Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.später wurden auch letztere noch dazu eingeführt 185), ohne 2) Der nordische Reim 186) hat die Eigenthümlichkeit, daß es? so ist die Antwort: drei: Naturlaut, Thierlaut, Menschen- laut. Zu dem ersten gehört Windesbrausen, Wasserrinnen, Erdedröhnen, und diese werden genannt vitlaus hliod, welches mir Nyerup (Skand. Lit. selskabs Skrifter 1807. p. 172.) nicht gut durch: ufornuftig Lyd zu übersetzen scheint, da es vielmehr so viel als ungebunden, ungemessen bedentet (wie die Schwe- den einen ungegränzten, ungemessenen Acker witulös iord nen- nen) und mit den altdeutschen Witten vermuthlich zusammen- hängt. (s. oben Anm. 92.) Die weit in alle germanische Spra- chen einschlagende und vielfach modificirte Wurzel dieses Wortes scheint mir allenthalben auf Menschenwitz und Menschenkunst hinzudeuten, so daß ihr entgegensteht, was auch ohne die Men- schen auf der Erde wäre; z. B. das hallende Echo, welches die Scandinaven wiederum bedeutend die Sprache der Zwerge, (Dvergewaal) heißen. -- Der interessante Gegenstand führt zu weit ab, ich wollte hier nur darauf hinzeigen, wie die Verschie- denheit von Lied und Weise schon auf der ursprünglichen der Vocale und Consonanten (weibl. u. männl. Princip) zu beruhen scheint. 185) Dieß ist nicht mißzuverstehen. Ich weiß wohl, daß die Reime längst in der nord. Poesie gebräuchlich waren, ehe unser Mei- stergesang aufkam, allein die alten eddischen Gesänge sind doch sämmtlich in Fornyrdalag oder Syngesproget. 186) Um über die Formen nordischer Poesie klar und leicht zu re-
den, müßten wir vor allem einige bessere Benennungen einfüh- ren. Ich schlage vor, die Alliteration Anreim, und im Ge- ſpaͤter wurden auch letztere noch dazu eingefuͤhrt 185), ohne 2) Der nordiſche Reim 186) hat die Eigenthuͤmlichkeit, daß es? ſo iſt die Antwort: drei: Naturlaut, Thierlaut, Menſchen- laut. Zu dem erſten gehoͤrt Windesbrauſen, Waſſerrinnen, Erdedroͤhnen, und dieſe werden genannt vitlaus hliod, welches mir Nyerup (Skand. Lit. ſelſkabs Skrifter 1807. p. 172.) nicht gut durch: ufornuftig Lyd zu uͤberſetzen ſcheint, da es vielmehr ſo viel als ungebunden, ungemeſſen bedentet (wie die Schwe- den einen ungegraͤnzten, ungemeſſenen Acker witulös iord nen- nen) und mit den altdeutſchen Witten vermuthlich zuſammen- haͤngt. (ſ. oben Anm. 92.) Die weit in alle germaniſche Spra- chen einſchlagende und vielfach modificirte Wurzel dieſes Wortes ſcheint mir allenthalben auf Menſchenwitz und Menſchenkunſt hinzudeuten, ſo daß ihr entgegenſteht, was auch ohne die Men- ſchen auf der Erde waͤre; z. B. das hallende Echo, welches die Scandinaven wiederum bedeutend die Sprache der Zwerge, (Dvergewaal) heißen. — Der intereſſante Gegenſtand fuͤhrt zu weit ab, ich wollte hier nur darauf hinzeigen, wie die Verſchie- denheit von Lied und Weiſe ſchon auf der urſpruͤnglichen der Vocale und Conſonanten (weibl. u. maͤnnl. Princip) zu beruhen ſcheint. 185) Dieß iſt nicht mißzuverſtehen. Ich weiß wohl, daß die Reime laͤngſt in der nord. Poeſie gebraͤuchlich waren, ehe unſer Mei- ſtergeſang aufkam, allein die alten eddiſchen Geſaͤnge ſind doch ſaͤmmtlich in Fornyrdalag oder Syngeſproget. 186) Um uͤber die Formen nordiſcher Poeſie klar und leicht zu re-
den, muͤßten wir vor allem einige beſſere Benennungen einfuͤh- ren. Ich ſchlage vor, die Alliteration Anreim, und im Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0172" n="162"/> ſpaͤter wurden auch letztere noch dazu eingefuͤhrt <note place="foot" n="185)">Dieß iſt nicht mißzuverſtehen. Ich weiß wohl, daß die Reime<lb/> laͤngſt in der nord. Poeſie gebraͤuchlich waren, ehe unſer Mei-<lb/> ſtergeſang aufkam, allein die alten eddiſchen Geſaͤnge ſind doch<lb/> ſaͤmmtlich in Fornyrdalag oder Syngeſproget.</note>, ohne<lb/> daß ſie in das Syſtem der Alliteration eingriffen. In dieſem<lb/> ſelbſt habe ich zwar oben (S. 42.) eine aͤhnliche Trilogie nach-<lb/> gewieſen, wobei indeſſen ſchon der Umſtand einen eharacteriſti-<lb/> ſchen Unterſchied gibt, daß hier eigentlich jede Strophe aus<lb/> zwei gleichen Theilen beſteht, folglich in jeder Haͤlfte das drei-<lb/> fache vorkommt. Mithin zeigt es ſich auch immer ganz noch<lb/> beiſammen, liegt im Einzelnen innerlich, und nicht wie beim<lb/> Meiſtergeſang im Ganzen, wo es das Strophenverhaͤltniß<lb/> ſelbſt bildet.