Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.an seiner Zierde und Pracht ein reines Wohlgefallen trug. Diese drei Momente setzen mir die Entstehung des Mei- An eine Stiftungsurkunde des Meistergesangs ist kein Ge- an ſeiner Zierde und Pracht ein reines Wohlgefallen trug. Dieſe drei Momente ſetzen mir die Entſtehung des Mei- An eine Stiftungsurkunde des Meiſtergeſangs iſt kein Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0040" n="30"/> an ſeiner Zierde und Pracht ein reines Wohlgefallen trug.<lb/> Bei dieſer natuͤrlichen Stimmung fuͤr eine feine und glaͤnzende<lb/> Dichtkunſt braucht die ploͤtzlich aufſtehende Vielheit der Min-<lb/> nelieder gar keine Erklaͤrung und zu einer Zeit, wo geiſtliche<lb/> und weltliche Orden gelten und aufkommen, iſt es an ſich<lb/> zu erwarten, daß man die Poeſie gerade ſo und nicht anders<lb/> als ſo vieles im ganzen Leben genommen.</p><lb/> <p>Dieſe drei Momente ſetzen mir die Entſtehung des Mei-<lb/> ſtergeſanges und es iſt ſchwer zu beſtimmen, wie das letztere<lb/> allgemeine auf die beiden erſteren eingewirkt und auch durch<lb/> ſie verſtaͤrkt worden, oder wie ſie beide in einander gegriffen<lb/> haben. Die Epoche aber faͤllt in keine andere als Veldecks<lb/> Lebenszeit, und hieruͤber iſt Gottfrieds beruͤhmte Stelle ganz<lb/> und gar entſcheidend. Indem er ſich ausdruͤcklich auf das<lb/> Zeugniß anderer Meiſter bezieht, verſichert er beſtimmt: 〟daß<lb/> Veldeck das erſte Reis in deutſcher Zunge geimpft, von dem<lb/> nachher alle Blumen gekommen.〟 Die aͤlteren Gedichte, die<lb/> erzaͤhlenden langen und die kleineren konnten dem Gottfried<lb/> gewiß nicht unbekannt geblieben ſeyn, allein er dachte nicht an<lb/> ſie, als die ganz außer dem Kreiſe der neu geſchaffenen bluͤ-<lb/> henden Kunſt lagen. Fruͤhere Meiſterſaͤnger haben alſo vor<lb/> Veldeck nicht gelebt, damals ſtand der neue Geſang auf und<lb/> gleich in bedeutender Menge da, indem ihm ſeine Lieblichkeit<lb/> eine allgemeine Theilnahme und Nachahmung erweckten.</p><lb/> <p>An eine Stiftungsurkunde des Meiſtergeſangs iſt kein Ge-<lb/> danke, (denn bloß ihr Andenken wuͤrde der Nachzeit feſter an-<lb/> gehangen haben) gleich Anfangs die Regel auszuſprechen kam<lb/> niemanden bei, was ſich ſelbſt guͤltig machte, blieb und galt<lb/> fort. Aber Regel und Meiſter gab es mit dem Anfang des<lb/> dreizehnten Jahrhunderts ſchon genug und dafuͤr haben wir<lb/> gluͤcklicherweiſe mittelbare Documente uͤbrig. Die Verherrli-<lb/> chung der Gegenwart ſchien viel reitzender, als der todten Hel-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0040]
an ſeiner Zierde und Pracht ein reines Wohlgefallen trug.
Bei dieſer natuͤrlichen Stimmung fuͤr eine feine und glaͤnzende
Dichtkunſt braucht die ploͤtzlich aufſtehende Vielheit der Min-
nelieder gar keine Erklaͤrung und zu einer Zeit, wo geiſtliche
und weltliche Orden gelten und aufkommen, iſt es an ſich
zu erwarten, daß man die Poeſie gerade ſo und nicht anders
als ſo vieles im ganzen Leben genommen.
Dieſe drei Momente ſetzen mir die Entſtehung des Mei-
ſtergeſanges und es iſt ſchwer zu beſtimmen, wie das letztere
allgemeine auf die beiden erſteren eingewirkt und auch durch
ſie verſtaͤrkt worden, oder wie ſie beide in einander gegriffen
haben. Die Epoche aber faͤllt in keine andere als Veldecks
Lebenszeit, und hieruͤber iſt Gottfrieds beruͤhmte Stelle ganz
und gar entſcheidend. Indem er ſich ausdruͤcklich auf das
Zeugniß anderer Meiſter bezieht, verſichert er beſtimmt: 〟daß
Veldeck das erſte Reis in deutſcher Zunge geimpft, von dem
nachher alle Blumen gekommen.〟 Die aͤlteren Gedichte, die
erzaͤhlenden langen und die kleineren konnten dem Gottfried
gewiß nicht unbekannt geblieben ſeyn, allein er dachte nicht an
ſie, als die ganz außer dem Kreiſe der neu geſchaffenen bluͤ-
henden Kunſt lagen. Fruͤhere Meiſterſaͤnger haben alſo vor
Veldeck nicht gelebt, damals ſtand der neue Geſang auf und
gleich in bedeutender Menge da, indem ihm ſeine Lieblichkeit
eine allgemeine Theilnahme und Nachahmung erweckten.
An eine Stiftungsurkunde des Meiſtergeſangs iſt kein Ge-
danke, (denn bloß ihr Andenken wuͤrde der Nachzeit feſter an-
gehangen haben) gleich Anfangs die Regel auszuſprechen kam
niemanden bei, was ſich ſelbſt guͤltig machte, blieb und galt
fort. Aber Regel und Meiſter gab es mit dem Anfang des
dreizehnten Jahrhunderts ſchon genug und dafuͤr haben wir
gluͤcklicherweiſe mittelbare Documente uͤbrig. Die Verherrli-
chung der Gegenwart ſchien viel reitzender, als der todten Hel-
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