Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.wiederhohlt oder bloß in zwei gleiche Theile zerlegt hatte, in Ist noch eine andere Anwendung hier erlaubt, so offen- Nirgends nun tritt unser trilogisches Princip klärer auf, wiederhohlt oder bloß in zwei gleiche Theile zerlegt hatte, in Iſt noch eine andere Anwendung hier erlaubt, ſo offen- Nirgends nun tritt unſer trilogiſches Princip klaͤrer auf, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="42"/> wiederhohlt oder bloß in zwei gleiche Theile zerlegt hatte, in<lb/> einer andern Melodie abgeſungen. In manchen Faͤllen wird<lb/> auch der Refrain fuͤr einen dritten Theil gegolten haben. Hier-<lb/> aus erklaͤrt ſich nun das Neigen der letzten Zeile in Volkslie-<lb/> dern zu einer groͤßeren Laͤnge, weil die eigenthuͤmliche Natur<lb/> der zweiten Haͤlfte des Ganzen (nach meiner Anſicht des dritten<lb/> Theils) dieſe ſcheinbare Ungleichheit moͤglich und ganz natuͤr-<lb/> lich macht.</p><lb/> <p>Iſt noch eine andere Anwendung hier erlaubt, ſo offen-<lb/> bart ſich in der nordiſchen Alliterationspoeſie ein analoges Sy-<lb/> ſtem; denn in den vier- (oder acht-) zeiligen Strophen ſtehen<lb/> zwei Reimbuchſtaben meiſtentheils in der erſten Zeile, der<lb/> dritte aber erfuͤllt die zweite ganz allein; in den ſechszeiligen<lb/> hingegen hat die erſte und die zweite Zeile jede nur einen ſol-<lb/> chen Reim, die dritte aber deren zwei eigene. Die Aehnlich-<lb/> keit, die ferner im Verhaͤltniß der griechiſchen Strophe und<lb/> Gegenſtrophe liegt, wird niemand verkennen, ob ſie gleich ſchief<lb/> ausgelegt werden koͤnnte.</p><lb/> <p>Nirgends nun tritt unſer trilogiſches Princip klaͤrer auf,<lb/> als in dem altdeutſchen Meiſtergeſang, in deſſen ſpaͤteren Pro-<lb/> ductionen es auch von jeher anerkannt und hervorgehoben wor-<lb/> den iſt, eben weil es in der ſpaͤteren Sitte <hi rendition="#g">aͤußerlich</hi> (ich<lb/> meine, in den Handſchriften) ausgezeichnet wurde. Auf der<lb/> andern Seite hat dieſer letzte Umſtand eine falſche, (wie in<lb/> ſich ungenuͤgende ſo hoͤchſt uncritiſche) directe Herleitung aus<lb/> dem Griechiſchen veranlaßt. Meine Abſicht geht jetzt dahin,<lb/> dieſe Trilogie auch in dem Bau der fruͤheren Meiſterlieder,<lb/> alſo der Minneſaͤnge nachzuweiſen. Sehr merkwuͤrdig bleibt<lb/> es, wenn gezeigt werden kann, was ich hiermit behaupte, daß<lb/> unter den Liederweiſen der maneßiſchen Sammlung (als fuͤr<lb/> uns wenigſtens des Inbegriffs und Vorraths aller Minnepoeſie)<lb/> vielleicht nur funfzig nicht recht unter die aufgeſtellte Regel<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0052]
wiederhohlt oder bloß in zwei gleiche Theile zerlegt hatte, in
einer andern Melodie abgeſungen. In manchen Faͤllen wird
auch der Refrain fuͤr einen dritten Theil gegolten haben. Hier-
aus erklaͤrt ſich nun das Neigen der letzten Zeile in Volkslie-
dern zu einer groͤßeren Laͤnge, weil die eigenthuͤmliche Natur
der zweiten Haͤlfte des Ganzen (nach meiner Anſicht des dritten
Theils) dieſe ſcheinbare Ungleichheit moͤglich und ganz natuͤr-
lich macht.
Iſt noch eine andere Anwendung hier erlaubt, ſo offen-
bart ſich in der nordiſchen Alliterationspoeſie ein analoges Sy-
ſtem; denn in den vier- (oder acht-) zeiligen Strophen ſtehen
zwei Reimbuchſtaben meiſtentheils in der erſten Zeile, der
dritte aber erfuͤllt die zweite ganz allein; in den ſechszeiligen
hingegen hat die erſte und die zweite Zeile jede nur einen ſol-
chen Reim, die dritte aber deren zwei eigene. Die Aehnlich-
keit, die ferner im Verhaͤltniß der griechiſchen Strophe und
Gegenſtrophe liegt, wird niemand verkennen, ob ſie gleich ſchief
ausgelegt werden koͤnnte.
Nirgends nun tritt unſer trilogiſches Princip klaͤrer auf,
als in dem altdeutſchen Meiſtergeſang, in deſſen ſpaͤteren Pro-
ductionen es auch von jeher anerkannt und hervorgehoben wor-
den iſt, eben weil es in der ſpaͤteren Sitte aͤußerlich (ich
meine, in den Handſchriften) ausgezeichnet wurde. Auf der
andern Seite hat dieſer letzte Umſtand eine falſche, (wie in
ſich ungenuͤgende ſo hoͤchſt uncritiſche) directe Herleitung aus
dem Griechiſchen veranlaßt. Meine Abſicht geht jetzt dahin,
dieſe Trilogie auch in dem Bau der fruͤheren Meiſterlieder,
alſo der Minneſaͤnge nachzuweiſen. Sehr merkwuͤrdig bleibt
es, wenn gezeigt werden kann, was ich hiermit behaupte, daß
unter den Liederweiſen der maneßiſchen Sammlung (als fuͤr
uns wenigſtens des Inbegriffs und Vorraths aller Minnepoeſie)
vielleicht nur funfzig nicht recht unter die aufgeſtellte Regel
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