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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, sich auf dem Weg nach der Stadt befand, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. 'Jch weiß selber nicht recht,' sprach er, und setzte im Scherz hinzu 'ich hätte wohl Lust ausfindig zu machen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen, und darnach König zu werden.' 'Das ist so schwer nicht,' sagte die Alte, 'du mußt den Wein nicht trinken, der dir Abends gebracht wird, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.' Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen und sprach 'wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar und kannst den zwölfen dann nachschleichen.' Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er ein Herz faßte, vor den König gieng und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit ward er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste und brachte ihm einen Becher Wein: aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach 'der hätte auch sein Leben sparen können.' Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus: putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum und freuten sich auf den Tanz. Nur die jüngste sagte 'ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe: gewiß widerfährt uns ein Unglück.' 'Du bist eine Schneegans,' sagte die älteste, 'die sich immer fürchtet. Hast du vergessen wie viel Königssöhne schon umsonst dagewesen sind? dem Soldaten hätt ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben, der Lümmel wäre doch nicht aufgewacht.'

sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, sich auf dem Weg nach der Stadt befand, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, und setzte im Scherz hinzu ‘ich hätte wohl Lust ausfindig zu machen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen, und darnach König zu werden.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt den Wein nicht trinken, der dir Abends gebracht wird, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen und sprach ‘wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar und kannst den zwölfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er ein Herz faßte, vor den König gieng und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit ward er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste und brachte ihm einen Becher Wein: aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach ‘der hätte auch sein Leben sparen können.’ Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus: putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum und freuten sich auf den Tanz. Nur die jüngste sagte ‘ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe: gewiß widerfährt uns ein Unglück.’ ‘Du bist eine Schneegans,’ sagte die älteste, ‘die sich immer fürchtet. Hast du vergessen wie viel Königssöhne schon umsonst dagewesen sind? dem Soldaten hätt ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben, der Lümmel wäre doch nicht aufgewacht.’

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[225/0237] sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, sich auf dem Weg nach der Stadt befand, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, und setzte im Scherz hinzu ‘ich hätte wohl Lust ausfindig zu machen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen, und darnach König zu werden.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt den Wein nicht trinken, der dir Abends gebracht wird, und mußt thun als wärst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen und sprach ‘wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar und kannst den zwölfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er ein Herz faßte, vor den König gieng und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit ward er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste und brachte ihm einen Becher Wein: aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach ‘der hätte auch sein Leben sparen können.’ Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus: putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum und freuten sich auf den Tanz. Nur die jüngste sagte ‘ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe: gewiß widerfährt uns ein Unglück.’ ‘Du bist eine Schneegans,’ sagte die älteste, ‘die sich immer fürchtet. Hast du vergessen wie viel Königssöhne schon umsonst dagewesen sind? dem Soldaten hätt ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben, der Lümmel wäre doch nicht aufgewacht.’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/237>, abgerufen am 24.11.2024.