Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.In einem derselben behauptet der Sänger durchaus, Gottes Daß die poetischen Wettstreite nach und nach aufhören, 67) Allenfalls auch zwischen dem Marner und Reinmar von Zwe- ter. Cf. 2. 169. 68) Spuren davon bereits bei Reinm. v. Brennenberg.
In einem derſelben behauptet der Saͤnger durchaus, Gottes Daß die poetiſchen Wettſtreite nach und nach aufhoͤren, 67) Allenfalls auch zwiſchen dem Marner und Reinmar von Zwe- ter. Cf. 2. 169. 68) Spuren davon bereits bei Reinm. v. Brennenberg.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0092" n="82"/> In einem derſelben behauptet der Saͤnger durchaus, Gottes<lb/> Mutter ſey niemals Weib, ſtets Frau geheißen worden, denn<lb/> das erſte Wort bezeichne mehr die irdiſchen, das andere die<lb/> himmliſchen Tugenden. Der ganze Streit mag viel aͤlterer<lb/> Anregung ſeyn, Vogelweide iſt anderer Meinung und ſetzt wip<lb/> uͤber frowe, (1. 116. Col. 2. unten. <hi rendition="#aq">cf.</hi> 1. 119. die fuͤnfte Str.<lb/> des Lieds: ir ſult ꝛc.) uͤberein mit dem Myſner <hi rendition="#aq">DCI.</hi> Solche<lb/> Streite koͤnnen Feindſchaften und bittere Vorwuͤrfe veranlaßt<lb/> haben, wie man auch an einem wirklichen boͤſen Verhaͤltniß<lb/> zwiſchen Wolfram und Klinſor <note place="foot" n="67)">Allenfalls auch zwiſchen dem Marner und Reinmar von Zwe-<lb/> ter. <hi rendition="#aq">Cf.</hi> 2. 169.</note>, Frauenlob und Regenbogen,<lb/> Moͤgelin und Regenbogen, Rumelant und Singof (<hi rendition="#aq">cf. CCLXIV</hi><lb/> mit <hi rendition="#aq">CCCXVI.</hi>) nicht zweifeln darf.</p><lb/> <p>Daß die poetiſchen Wettſtreite nach und nach aufhoͤren,<lb/> erklaͤrt die Geſchichte des Meiſterſangs und kann nichts gegen<lb/> mich beweiſen. Einmal nahm die geringere Gelehrſamkeit der<lb/> ſpaͤteren Meiſter den Gegenſtand weg, dann litt das engere<lb/> buͤrgerliche Leben kein unfreundliches Zuſammentreten mehr.<lb/> Vielleicht waͤhrte das einfachere Aufwerfen oder Vorlegen von<lb/> Fragen und Raͤthſeln (wie es Kelyn (<hi rendition="#aq">XCV.</hi>) thut) etwas laͤn-<lb/> ger. Man hat einen Geſang von Regenbogen, in dem er,<lb/> (gleich wie in aͤlteren erzaͤhlenden Gedichten die chriſtlichen<lb/> Ritter mit den Heiden) mit einem Juden uͤber die Vorzuͤge<lb/> des Chriſtenthums diſputirt. Ungeachtet hier auch der Gries-<lb/> waͤrtel angerufen wird, ſo geht doch Kampf und Entſcheidung<lb/> von <hi rendition="#g">einem</hi> Dichter aus, und darf alſo nicht mit jenen Mei-<lb/> ſterwettſtreiten vermiſcht werden. In dieſem Sinn, ohne alle<lb/> Perſoͤnlichkeit, hat auch Hans Sachs ſeine Kampflieder zwi-<lb/> ſchen Leib und Seele, Tugenden und Laſtern gedichtet; bekannt<lb/> iſt der noch aͤltere Streit zwiſchen der Liebe und Schoͤne <note place="foot" n="68)">Spuren davon bereits bei Reinm. v. Brennenberg.</note>,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
In einem derſelben behauptet der Saͤnger durchaus, Gottes
Mutter ſey niemals Weib, ſtets Frau geheißen worden, denn
das erſte Wort bezeichne mehr die irdiſchen, das andere die
himmliſchen Tugenden. Der ganze Streit mag viel aͤlterer
Anregung ſeyn, Vogelweide iſt anderer Meinung und ſetzt wip
uͤber frowe, (1. 116. Col. 2. unten. cf. 1. 119. die fuͤnfte Str.
des Lieds: ir ſult ꝛc.) uͤberein mit dem Myſner DCI. Solche
Streite koͤnnen Feindſchaften und bittere Vorwuͤrfe veranlaßt
haben, wie man auch an einem wirklichen boͤſen Verhaͤltniß
zwiſchen Wolfram und Klinſor 67), Frauenlob und Regenbogen,
Moͤgelin und Regenbogen, Rumelant und Singof (cf. CCLXIV
mit CCCXVI.) nicht zweifeln darf.
Daß die poetiſchen Wettſtreite nach und nach aufhoͤren,
erklaͤrt die Geſchichte des Meiſterſangs und kann nichts gegen
mich beweiſen. Einmal nahm die geringere Gelehrſamkeit der
ſpaͤteren Meiſter den Gegenſtand weg, dann litt das engere
buͤrgerliche Leben kein unfreundliches Zuſammentreten mehr.
Vielleicht waͤhrte das einfachere Aufwerfen oder Vorlegen von
Fragen und Raͤthſeln (wie es Kelyn (XCV.) thut) etwas laͤn-
ger. Man hat einen Geſang von Regenbogen, in dem er,
(gleich wie in aͤlteren erzaͤhlenden Gedichten die chriſtlichen
Ritter mit den Heiden) mit einem Juden uͤber die Vorzuͤge
des Chriſtenthums diſputirt. Ungeachtet hier auch der Gries-
waͤrtel angerufen wird, ſo geht doch Kampf und Entſcheidung
von einem Dichter aus, und darf alſo nicht mit jenen Mei-
ſterwettſtreiten vermiſcht werden. In dieſem Sinn, ohne alle
Perſoͤnlichkeit, hat auch Hans Sachs ſeine Kampflieder zwi-
ſchen Leib und Seele, Tugenden und Laſtern gedichtet; bekannt
iſt der noch aͤltere Streit zwiſchen der Liebe und Schoͤne 68),
67) Allenfalls auch zwiſchen dem Marner und Reinmar von Zwe-
ter. Cf. 2. 169.
68) Spuren davon bereits bei Reinm. v. Brennenberg.
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