Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.163. Der gläserne Sarg. Sage niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen könne, es ist weiter gar nichts nöthig, als daß er an die rechte Schmiede kommt, und, was die Hauptsache ist, das es ihm glückt. Ein solches artiges und behendes Schneiderbürschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach, und kam in einen großen Wald, und weil es den Weg nicht wußte, verirrte es sich. Die Nacht brach ein, und es blieb ihm nichts übrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen. Auf dem weichen Mose hätte er freilich ein gutes Bett gefunden, allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe, und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu übernachten. Er suchte eine hohe Eiche, stieg bis in den Gipfel hinauf, und dankte Gott daß er sein Bügeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind, der über die Gipfel der Bäume wehete, weggeführt hätte. Nachdem er einige Stunden in der Finsternis, nicht ohne Zittern und Zagen, zugebracht hatte, erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn möchte, wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums, so stieg er vorsichtig herab und 163. Der glaͤserne Sarg. Sage niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen koͤnne, es ist weiter gar nichts noͤthig, als daß er an die rechte Schmiede kommt, und, was die Hauptsache ist, das es ihm gluͤckt. Ein solches artiges und behendes Schneiderbuͤrschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach, und kam in einen großen Wald, und weil es den Weg nicht wußte, verirrte es sich. Die Nacht brach ein, und es blieb ihm nichts uͤbrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen. Auf dem weichen Mose haͤtte er freilich ein gutes Bett gefunden, allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe, und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu uͤbernachten. Er suchte eine hohe Eiche, stieg bis in den Gipfel hinauf, und dankte Gott daß er sein Buͤgeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind, der uͤber die Gipfel der Baͤume wehete, weggefuͤhrt haͤtte. Nachdem er einige Stunden in der Finsternis, nicht ohne Zittern und Zagen, zugebracht hatte, erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn moͤchte, wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums, so stieg er vorsichtig herab und <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0347" n="331"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">163.<lb/> Der glaͤserne Sarg.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">S</hi>age niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen koͤnne, es ist weiter gar nichts noͤthig, als daß er an die rechte Schmiede kommt, und, was die Hauptsache ist, das es ihm gluͤckt. Ein solches artiges und behendes Schneiderbuͤrschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach, und kam in einen großen Wald, und weil es den Weg nicht wußte, verirrte es sich. Die Nacht brach ein, und es blieb ihm nichts uͤbrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen. Auf dem weichen Mose haͤtte er freilich ein gutes Bett gefunden, allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe, und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu uͤbernachten. Er suchte eine hohe Eiche, stieg bis in den Gipfel hinauf, und dankte Gott daß er sein Buͤgeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind, der uͤber die Gipfel der Baͤume wehete, weggefuͤhrt haͤtte.</p><lb/> <p>Nachdem er einige Stunden in der Finsternis, nicht ohne Zittern und Zagen, zugebracht hatte, erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn moͤchte, wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums, so stieg er vorsichtig herab und </p> </div> </body> </text> </TEI> [331/0347]
163.
Der glaͤserne Sarg.
Sage niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen koͤnne, es ist weiter gar nichts noͤthig, als daß er an die rechte Schmiede kommt, und, was die Hauptsache ist, das es ihm gluͤckt. Ein solches artiges und behendes Schneiderbuͤrschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach, und kam in einen großen Wald, und weil es den Weg nicht wußte, verirrte es sich. Die Nacht brach ein, und es blieb ihm nichts uͤbrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen. Auf dem weichen Mose haͤtte er freilich ein gutes Bett gefunden, allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe, und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu uͤbernachten. Er suchte eine hohe Eiche, stieg bis in den Gipfel hinauf, und dankte Gott daß er sein Buͤgeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind, der uͤber die Gipfel der Baͤume wehete, weggefuͤhrt haͤtte.
Nachdem er einige Stunden in der Finsternis, nicht ohne Zittern und Zagen, zugebracht hatte, erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn moͤchte, wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums, so stieg er vorsichtig herab und
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