Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Als der Mann aufwachte, und sah daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig, und sprach 'gewiß nun ist sie vorbei gefahren, und ich habe sie nicht erlöst.' Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, und gieng fort, und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald, und gieng vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so müde, daß er sich an einen Busch legte, und einschlief. Am andern Tag gieng er weiter, und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen, da hörte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, und machte sich auf, und gieng ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich 'gehst du wohl hinein oder nicht? wenn dus thust, kommst du vielleicht ums Leben, du willst es aber doch einmal wagen.' Wie er nun drauf zu gieng, und der Riese ihn sah, sprach er 'es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.' 'Laß das lieber seyn,' sprach der Mann, 'wenn du essen willst, so hab ich etwas bei mir.' 'Wenn das wahr ist,' sagte der Riese, 'so kannst du ruhig bleiben.' Da giengen sie hinein, und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, was nicht all wurde, hervor,

Als der Mann aufwachte, und sah daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig, und sprach ‘gewiß nun ist sie vorbei gefahren, und ich habe sie nicht erloͤst.’ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, und gieng fort, und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald, und gieng vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so muͤde, daß er sich an einen Busch legte, und einschlief. Am andern Tag gieng er weiter, und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen, da hoͤrte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, und machte sich auf, und gieng ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich ‘gehst du wohl hinein oder nicht? wenn dus thust, kommst du vielleicht ums Leben, du willst es aber doch einmal wagen.’ Wie er nun drauf zu gieng, und der Riese ihn sah, sprach er ‘es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.’ ‘Laß das lieber seyn,’ sprach der Mann, ‘wenn du essen willst, so hab ich etwas bei mir.’ ‘Wenn das wahr ist,’ sagte der Riese, ‘so kannst du ruhig bleiben.’ Da giengen sie hinein, und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, was nicht all wurde, hervor,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0069" n="53"/>
        <p>Als der Mann aufwachte, und sah daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig, und sprach &#x2018;gewiß nun ist sie vorbei gefahren, und ich habe sie nicht erlo&#x0364;st.&#x2019; Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, und gieng fort, und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald, und gieng vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so mu&#x0364;de, daß er sich an einen Busch legte, und einschlief. Am andern Tag gieng er weiter, und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen, da ho&#x0364;rte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, und machte sich auf, und gieng ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich &#x2018;gehst du wohl hinein oder nicht? wenn dus thust, kommst du vielleicht ums Leben, du willst es aber doch einmal wagen.&#x2019; Wie er nun drauf zu gieng, und der Riese ihn sah, sprach er &#x2018;es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.&#x2019; &#x2018;Laß das lieber seyn,&#x2019; sprach der Mann, &#x2018;wenn du essen willst, so hab ich etwas bei mir.&#x2019; &#x2018;Wenn das wahr ist,&#x2019; sagte der Riese, &#x2018;so kannst du ruhig bleiben.&#x2019; Da giengen sie hinein, und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, was nicht all wurde, hervor,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0069] Als der Mann aufwachte, und sah daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig, und sprach ‘gewiß nun ist sie vorbei gefahren, und ich habe sie nicht erloͤst.’ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, und gieng fort, und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald, und gieng vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so muͤde, daß er sich an einen Busch legte, und einschlief. Am andern Tag gieng er weiter, und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen, da hoͤrte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, und machte sich auf, und gieng ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich ‘gehst du wohl hinein oder nicht? wenn dus thust, kommst du vielleicht ums Leben, du willst es aber doch einmal wagen.’ Wie er nun drauf zu gieng, und der Riese ihn sah, sprach er ‘es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.’ ‘Laß das lieber seyn,’ sprach der Mann, ‘wenn du essen willst, so hab ich etwas bei mir.’ ‘Wenn das wahr ist,’ sagte der Riese, ‘so kannst du ruhig bleiben.’ Da giengen sie hinein, und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, was nicht all wurde, hervor,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/69
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/69>, abgerufen am 30.11.2024.