihr Schicksal; du kannst helfen, Langer, wenn du dich aufrichtest, so bist du mit ein paar Schritten dort.’ ‘Ja,’ antwortete der Lange, ‘aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen, damit wir den Felsen wegschaffen.’ Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf, und im Augenblick, wie man

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/274>, abgerufen am 22.11.2024.