Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.Meister nicht so, daß sie nicht mehr hätten damit dienen In den Gesellschaften herrschen eigentlich zwei Ele- Meiſter nicht ſo, daß ſie nicht mehr haͤtten damit dienen In den Geſellſchaften herrſchen eigentlich zwei Ele- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="preface" n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="9"/> Meiſter nicht ſo, daß ſie nicht mehr haͤtten damit dienen<lb/> wollen; ihr ganzer Sinn ſtand zu den Hoͤfen, wo ſie an<lb/> einigen ſolche Beguͤnſtigung erfuhren, als ſie hernach<lb/> nur etwa in Italien vorkommt, denn deutſcher Adel,<lb/> Fuͤrſten und Koͤnige nahmen an der Lieblichkeit des Min-<lb/> negeſanges lange Zeit ihren eigenen Theil. Als aber die<lb/> ewige Wiederkehr in die dageweſenen Toͤne die Beſchuͤtzer<lb/> muͤde machte, ſo ſangen faſt bloß arme Dichter, klagend<lb/> uͤber die abnehmenden Gaben. Da wandten ſie ſich vom<lb/> Lieben aufs Loben, von Minne auf Ehrenlieder, ohne je<lb/> damit rechte Wurzel zu faſſen, bis ſie zuletzt die Hoͤfe<lb/> ſeyn ließen und ihre zu lieb gewonnene Kunſt in den<lb/> Staͤdten anſetzten. In der geſellſchaftlichen, urſpruͤnglich<lb/> von den Volksdichtern mitgebrachten Verbindung und in<lb/> der ſich immer mehr dehnenden Reimkunſt habe ich den<lb/> Samen nicht verkannt, woraus ſich die lange Dauer<lb/> und das unergoͤtzliche Alter des Meiſtergeſangs entfal-<lb/> tete. Nichts deſto weniger, und bei mancher Verwor-<lb/> renheit, iſt der ſpaͤtere Meiſtergeſang nicht ohne das<lb/> geweſen, was man in den Geſellſchaften das gute deut-<lb/> ſche Princip nennen moͤchte; hieruͤber wuͤnſche ich nicht<lb/> mißverſtanden zu werden.</p><lb/> <p>In den Geſellſchaften herrſchen eigentlich zwei Ele-<lb/> mente. Das gute iſt ein inneres, die Liebe, welche bin-<lb/> det und haͤlt. Das andere ein aͤußeres und boͤſes, wenn<lb/> der Eingang ohne Weihung iſt und ſich die Zeichen zu<lb/> ſehr erheben. So wie der Staat einzig und allein in<lb/> dem Worte: Vaterland, verſtanden wird, und ohne die<lb/> Einheit der bis zum Tod bereiten Herzen alles Recht und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0019]
Meiſter nicht ſo, daß ſie nicht mehr haͤtten damit dienen
wollen; ihr ganzer Sinn ſtand zu den Hoͤfen, wo ſie an
einigen ſolche Beguͤnſtigung erfuhren, als ſie hernach
nur etwa in Italien vorkommt, denn deutſcher Adel,
Fuͤrſten und Koͤnige nahmen an der Lieblichkeit des Min-
negeſanges lange Zeit ihren eigenen Theil. Als aber die
ewige Wiederkehr in die dageweſenen Toͤne die Beſchuͤtzer
muͤde machte, ſo ſangen faſt bloß arme Dichter, klagend
uͤber die abnehmenden Gaben. Da wandten ſie ſich vom
Lieben aufs Loben, von Minne auf Ehrenlieder, ohne je
damit rechte Wurzel zu faſſen, bis ſie zuletzt die Hoͤfe
ſeyn ließen und ihre zu lieb gewonnene Kunſt in den
Staͤdten anſetzten. In der geſellſchaftlichen, urſpruͤnglich
von den Volksdichtern mitgebrachten Verbindung und in
der ſich immer mehr dehnenden Reimkunſt habe ich den
Samen nicht verkannt, woraus ſich die lange Dauer
und das unergoͤtzliche Alter des Meiſtergeſangs entfal-
tete. Nichts deſto weniger, und bei mancher Verwor-
renheit, iſt der ſpaͤtere Meiſtergeſang nicht ohne das
geweſen, was man in den Geſellſchaften das gute deut-
ſche Princip nennen moͤchte; hieruͤber wuͤnſche ich nicht
mißverſtanden zu werden.
In den Geſellſchaften herrſchen eigentlich zwei Ele-
mente. Das gute iſt ein inneres, die Liebe, welche bin-
det und haͤlt. Das andere ein aͤußeres und boͤſes, wenn
der Eingang ohne Weihung iſt und ſich die Zeichen zu
ſehr erheben. So wie der Staat einzig und allein in
dem Worte: Vaterland, verſtanden wird, und ohne die
Einheit der bis zum Tod bereiten Herzen alles Recht und
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