Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.alles hörte, erstaunte, und sprach 'gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, könnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?' Oben der antwortete, als thät ers nicht gerne, 'eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen für Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stück übrig, das ich erst lernen muß.' Als der Schüler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang, und er bat daß er doch möchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit wäre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gäbe er endlich nach und sprach 'damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.' Also ließ der Schüler ihn herunter, band den Sack auf, und befreite ihn, dann rief er selber 'nun zieh mich recht geschwind hinauf,' und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. 'Halt!' sagte der andere, 'so gehts nicht an,' packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnürte zu, und zog den Jünger der Weisheit am Strick baumwärts; dann schwengelte er ihn in der Luft, und sprach 'wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fühlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du klüger wirst.' Damit stieg er auf des Schülers Pferd, und ritt fort. alles hoͤrte, erstaunte, und sprach ‘gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?’ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gerne, ‘eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.’ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang, und er bat daß er doch moͤchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gaͤbe er endlich nach und sprach ‘damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.’ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf, und befreite ihn, dann rief er selber ‘nun zieh mich recht geschwind hinauf,’ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. ‘Halt!’ sagte der andere, ‘so gehts nicht an,’ packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts; dann schwengelte er ihn in der Luft, und sprach ‘wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.’ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd, und ritt fort. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0311" n="295"/> alles hoͤrte, erstaunte, und sprach ‘gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?’ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gerne, ‘eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.’ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang, und er bat daß er doch moͤchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gaͤbe er endlich nach und sprach ‘damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.’ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf, und befreite ihn, dann rief er selber ‘nun zieh mich recht geschwind hinauf,’ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. ‘Halt!’ sagte der andere, ‘so gehts nicht an,’ packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts; dann schwengelte er ihn in der Luft, und sprach ‘wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.’ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd, und ritt fort.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [295/0311]
alles hoͤrte, erstaunte, und sprach ‘gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?’ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gerne, ‘eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.’ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang, und er bat daß er doch moͤchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gaͤbe er endlich nach und sprach ‘damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.’ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf, und befreite ihn, dann rief er selber ‘nun zieh mich recht geschwind hinauf,’ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. ‘Halt!’ sagte der andere, ‘so gehts nicht an,’ packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts; dann schwengelte er ihn in der Luft, und sprach ‘wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.’ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd, und ritt fort.
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