Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der hatte die Augen zugethan, rührte und regte sich nicht, und sie glaubten nun ganz sicher zu sein. Da gieng die älteste an ihr Bett und klopfte daran: alsbald sank es in die Erde, und sie stiegen durch die Öffnung hinab, eine nach der andern, die älteste voran. Der Soldat, der alles mit angesehen hatte, zauderte nicht lange, hieng sein Mäntelchen um und stieg hinter der jüngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid, da erschrack sie und rief 'was ist das? wer hält mich am Kleid?' 'Sei nicht so einfältig,' sagte die älteste, 'du bist an einem Haken hängen geblieben.' Da giengen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderprächtigen Baumgang, da waren alle Blätter von Silber, und schimmerten und glänzten. Der Soldat dachte 'du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen,' und brach einen Zweig davon ab: da fuhr ein gewaltiger Krach aus dem Baume. Die jüngste rief wieder 'es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehört?' Die älteste aber sprach 'das sind Freudenschüsse, weil wir unsere Prinzen bald erlöst haben.' Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blätter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren: von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal krachte, daß die jüngste vor Schrecken zusammenfuhr: aber die älteste blieb dabei, es wären Freudenschüsse. Sie giengen weiter und kamen zu einem großen Wasser, darauf standen zwölf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schöner Prinz, die hatten auf die zwölfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der jüngsten ein. Da sprach der Prinz 'ich weiß nicht das Schiff ist heute viel schwerer und ich muß aus allen Kräften rudern, wenn ich es fortbringen soll.' 'Wovon sollte das kommen,' sprach die jüngste, 'als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.' Jenseits des Wassers aber stand ein schönes hellerleuchtetes Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der hatte die Augen zugethan, rührte und regte sich nicht, und sie glaubten nun ganz sicher zu sein. Da gieng die älteste an ihr Bett und klopfte daran: alsbald sank es in die Erde, und sie stiegen durch die Öffnung hinab, eine nach der andern, die älteste voran. Der Soldat, der alles mit angesehen hatte, zauderte nicht lange, hieng sein Mäntelchen um und stieg hinter der jüngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid, da erschrack sie und rief ‘was ist das? wer hält mich am Kleid?’ ‘Sei nicht so einfältig,’ sagte die älteste, ‘du bist an einem Haken hängen geblieben.’ Da giengen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderprächtigen Baumgang, da waren alle Blätter von Silber, und schimmerten und glänzten. Der Soldat dachte ‘du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen,’ und brach einen Zweig davon ab: da fuhr ein gewaltiger Krach aus dem Baume. Die jüngste rief wieder ‘es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehört?’ Die älteste aber sprach ‘das sind Freudenschüsse, weil wir unsere Prinzen bald erlöst haben.’ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blätter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren: von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal krachte, daß die jüngste vor Schrecken zusammenfuhr: aber die älteste blieb dabei, es wären Freudenschüsse. Sie giengen weiter und kamen zu einem großen Wasser, darauf standen zwölf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schöner Prinz, die hatten auf die zwölfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der jüngsten ein. Da sprach der Prinz ‘ich weiß nicht das Schiff ist heute viel schwerer und ich muß aus allen Kräften rudern, wenn ich es fortbringen soll.’ ‘Wovon sollte das kommen,’ sprach die jüngste, ‘als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.’ Jenseits des Wassers aber stand ein schönes hellerleuchtetes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0238" n="226"/> Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der hatte die Augen zugethan, rührte und regte sich nicht, und sie glaubten nun ganz sicher zu sein. Da gieng die älteste an ihr Bett und klopfte daran: alsbald sank es in die Erde, und sie stiegen durch die Öffnung hinab, eine nach der andern, die älteste voran. Der Soldat, der alles mit angesehen hatte, zauderte nicht lange, hieng sein Mäntelchen um und stieg hinter der jüngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid, da erschrack sie und rief ‘was ist das? wer hält mich am Kleid?’ ‘Sei nicht so einfältig,’ sagte die älteste, ‘du bist an einem Haken hängen geblieben.’ Da giengen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderprächtigen Baumgang, da waren alle Blätter von Silber, und schimmerten und glänzten. Der Soldat dachte ‘du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen,’ und brach einen Zweig davon ab: da fuhr ein gewaltiger Krach aus dem Baume. Die jüngste rief wieder ‘es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehört?’ Die älteste aber sprach ‘das sind Freudenschüsse, weil wir unsere Prinzen bald erlöst haben.’ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blätter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren: von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal krachte, daß die jüngste vor Schrecken zusammenfuhr: aber die älteste blieb dabei, es wären Freudenschüsse. Sie giengen weiter und kamen zu einem großen Wasser, darauf standen zwölf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schöner Prinz, die hatten auf die zwölfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der jüngsten ein. Da sprach der Prinz ‘ich weiß nicht das Schiff ist heute viel schwerer und ich muß aus allen Kräften rudern, wenn ich es fortbringen soll.’ ‘Wovon sollte das kommen,’ sprach die jüngste, ‘als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.’ Jenseits des Wassers aber stand ein schönes hellerleuchtetes </p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0238]
Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der hatte die Augen zugethan, rührte und regte sich nicht, und sie glaubten nun ganz sicher zu sein. Da gieng die älteste an ihr Bett und klopfte daran: alsbald sank es in die Erde, und sie stiegen durch die Öffnung hinab, eine nach der andern, die älteste voran. Der Soldat, der alles mit angesehen hatte, zauderte nicht lange, hieng sein Mäntelchen um und stieg hinter der jüngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid, da erschrack sie und rief ‘was ist das? wer hält mich am Kleid?’ ‘Sei nicht so einfältig,’ sagte die älteste, ‘du bist an einem Haken hängen geblieben.’ Da giengen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderprächtigen Baumgang, da waren alle Blätter von Silber, und schimmerten und glänzten. Der Soldat dachte ‘du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen,’ und brach einen Zweig davon ab: da fuhr ein gewaltiger Krach aus dem Baume. Die jüngste rief wieder ‘es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehört?’ Die älteste aber sprach ‘das sind Freudenschüsse, weil wir unsere Prinzen bald erlöst haben.’ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blätter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren: von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal krachte, daß die jüngste vor Schrecken zusammenfuhr: aber die älteste blieb dabei, es wären Freudenschüsse. Sie giengen weiter und kamen zu einem großen Wasser, darauf standen zwölf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schöner Prinz, die hatten auf die zwölfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der jüngsten ein. Da sprach der Prinz ‘ich weiß nicht das Schiff ist heute viel schwerer und ich muß aus allen Kräften rudern, wenn ich es fortbringen soll.’ ‘Wovon sollte das kommen,’ sprach die jüngste, ‘als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.’ Jenseits des Wassers aber stand ein schönes hellerleuchtetes
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/238>, abgerufen am 16.02.2025. |