Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.Wolfram zu dem Grund seiner späteren Arbeit gelegt, so weit Der alte Titurel hat vierzeilige Strophen, wie ich sie Form an die hexametrische erinnern. Dieß könnte weiter ver- folgt werden, und dazu dienen die Natur des volksmäßigen Hexameters dem spätern künstlichen und bewußten entgegen zu stellen. 42) Hätten wir das Lied von Morolf und Salome in älterer
Gestalt, so fände sich hier vielleicht große Uebereinstimmung im Bau der Strophen. Man vergleiche folgende Strophe, die in den Versen 2014 -- 19 der Hagenschen Ausg. liegt; schon so ist die Aehnlichkeit bedeutend: Die kele worden bereit an den staden Cfr. 2187 -- 90. 2191 -- 96 u. s. w. Wolfram zu dem Grund ſeiner ſpaͤteren Arbeit gelegt, ſo weit Der alte Titurel hat vierzeilige Strophen, wie ich ſie Form an die hexametriſche erinnern. Dieß koͤnnte weiter ver- folgt werden, und dazu dienen die Natur des volksmaͤßigen Hexameters dem ſpaͤtern kuͤnſtlichen und bewußten entgegen zu ſtellen. 42) Haͤtten wir das Lied von Morolf und Salome in aͤlterer
Geſtalt, ſo faͤnde ſich hier vielleicht große Uebereinſtimmung im Bau der Strophen. Man vergleiche folgende Strophe, die in den Verſen 2014 — 19 der Hagenſchen Ausg. liegt; ſchon ſo iſt die Aehnlichkeit bedeutend: Die kele worden bereit an den ſtaden Cfr. 2187 — 90. 2191 — 96 u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0070" n="60"/> Wolfram zu dem Grund ſeiner ſpaͤteren Arbeit gelegt, ſo weit<lb/> es ihm nur vergoͤnnt geweſen, faſt alle Worte laſſen ſich nach-<lb/> weiſen. Und was uns hier beſonders intereſſirt, die neue Form<lb/> hat ſich aus der alten entwickelt und iſt durch ſie lediglich be-<lb/> ſtimmt worden.</p><lb/> <p>Der alte Titurel hat vierzeilige Strophen, wie ich ſie<lb/> außer ihm noch nirgends in altdeutſcher Poeſie angetroffen <note place="foot" n="42)">Haͤtten wir das Lied von <hi rendition="#g">Morolf</hi> und <hi rendition="#g">Salome</hi> in aͤlterer<lb/> Geſtalt, ſo faͤnde ſich hier vielleicht große Uebereinſtimmung im<lb/> Bau der Strophen. Man vergleiche folgende Strophe, die in<lb/> den Verſen 2014 — 19 der Hagenſchen Ausg. liegt; ſchon ſo iſt<lb/> die Aehnlichkeit bedeutend:<lb/><cit><quote>Die kele worden bereit an den ſtaden<lb/> Die morolf vnd die reiſe uͤber das waſſer ſoltent tragen<lb/> Darinne gingen die hilde lobeſam<lb/> Da furt er zehen duſent uber des wilden meres ſtran.</quote><lb/><bibl><hi rendition="#aq">Cfr.</hi> 2187 — 90. 2191 — 96 u. ſ. w.</bibl></cit></note>,<lb/> es iſt in ihnen ein einfacher Geiſt, wie in den Volksliedern,<lb/> und keine genaue Silbenhaltung. Doch laͤßt ſich ungefaͤhr feſt-<lb/> ſetzen, daß die zweite Zeile um einige Silben laͤnger als die<lb/> erſte, die dritte um einlge kuͤrzer als die erſte, und die vierte,<lb/> wo nicht der zweiten gleich, meiſtens noch um einige laͤnger iſt,<lb/> als die zweite. Wir haben alſo hier wieder das Laͤngern der<lb/> Schlußzeile des Ganzen, wie in den Nibelungen, von deren<lb/> Bau uͤbrigens eine ſichtliche Verſchiedenheit. Namentlich<lb/> in der characteriſtiſchen Kuͤrze der dritten Zeile, welche in den<lb/> Nibelungen ohne Beiſpiel, wohl aber habe ich vorhin einige<lb/> alte Minnelieder angegeben, welche gleichfalls die dritte Zeile<lb/> verkuͤrzen. Und ſelbſt von dieſen weicht der alte Titurel wie-<lb/> der durch die merkwuͤrdige Verlaͤngerung der zweiten Zeile ab.<lb/> Ich zweifele faſt nicht, daß die Muſik der erſten Zeile in der<lb/><note xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="41 a)">Form an die hexametriſche erinnern. Dieß koͤnnte weiter ver-<lb/> folgt werden, und dazu dienen die Natur des volksmaͤßigen<lb/> Hexameters dem ſpaͤtern kuͤnſtlichen und bewußten entgegen zu<lb/> ſtellen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Wolfram zu dem Grund ſeiner ſpaͤteren Arbeit gelegt, ſo weit
es ihm nur vergoͤnnt geweſen, faſt alle Worte laſſen ſich nach-
weiſen. Und was uns hier beſonders intereſſirt, die neue Form
hat ſich aus der alten entwickelt und iſt durch ſie lediglich be-
ſtimmt worden.
Der alte Titurel hat vierzeilige Strophen, wie ich ſie
außer ihm noch nirgends in altdeutſcher Poeſie angetroffen 42),
es iſt in ihnen ein einfacher Geiſt, wie in den Volksliedern,
und keine genaue Silbenhaltung. Doch laͤßt ſich ungefaͤhr feſt-
ſetzen, daß die zweite Zeile um einige Silben laͤnger als die
erſte, die dritte um einlge kuͤrzer als die erſte, und die vierte,
wo nicht der zweiten gleich, meiſtens noch um einige laͤnger iſt,
als die zweite. Wir haben alſo hier wieder das Laͤngern der
Schlußzeile des Ganzen, wie in den Nibelungen, von deren
Bau uͤbrigens eine ſichtliche Verſchiedenheit. Namentlich
in der characteriſtiſchen Kuͤrze der dritten Zeile, welche in den
Nibelungen ohne Beiſpiel, wohl aber habe ich vorhin einige
alte Minnelieder angegeben, welche gleichfalls die dritte Zeile
verkuͤrzen. Und ſelbſt von dieſen weicht der alte Titurel wie-
der durch die merkwuͤrdige Verlaͤngerung der zweiten Zeile ab.
Ich zweifele faſt nicht, daß die Muſik der erſten Zeile in der
41 a)
42) Haͤtten wir das Lied von Morolf und Salome in aͤlterer
Geſtalt, ſo faͤnde ſich hier vielleicht große Uebereinſtimmung im
Bau der Strophen. Man vergleiche folgende Strophe, die in
den Verſen 2014 — 19 der Hagenſchen Ausg. liegt; ſchon ſo iſt
die Aehnlichkeit bedeutend:
Die kele worden bereit an den ſtaden
Die morolf vnd die reiſe uͤber das waſſer ſoltent tragen
Darinne gingen die hilde lobeſam
Da furt er zehen duſent uber des wilden meres ſtran.
Cfr. 2187 — 90. 2191 — 96 u. ſ. w.
41 a) Form an die hexametriſche erinnern. Dieß koͤnnte weiter ver-
folgt werden, und dazu dienen die Natur des volksmaͤßigen
Hexameters dem ſpaͤtern kuͤnſtlichen und bewußten entgegen zu
ſtellen.
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