Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.Jahr gieng es noch leidlich, aber in dem zweiten sah er schon aus wie ein Ungeheuer. Das Haar bedeckte ihm fast das ganze Gesicht, sein Bart glich einem Stück grobem Filztuch, seine Finger hatten Krallen, und sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt, daß wenn man Kresse hinein gesät hätte, sie aufgegangen wäre. Wer ihn sah, lief fort, weil er aber aller Orten den Armen Geld gab, damit sie für ihn beteten daß er in den sieben Jahren nicht stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer noch Herberge. Jm vierten Jahr kam er in ein Wirthshaus, da wollte ihn der Wirth nicht aufnehmen und wollte ihm nicht einmal einen Platz im Stall anweisen, weil er fürchtete seine Pferde würden scheu werden. Doch als der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Hand voll Ducaten herausholte, so ließ der Wirth sich erweichen, und gab ihm eine Stube im Hintergebäude; doch mußte er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus nicht in bösen Ruf käme. Als der Bärenhäuter Abends allein saß und von Herzen wünschte daß die sieben Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes Jammern. Er hatte ein mitleidiges Herz, öffnete die Thüre und erblickte einen alten Mann, der heftig weinte und die Hände über dem Kopf zusammen schlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann sprang auf und wollte entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, ließ er sich bewegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, daß er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war nach und nach geschwunden, er und seine Töchter mußten darben, und er war so arm, daß er den Wirth nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängniß sollte gesetzt werden. 'Wenn ihr weiter keine Sorgen habt,' sagte der Bärenhäuter, 'Geld habe ich genug.' Er ließ den Wirth herbeikommen, bezahlte ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen Beutel voll Gold in die Tasche. Jahr gieng es noch leidlich, aber in dem zweiten sah er schon aus wie ein Ungeheuer. Das Haar bedeckte ihm fast das ganze Gesicht, sein Bart glich einem Stück grobem Filztuch, seine Finger hatten Krallen, und sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt, daß wenn man Kresse hinein gesät hätte, sie aufgegangen wäre. Wer ihn sah, lief fort, weil er aber aller Orten den Armen Geld gab, damit sie für ihn beteten daß er in den sieben Jahren nicht stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer noch Herberge. Jm vierten Jahr kam er in ein Wirthshaus, da wollte ihn der Wirth nicht aufnehmen und wollte ihm nicht einmal einen Platz im Stall anweisen, weil er fürchtete seine Pferde würden scheu werden. Doch als der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Hand voll Ducaten herausholte, so ließ der Wirth sich erweichen, und gab ihm eine Stube im Hintergebäude; doch mußte er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus nicht in bösen Ruf käme. Als der Bärenhäuter Abends allein saß und von Herzen wünschte daß die sieben Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes Jammern. Er hatte ein mitleidiges Herz, öffnete die Thüre und erblickte einen alten Mann, der heftig weinte und die Hände über dem Kopf zusammen schlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann sprang auf und wollte entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, ließ er sich bewegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, daß er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war nach und nach geschwunden, er und seine Töchter mußten darben, und er war so arm, daß er den Wirth nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängniß sollte gesetzt werden. ‘Wenn ihr weiter keine Sorgen habt,’ sagte der Bärenhäuter, ‘Geld habe ich genug.’ Er ließ den Wirth herbeikommen, bezahlte ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen Beutel voll Gold in die Tasche. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="83"/> Jahr gieng es noch leidlich, aber in dem zweiten sah er schon aus wie ein Ungeheuer. Das Haar bedeckte ihm fast das ganze Gesicht, sein Bart glich einem Stück grobem Filztuch, seine Finger hatten Krallen, und sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt, daß wenn man Kresse hinein gesät hätte, sie aufgegangen wäre. Wer ihn sah, lief fort, weil er aber aller Orten den Armen Geld gab, damit sie für ihn beteten daß er in den sieben Jahren nicht stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer noch Herberge. Jm vierten Jahr kam er in ein Wirthshaus, da wollte ihn der Wirth nicht aufnehmen und wollte ihm nicht einmal einen Platz im Stall anweisen, weil er fürchtete seine Pferde würden scheu werden. Doch als der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Hand voll Ducaten herausholte, so ließ der Wirth sich erweichen, und gab ihm eine Stube im Hintergebäude; doch mußte er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus nicht in bösen Ruf käme.</p><lb/> <p>Als der Bärenhäuter Abends allein saß und von Herzen wünschte daß die sieben Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes Jammern. Er hatte ein mitleidiges Herz, öffnete die Thüre und erblickte einen alten Mann, der heftig weinte und die Hände über dem Kopf zusammen schlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann sprang auf und wollte entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, ließ er sich bewegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, daß er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war nach und nach geschwunden, er und seine Töchter mußten darben, und er war so arm, daß er den Wirth nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängniß sollte gesetzt werden. ‘Wenn ihr weiter keine Sorgen habt,’ sagte der Bärenhäuter, ‘Geld habe ich genug.’ Er ließ den Wirth herbeikommen, bezahlte ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen Beutel voll Gold in die Tasche.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [83/0095]
Jahr gieng es noch leidlich, aber in dem zweiten sah er schon aus wie ein Ungeheuer. Das Haar bedeckte ihm fast das ganze Gesicht, sein Bart glich einem Stück grobem Filztuch, seine Finger hatten Krallen, und sein Gesicht war so mit Schmutz bedeckt, daß wenn man Kresse hinein gesät hätte, sie aufgegangen wäre. Wer ihn sah, lief fort, weil er aber aller Orten den Armen Geld gab, damit sie für ihn beteten daß er in den sieben Jahren nicht stürbe, und weil er alles gut bezahlte, so erhielt er doch immer noch Herberge. Jm vierten Jahr kam er in ein Wirthshaus, da wollte ihn der Wirth nicht aufnehmen und wollte ihm nicht einmal einen Platz im Stall anweisen, weil er fürchtete seine Pferde würden scheu werden. Doch als der Bärenhäuter in die Tasche griff und eine Hand voll Ducaten herausholte, so ließ der Wirth sich erweichen, und gab ihm eine Stube im Hintergebäude; doch mußte er versprechen, sich nicht sehen zu lassen, damit sein Haus nicht in bösen Ruf käme.
Als der Bärenhäuter Abends allein saß und von Herzen wünschte daß die sieben Jahre herum wären, so hörte er in einem Nebenzimmer ein lautes Jammern. Er hatte ein mitleidiges Herz, öffnete die Thüre und erblickte einen alten Mann, der heftig weinte und die Hände über dem Kopf zusammen schlug. Der Bärenhäuter trat näher, aber der Mann sprang auf und wollte entfliehen. Endlich, als er eine menschliche Stimme vernahm, ließ er sich bewegen, und durch freundliches Zureden brachte es der Bärenhäuter dahin, daß er ihm die Ursache seines Kummers offenbarte. Sein Vermögen war nach und nach geschwunden, er und seine Töchter mußten darben, und er war so arm, daß er den Wirth nicht einmal bezahlen konnte und ins Gefängniß sollte gesetzt werden. ‘Wenn ihr weiter keine Sorgen habt,’ sagte der Bärenhäuter, ‘Geld habe ich genug.’ Er ließ den Wirth herbeikommen, bezahlte ihn und steckte dem Unglücklichen noch einen Beutel voll Gold in die Tasche.
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