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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843.

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ein Soldat, der dich mit seinem Säbel so zugerichtet hat?' 'Gott bewahr!' sagte der Jude, 'einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel hängen, und eine Geige am Hals; daran ist er leicht zu erkennen.' Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm. Als er vor Gericht gestellt wurde, sagte er 'ich habe den Juden nicht angerührt, und ihm das Geld nicht genommen, er hat mirs aus freien Stücken angeboten, damit ich nur aufhörte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte.' 'Gott bewahr!' schrie der Jude, 'er greift die Lügen, wie Fliegen an der Wand.' Aber der Richter glaubte es auch nicht, und sprach 'das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein Jude,' und verurtheilte den guten Knecht, weil er auf offener Straße einen Raub begangen hätte, zum Galgen. Als er aber abgeführt wurde, schrie ihm noch der Jude zu 'du Bärenhäuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn.' Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sproße aber drehte er sich um, und sprach zum Richter 'gewährt mir noch eine Bitte, eh ich sterbe.' 'Ja,' sprach der Richter, 'wenn du nicht um dein Leben bittest.' 'Nicht ums Leben,' antwortete der Knecht, 'ich bitte, laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige spielen.' Der Jude erhob ein Zetergeschrei, 'um Gotteswillen, erlaubts nicht, erlaubts nicht.' Allein der Richter sprach 'warum soll ich ihm die kurze Freude nicht gönnen: es ist ihm zugestanden, und dabei soll es sein Bewenden haben.'

ein Soldat, der dich mit seinem Säbel so zugerichtet hat?’ ‘Gott bewahr!’ sagte der Jude, ‘einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel hängen, und eine Geige am Hals; daran ist er leicht zu erkennen.’ Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm. Als er vor Gericht gestellt wurde, sagte er ‘ich habe den Juden nicht angerührt, und ihm das Geld nicht genommen, er hat mirs aus freien Stücken angeboten, damit ich nur aufhörte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte.’ ‘Gott bewahr!’ schrie der Jude, ‘er greift die Lügen, wie Fliegen an der Wand.’ Aber der Richter glaubte es auch nicht, und sprach ‘das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein Jude,’ und verurtheilte den guten Knecht, weil er auf offener Straße einen Raub begangen hätte, zum Galgen. Als er aber abgeführt wurde, schrie ihm noch der Jude zu ‘du Bärenhäuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn.’ Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sproße aber drehte er sich um, und sprach zum Richter ‘gewährt mir noch eine Bitte, eh ich sterbe.’ ‘Ja,’ sprach der Richter, ‘wenn du nicht um dein Leben bittest.’ ‘Nicht ums Leben,’ antwortete der Knecht, ‘ich bitte, laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige spielen.’ Der Jude erhob ein Zetergeschrei, ‘um Gotteswillen, erlaubts nicht, erlaubts nicht.’ Allein der Richter sprach ‘warum soll ich ihm die kurze Freude nicht gönnen: es ist ihm zugestanden, und dabei soll es sein Bewenden haben.’

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[144/0154] ein Soldat, der dich mit seinem Säbel so zugerichtet hat?’ ‘Gott bewahr!’ sagte der Jude, ‘einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel hängen, und eine Geige am Hals; daran ist er leicht zu erkennen.’ Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm. Als er vor Gericht gestellt wurde, sagte er ‘ich habe den Juden nicht angerührt, und ihm das Geld nicht genommen, er hat mirs aus freien Stücken angeboten, damit ich nur aufhörte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte.’ ‘Gott bewahr!’ schrie der Jude, ‘er greift die Lügen, wie Fliegen an der Wand.’ Aber der Richter glaubte es auch nicht, und sprach ‘das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein Jude,’ und verurtheilte den guten Knecht, weil er auf offener Straße einen Raub begangen hätte, zum Galgen. Als er aber abgeführt wurde, schrie ihm noch der Jude zu ‘du Bärenhäuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn.’ Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sproße aber drehte er sich um, und sprach zum Richter ‘gewährt mir noch eine Bitte, eh ich sterbe.’ ‘Ja,’ sprach der Richter, ‘wenn du nicht um dein Leben bittest.’ ‘Nicht ums Leben,’ antwortete der Knecht, ‘ich bitte, laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige spielen.’ Der Jude erhob ein Zetergeschrei, ‘um Gotteswillen, erlaubts nicht, erlaubts nicht.’ Allein der Richter sprach ‘warum soll ich ihm die kurze Freude nicht gönnen: es ist ihm zugestanden, und dabei soll es sein Bewenden haben.’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1843, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1843/154>, abgerufen am 22.12.2024.