Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müde, und Zweiäuglein sang immer 'Einäuglein, wachst du? Einäuglein, schläfst du?' Da that Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäuglein sah daß Einäuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es 'Zicklein, meck, Tischlein, deck,' und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank bis es satt war, dann rief es wieder 'Zicklein, meck, Tischlein, weg,' und alles war augenblicklich verschwunden. Zweiäuglein weckte nun Einäuglein und sprach 'Einäuglein, du willst hüten und schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Welt laufen können; komm, wir wollen nach Haus gehen.' Da giengen sie nach Haus, und Zweiäuglein ließ wieder sein Schüsselchen unangerührt stehen, und Einäuglein konnte der Mutter nicht verrathen warum es nicht essen wollte und sagte zu seiner Entschuldigung 'ich war draußen eingeschlafen.' Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiäuglein 'diesmal sollst du mit gehen und Acht haben ob Zweiäuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.' Da trat Dreiäuglein zum Zweiäuglein und sprach 'ich will mitgehen und sehen ob auch die Ziege recht gehütet hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müde, und Zweiäuglein sang immer ‘Einäuglein, wachst du? Einäuglein, schläfst du?’ Da that Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäuglein sah daß Einäuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es ‘Zicklein, meck, Tischlein, deck,’ und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank bis es satt war, dann rief es wieder ‘Zicklein, meck, Tischlein, weg,’ und alles war augenblicklich verschwunden. Zweiäuglein weckte nun Einäuglein und sprach ‘Einäuglein, du willst hüten und schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Welt laufen können; komm, wir wollen nach Haus gehen.’ Da giengen sie nach Haus, und Zweiäuglein ließ wieder sein Schüsselchen unangerührt stehen, und Einäuglein konnte der Mutter nicht verrathen warum es nicht essen wollte und sagte zu seiner Entschuldigung ‘ich war draußen eingeschlafen.’ Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiäuglein ‘diesmal sollst du mit gehen und Acht haben ob Zweiäuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.’ Da trat Dreiäuglein zum Zweiäuglein und sprach ‘ich will mitgehen und sehen ob auch die Ziege recht gehütet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0262" n="250"/> hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müde, und Zweiäuglein sang immer</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Einäuglein, wachst du?</l><lb/> <l>Einäuglein, schläfst du?’</l><lb/> </lg> <p>Da that Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäuglein sah daß Einäuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, deck,’</l><lb/> </lg> <p>und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank bis es satt war, dann rief es wieder</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein, weg,’</l><lb/> </lg> <p>und alles war augenblicklich verschwunden. Zweiäuglein weckte nun Einäuglein und sprach ‘Einäuglein, du willst hüten und schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Welt laufen können; komm, wir wollen nach Haus gehen.’ Da giengen sie nach Haus, und Zweiäuglein ließ wieder sein Schüsselchen unangerührt stehen, und Einäuglein konnte der Mutter nicht verrathen warum es nicht essen wollte und sagte zu seiner Entschuldigung ‘ich war draußen eingeschlafen.’</p><lb/> <p>Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiäuglein ‘diesmal sollst du mit gehen und Acht haben ob Zweiäuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.’ Da trat Dreiäuglein zum Zweiäuglein und sprach ‘ich will mitgehen und sehen ob auch die Ziege recht gehütet </p> </div> </body> </text> </TEI> [250/0262]
hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müde, und Zweiäuglein sang immer
‘Einäuglein, wachst du?
Einäuglein, schläfst du?’
Da that Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäuglein sah daß Einäuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es
‘Zicklein, meck,
Tischlein, deck,’
und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank bis es satt war, dann rief es wieder
‘Zicklein, meck,
Tischlein, weg,’
und alles war augenblicklich verschwunden. Zweiäuglein weckte nun Einäuglein und sprach ‘Einäuglein, du willst hüten und schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Welt laufen können; komm, wir wollen nach Haus gehen.’ Da giengen sie nach Haus, und Zweiäuglein ließ wieder sein Schüsselchen unangerührt stehen, und Einäuglein konnte der Mutter nicht verrathen warum es nicht essen wollte und sagte zu seiner Entschuldigung ‘ich war draußen eingeschlafen.’
Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiäuglein ‘diesmal sollst du mit gehen und Acht haben ob Zweiäuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.’ Da trat Dreiäuglein zum Zweiäuglein und sprach ‘ich will mitgehen und sehen ob auch die Ziege recht gehütet
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