Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.gar zu groß; ich sorge die Saiten haltens nicht aus.' Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren, und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein, und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt, darüber ward es so betrübt, daß es in die weite Welt gieng, und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter König herrschte, der nur eine einzige aber wunderschöne Tochter hatte. Das Eselein sagte 'hier wollen wir weilen,' klopfte ans Thor, und rief 'es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.' Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute, und schlug sie mit seinen zwei Vorderfüßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thürhüter gewaltig die Augen auf, lief zum König und sprach 'da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor, das schlägt die Laute so gut als ein gelernter Meister.' 'So laß mir den Musikant hereinkommen' sprach der König. Wie aber ein Eselein hereintrat, fieng alles an über den Lautenschläger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig, und sprach 'ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein vornehmes.' Da sagten sie 'wenn du das bist, so setze dich zu dem Kriegsvolk.' 'Nein,' sprach es 'ich will beim König sitzen.' Der König lachte, und sagte in gutem Muth 'ja, es soll so sein, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.' Danach fragte er 'Eselein, wie gefällt dir gar zu groß; ich sorge die Saiten haltens nicht aus.’ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren, und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein, und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die weite Welt gieng, und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte ‘hier wollen wir weilen,’ klopfte ans Thor, und rief ‘es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.’ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute, und schlug sie mit seinen zwei Vorderfuͤßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach ‘da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute so gut als ein gelernter Meister.’ ‘So laß mir den Musikant hereinkommen’ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Eselein hereintrat, fieng alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig, und sprach ‘ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein vornehmes.’ Da sagten sie ‘wenn du das bist, so setze dich zu dem Kriegsvolk.’ ‘Nein,’ sprach es ‘ich will beim Koͤnig sitzen.’ Der Koͤnig lachte, und sagte in gutem Muth ‘ja, es soll so sein, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.’ Danach fragte er ‘Eselein, wie gefaͤllt dir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0303" n="287"/> gar zu groß; ich sorge die Saiten haltens nicht aus.’ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren, und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein, und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die weite Welt gieng, und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte ‘hier wollen wir weilen,’ klopfte ans Thor, und rief ‘es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.’ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute, und schlug sie mit seinen zwei Vorderfuͤßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach ‘da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute so gut als ein gelernter Meister.’ ‘So laß mir den Musikant hereinkommen’ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Eselein hereintrat, fieng alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig, und sprach ‘ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein vornehmes.’ Da sagten sie ‘wenn du das bist, so setze dich zu dem Kriegsvolk.’ ‘Nein,’ sprach es ‘ich will beim Koͤnig sitzen.’ Der Koͤnig lachte, und sagte in gutem Muth ‘ja, es soll so sein, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.’ Danach fragte er ‘Eselein, wie gefaͤllt dir </p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0303]
gar zu groß; ich sorge die Saiten haltens nicht aus.’ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren, und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein, und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die weite Welt gieng, und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte ‘hier wollen wir weilen,’ klopfte ans Thor, und rief ‘es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.’ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute, und schlug sie mit seinen zwei Vorderfuͤßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach ‘da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute so gut als ein gelernter Meister.’ ‘So laß mir den Musikant hereinkommen’ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Eselein hereintrat, fieng alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig, und sprach ‘ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein vornehmes.’ Da sagten sie ‘wenn du das bist, so setze dich zu dem Kriegsvolk.’ ‘Nein,’ sprach es ‘ich will beim Koͤnig sitzen.’ Der Koͤnig lachte, und sagte in gutem Muth ‘ja, es soll so sein, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.’ Danach fragte er ‘Eselein, wie gefaͤllt dir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |