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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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Goldschmied, der seiner habgierigen Natur gemäß die Taschen besser gefüllt hatte, nocheinmal so viel als der Schneider. Ein Habgieriger, wenn er viel hat, verlangt noch mehr, der Goldschmied machte dem Schneider den Vorschlag, noch einen Tag zu verweilen, am Abend wieder hinaus zu gehen, um sich bei dem Alten auf dem Berge noch größere Schätze zu holen. Der Schneider wollte nicht und sagte 'ich habe genug und bin zufrieden: jetzt werde ich Meister, heirathe meinen angenehmen Gegenstand (wie er seine Liebste nannte) und bin ein glücklicher Mann.' Doch wollte er, ihm zu Gefallen, den Tag noch bleiben. Abends hieng der Goldschmied noch ein paar Taschen über die Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht einzustecken was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. 'Wenn das Gold auch drückt,' sprach er, 'ich will das schon ertragen,' und schlief endlich mit dem süßen Vorgefühl ein, Morgen als steinreicher Mann zu erwachen. Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen, aber wie erstaunte er als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hinein greifen als er wollte. 'Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe' dachte er und holte es herbei, aber wie erschrack er, als er sah daß es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirne, da fühlte er daß der ganze

Goldschmied, der seiner habgierigen Natur gemäß die Taschen besser gefüllt hatte, nocheinmal so viel als der Schneider. Ein Habgieriger, wenn er viel hat, verlangt noch mehr, der Goldschmied machte dem Schneider den Vorschlag, noch einen Tag zu verweilen, am Abend wieder hinaus zu gehen, um sich bei dem Alten auf dem Berge noch größere Schätze zu holen. Der Schneider wollte nicht und sagte ‘ich habe genug und bin zufrieden: jetzt werde ich Meister, heirathe meinen angenehmen Gegenstand (wie er seine Liebste nannte) und bin ein glücklicher Mann.’ Doch wollte er, ihm zu Gefallen, den Tag noch bleiben. Abends hieng der Goldschmied noch ein paar Taschen über die Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht einzustecken was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. ‘Wenn das Gold auch drückt,’ sprach er, ‘ich will das schon ertragen,’ und schlief endlich mit dem süßen Vorgefühl ein, Morgen als steinreicher Mann zu erwachen. Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen, aber wie erstaunte er als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hinein greifen als er wollte. ‘Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe’ dachte er und holte es herbei, aber wie erschrack er, als er sah daß es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirne, da fühlte er daß der ganze

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Goldschmied, der seiner habgierigen Natur gemäß die Taschen besser gefüllt hatte, nocheinmal so viel als der Schneider. Ein Habgieriger, wenn er viel hat, verlangt noch mehr, der Goldschmied machte dem Schneider den Vorschlag, noch einen Tag zu verweilen, am Abend wieder hinaus zu gehen, um sich bei dem Alten auf dem Berge noch größere Schätze zu holen. Der Schneider wollte nicht und sagte &#x2018;ich habe genug und bin zufrieden: jetzt werde ich Meister, heirathe meinen angenehmen Gegenstand (wie er seine Liebste nannte) und bin ein glücklicher Mann.&#x2019; Doch wollte er, ihm zu Gefallen, den Tag noch bleiben. Abends hieng der Goldschmied noch ein paar Taschen über die Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht einzustecken was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. &#x2018;Wenn das Gold auch drückt,&#x2019; sprach er, &#x2018;ich will das schon ertragen,&#x2019; und schlief endlich mit dem süßen Vorgefühl ein, Morgen als steinreicher Mann zu erwachen. Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen, aber wie erstaunte er als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hinein greifen als er wollte. &#x2018;Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe&#x2019; dachte er und holte es herbei, aber wie erschrack er, als er sah daß es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirne, da fühlte er daß der ganze
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[446/0458] Goldschmied, der seiner habgierigen Natur gemäß die Taschen besser gefüllt hatte, nocheinmal so viel als der Schneider. Ein Habgieriger, wenn er viel hat, verlangt noch mehr, der Goldschmied machte dem Schneider den Vorschlag, noch einen Tag zu verweilen, am Abend wieder hinaus zu gehen, um sich bei dem Alten auf dem Berge noch größere Schätze zu holen. Der Schneider wollte nicht und sagte ‘ich habe genug und bin zufrieden: jetzt werde ich Meister, heirathe meinen angenehmen Gegenstand (wie er seine Liebste nannte) und bin ein glücklicher Mann.’ Doch wollte er, ihm zu Gefallen, den Tag noch bleiben. Abends hieng der Goldschmied noch ein paar Taschen über die Schulter, um recht einsacken zu können, und machte sich auf den Weg zu dem Hügel. Er fand, wie in der vorigen Nacht, das kleine Volk bei Gesang und Tanz, der Alte schor ihn abermals glatt und deutete ihm an Kohlen mitzunehmen. Er zögerte nicht einzustecken was nur in seine Taschen gehen wollte, kehrte ganz glückselig heim und deckte sich mit dem Rock zu. ‘Wenn das Gold auch drückt,’ sprach er, ‘ich will das schon ertragen,’ und schlief endlich mit dem süßen Vorgefühl ein, Morgen als steinreicher Mann zu erwachen. Als er die Augen öffnete, erhob er sich schnell, um die Taschen zu untersuchen, aber wie erstaunte er als er nichts herauszog als schwarze Kohlen, er mochte so oft hinein greifen als er wollte. ‘Noch bleibt mir das Gold, das ich die Nacht vorher gewonnen habe’ dachte er und holte es herbei, aber wie erschrack er, als er sah daß es ebenfalls wieder zu Kohle geworden war. Er schlug sich mit der schwarzbestäubten Hand an die Stirne, da fühlte er daß der ganze

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/458>, abgerufen am 22.11.2024.