</p><lb/> <p>2) Der nordiſche Reim <note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="186)">Um uͤber die Formen nordiſcher Poeſie klar und leicht zu re-<lb/> den, muͤßten wir vor allem einige beſſere Benennungen einfuͤh-<lb/> ren. Ich ſchlage vor, die Alliteration <hi rendition="#g">Anreim</hi>, und im Ge-</note> hat die Eigenthuͤmlichkeit, daß<lb/> er die Vocale fuͤr gleichbedeutend nimmt und nur Einklang<lb/><note xml:id="seg2pn_17_2" prev="#seg2pn_17_1" place="foot" n="184)">es? ſo iſt die Antwort: drei: Naturlaut, Thierlaut, Menſchen-<lb/> laut. Zu dem erſten gehoͤrt Windesbrauſen, Waſſerrinnen,<lb/> Erdedroͤhnen, und dieſe werden genannt <hi rendition="#aq">vitlaus hliod,</hi> welches<lb/> mir Nyerup (Skand. Lit. ſelſkabs Skrifter 1807. <hi rendition="#aq">p.</hi> 172.) nicht<lb/> gut durch: ufornuftig Lyd zu uͤberſetzen ſcheint, da es vielmehr<lb/> ſo viel als ungebunden, ungemeſſen bedentet (wie die Schwe-<lb/> den einen ungegraͤnzten, ungemeſſenen Acker <hi rendition="#aq">witulös iord</hi> nen-<lb/> nen) und mit den altdeutſchen Witten vermuthlich zuſammen-<lb/> haͤngt. (ſ. oben Anm. 92.) Die weit in alle germaniſche Spra-<lb/> chen einſchlagende und vielfach modificirte Wurzel dieſes Wortes<lb/> ſcheint mir allenthalben auf Menſchenwitz und Menſchenkunſt<lb/> hinzudeuten, ſo daß ihr entgegenſteht, was auch ohne die Men-<lb/> ſchen auf der Erde waͤre; z. B. das hallende Echo, welches die<lb/> Scandinaven wiederum bedeutend die Sprache der Zwerge,<lb/> (<hi rendition="#aq">Dvergewaal</hi>) heißen. — Der intereſſante Gegenſtand fuͤhrt zu<lb/> weit ab, ich wollte hier nur darauf hinzeigen, wie die Verſchie-<lb/> denheit von Lied und Weiſe ſchon auf der urſpruͤnglichen der Vocale<lb/> und Conſonanten (weibl. u. maͤnnl. Princip) zu beruhen ſcheint.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0172]
ſpaͤter wurden auch letztere noch dazu eingefuͤhrt 185), ohne
daß ſie in das Syſtem der Alliteration eingriffen. In dieſem
ſelbſt habe ich zwar oben (S. 42.) eine aͤhnliche Trilogie nach-
gewieſen, wobei indeſſen ſchon der Umſtand einen eharacteriſti-
ſchen Unterſchied gibt, daß hier eigentlich jede Strophe aus
zwei gleichen Theilen beſteht, folglich in jeder Haͤlfte das drei-
fache vorkommt. Mithin zeigt es ſich auch immer ganz noch
beiſammen, liegt im Einzelnen innerlich, und nicht wie beim
Meiſtergeſang im Ganzen, wo es das Strophenverhaͤltniß
ſelbſt bildet.
2) Der nordiſche Reim 186) hat die Eigenthuͤmlichkeit, daß
er die Vocale fuͤr gleichbedeutend nimmt und nur Einklang
184)
185) Dieß iſt nicht mißzuverſtehen. Ich weiß wohl, daß die Reime
laͤngſt in der nord. Poeſie gebraͤuchlich waren, ehe unſer Mei-
ſtergeſang aufkam, allein die alten eddiſchen Geſaͤnge ſind doch
ſaͤmmtlich in Fornyrdalag oder Syngeſproget.
186) Um uͤber die Formen nordiſcher Poeſie klar und leicht zu re-
den, muͤßten wir vor allem einige beſſere Benennungen einfuͤh-
ren. Ich ſchlage vor, die Alliteration Anreim, und im Ge-
184) es? ſo iſt die Antwort: drei: Naturlaut, Thierlaut, Menſchen-
laut. Zu dem erſten gehoͤrt Windesbrauſen, Waſſerrinnen,
Erdedroͤhnen, und dieſe werden genannt vitlaus hliod, welches
mir Nyerup (Skand. Lit. ſelſkabs Skrifter 1807. p. 172.) nicht
gut durch: ufornuftig Lyd zu uͤberſetzen ſcheint, da es vielmehr
ſo viel als ungebunden, ungemeſſen bedentet (wie die Schwe-
den einen ungegraͤnzten, ungemeſſenen Acker witulös iord nen-
nen) und mit den altdeutſchen Witten vermuthlich zuſammen-
haͤngt. (ſ. oben Anm. 92.) Die weit in alle germaniſche Spra-
chen einſchlagende und vielfach modificirte Wurzel dieſes Wortes
ſcheint mir allenthalben auf Menſchenwitz und Menſchenkunſt
hinzudeuten, ſo daß ihr entgegenſteht, was auch ohne die Men-
ſchen auf der Erde waͤre; z. B. das hallende Echo, welches die
Scandinaven wiederum bedeutend die Sprache der Zwerge,
(Dvergewaal) heißen. — Der intereſſante Gegenſtand fuͤhrt zu
weit ab, ich wollte hier nur darauf hinzeigen, wie die Verſchie-
denheit von Lied und Weiſe ſchon auf der urſpruͤnglichen der Vocale
und Conſonanten (weibl. u. maͤnnl. Princip) zu beruhen ſcheint.
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