Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

sie in den königlichen Saal eintrat, erstaunten alle über ihre große Schönheit und der König sagte zu seinem Sohn 'das ist die Braut, die ich dir ausgewählt habe und die du zur Kirche führen sollst.' Der Bräutigam erstaunte und dachte 'sie gleicht meiner Jungfrau Maleen, und ich würde glauben sie wäre es selbst, aber die sitzt schon lange im Thurn gefangen oder ist todt.' Er nahm sie an der Hand und führte sie zur Kirche. An dem Wege stand ein Brennesselbusch, da sprach sie

'Brennettelbusch,
Brennettelbusch so klene,
wat steist du hier allene?
ik hef de Tyt geweten
da hef ik dy ungesaden
ungebraden eten.'

'Was sprichst du da?' fragte der Königssohn. 'Nichts,' antwortete sie, 'ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.' Er verwunderte sich daß sie von ihr wußte, schwieg aber still. Als sie an den Steg vor dem Kirchhof kamen, sprach sie

'Karkstegels, brik nich,
Bün de rechte Brut nich.'

'Was sprichst du da?' fragte der Königssohn? 'Nichts,' antwortete sie, 'ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.' 'Kennst du die Jungfrau Maleen?' 'Nein,' antwortete sie, 'wie sollte ich sie kennen, ich habe nur von ihr gehört.' Als sie an die Kirchthüre kamen, sprach sie abermals

sie in den königlichen Saal eintrat, erstaunten alle über ihre große Schönheit und der König sagte zu seinem Sohn ‘das ist die Braut, die ich dir ausgewählt habe und die du zur Kirche führen sollst.’ Der Bräutigam erstaunte und dachte ‘sie gleicht meiner Jungfrau Maleen, und ich würde glauben sie wäre es selbst, aber die sitzt schon lange im Thurn gefangen oder ist todt.’ Er nahm sie an der Hand und führte sie zur Kirche. An dem Wege stand ein Brennesselbusch, da sprach sie

‘Brennettelbusch,
Brennettelbusch so klene,
wat steist du hier allene?
ik hef de Tyt geweten
da hef ik dy ungesaden
ungebraden eten.’

‘Was sprichst du da?’ fragte der Königssohn. ‘Nichts,’ antwortete sie, ‘ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.’ Er verwunderte sich daß sie von ihr wußte, schwieg aber still. Als sie an den Steg vor dem Kirchhof kamen, sprach sie

‘Karkstegels, brik nich,
Bün de rechte Brut nich.’

‘Was sprichst du da?’ fragte der Königssohn? ‘Nichts,’ antwortete sie, ‘ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.’ ‘Kennst du die Jungfrau Maleen?’ ‘Nein,’ antwortete sie, ‘wie sollte ich sie kennen, ich habe nur von ihr gehört.’ Als sie an die Kirchthüre kamen, sprach sie abermals

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0542" n="530"/>
sie in den königlichen Saal eintrat, erstaunten alle über ihre große Schönheit und der König sagte zu seinem Sohn &#x2018;das ist die Braut, die ich dir ausgewählt habe und die du zur Kirche führen sollst.&#x2019; Der Bräutigam erstaunte und dachte &#x2018;sie gleicht meiner Jungfrau Maleen, und ich würde glauben sie wäre es selbst, aber die sitzt schon lange im Thurn gefangen oder ist todt.&#x2019; Er nahm sie an der Hand und führte sie zur Kirche. An dem Wege stand ein Brennesselbusch, da sprach sie</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Brennettelbusch,</l><lb/>
          <l>Brennettelbusch so klene,</l><lb/>
          <l>wat steist du hier allene?</l><lb/>
          <l>ik hef de Tyt geweten</l><lb/>
          <l>da hef ik dy ungesaden</l><lb/>
          <l>ungebraden eten.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>&#x2018;Was sprichst du da?&#x2019; fragte der Königssohn. &#x2018;Nichts,&#x2019; antwortete sie, &#x2018;ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.&#x2019; Er verwunderte sich daß sie von ihr wußte, schwieg aber still. Als sie an den Steg vor dem Kirchhof kamen, sprach sie</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Karkstegels, brik nich,</l><lb/>
          <l>Bün de rechte Brut nich.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>&#x2018;Was sprichst du da?&#x2019; fragte der Königssohn? &#x2018;Nichts,&#x2019; antwortete sie, &#x2018;ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.&#x2019; &#x2018;Kennst du die Jungfrau Maleen?&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete sie, &#x2018;wie sollte ich sie kennen, ich habe nur von ihr gehört.&#x2019; Als sie an die Kirchthüre kamen, sprach sie abermals</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0542] sie in den königlichen Saal eintrat, erstaunten alle über ihre große Schönheit und der König sagte zu seinem Sohn ‘das ist die Braut, die ich dir ausgewählt habe und die du zur Kirche führen sollst.’ Der Bräutigam erstaunte und dachte ‘sie gleicht meiner Jungfrau Maleen, und ich würde glauben sie wäre es selbst, aber die sitzt schon lange im Thurn gefangen oder ist todt.’ Er nahm sie an der Hand und führte sie zur Kirche. An dem Wege stand ein Brennesselbusch, da sprach sie ‘Brennettelbusch, Brennettelbusch so klene, wat steist du hier allene? ik hef de Tyt geweten da hef ik dy ungesaden ungebraden eten.’ ‘Was sprichst du da?’ fragte der Königssohn. ‘Nichts,’ antwortete sie, ‘ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.’ Er verwunderte sich daß sie von ihr wußte, schwieg aber still. Als sie an den Steg vor dem Kirchhof kamen, sprach sie ‘Karkstegels, brik nich, Bün de rechte Brut nich.’ ‘Was sprichst du da?’ fragte der Königssohn? ‘Nichts,’ antwortete sie, ‘ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.’ ‘Kennst du die Jungfrau Maleen?’ ‘Nein,’ antwortete sie, ‘wie sollte ich sie kennen, ich habe nur von ihr gehört.’ Als sie an die Kirchthüre kamen, sprach sie abermals

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/542
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/542>, abgerufen am 25.11.2024.