Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

senckten sie uns widerumb biß auff den Abgrund
hinunder/ welches bey einer halben Stund wärete
und uns trefflich andächtig betten lernet/ endlich
warffen sie uns auff eine verborgene Stein Klippe
mit solcher stärcke/ daß das Schiff mit grausamen
Krachen zustücken zerbrach/ warvon sich ein jäm-
merlichs und ellendes Geschrey erhub/ da wurde die-
selbe Gegent gleichsamb in einem Augenblick mit
Kisten Ballen und Trümmern vom Schiff über-
streut; da sahe und hörete man hie und dort oben
auff den Wellen und unten in der Tieffe die unglück-
seelige Leut an den jenigen Sachen hangen/ die ih-
nen in solcher Noth am allerersten in die Hände ge-
rathen waren/ welche mit ellendem Geheul ihren
Untergang bejammerten/ und ihre Seelen GOtt
befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem
grossen Stück vom Schiff/ welches etliche Zwerch-
Höltzer behalten hatte/ daran wir sich fest hielten
und einander zusprachen; mithin legten sich die
grausame Wind allgemach/ davon die wüttende Wel-
len deß zornigen Meers sich nach und nach besanff-
tigten und geringer wurden; hingegen aber solgte
die stickfinstere Nacht mit einem schröcklichen Platz-
Regen/ daß es das Ansehen hatte/ als hätten wir
mitten im Meer von oben herab ersaufft werden sol-
len; das währete biß umb Mitternacht/ in welcher
Zeit wir grosse Noth erlitten hatten; darauff wurde
der Himmel wider klar/ also daß wir das Gestirn
sehen kodten/ an welchem wir vermerckten/ daß uns
der Wind je länger je mehr von der seiten Africae in
das weite Meer gegen Terram Australem incogni-
tam
hinein triebe/ welches uns beyde sehr bestürtzt
machte/ gegen Tag wurde es abermal so dunckel/

daß

ſenckten ſie uns widerumb biß auff den Abgrund
hinunder/ welches bey einer halben Stund waͤrete
und uns trefflich andaͤchtig betten lernet/ endlich
warffen ſie uns auff eine verborgene Stein Klippe
mit ſolcher ſtaͤrcke/ daß das Schiff mit grauſamen
Krachen zuſtuͤcken zerbrach/ warvon ſich ein jaͤm-
merlichs und ellendes Geſchrey erhub/ da wurde die-
ſelbe Gegent gleichſamb in einem Augenblick mit
Kiſten Ballen und Truͤmmern vom Schiff uͤber-
ſtreut; da ſahe und hoͤrete man hie und dort oben
auff den Wellen und unten in der Tieffe die ungluͤck-
ſeelige Leut an den jenigen Sachen hangen/ die ih-
nen in ſolcher Noth am allererſten in die Haͤnde ge-
rathen waren/ welche mit ellendem Geheul ihren
Untergang bejammerten/ und ihre Seelen GOtt
befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem
groſſen Stuͤck vom Schiff/ welches etliche Zwerch-
Hoͤltzer behalten hatte/ daran wir ſich feſt hielten
und einander zuſprachen; mithin legten ſich die
grauſame Wind allgemach/ davon die wuͤttende Wel-
len deß zornigen Meers ſich nach und nach beſanff-
tigten und geringer wurden; hingegen aber ſolgte
die ſtickfinſtere Nacht mit einem ſchroͤcklichen Platz-
Regen/ daß es das Anſehen hatte/ als haͤtten wir
mitten im Meer von oben herab erſaufft werden ſol-
len; das waͤhrete biß umb Mitternacht/ in welcher
Zeit wir groſſe Noth erlitten hatten; darauff wurde
der Himmel wider klar/ alſo daß wir das Geſtirn
ſehen kodten/ an welchem wir vermerckten/ daß uns
der Wind je laͤnger je mehr von der ſeiten Africæ in
das weite Meer gegen Terram Auſtralem incogni-
tam
hinein triebe/ welches uns beyde ſehr beſtuͤrtzt
machte/ gegen Tag wurde es abermal ſo dunckel/

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0117"/>
&#x017F;enckten &#x017F;ie uns widerumb biß auff den Abgrund<lb/>
hinunder/ welches bey einer halben Stund wa&#x0364;rete<lb/>
und uns trefflich anda&#x0364;chtig betten lernet/ endlich<lb/>
warffen &#x017F;ie uns auff eine verborgene Stein Klippe<lb/>
mit &#x017F;olcher &#x017F;ta&#x0364;rcke/ daß das Schiff mit grau&#x017F;amen<lb/>
Krachen zu&#x017F;tu&#x0364;cken zerbrach/ warvon &#x017F;ich ein ja&#x0364;m-<lb/>
merlichs und ellendes Ge&#x017F;chrey erhub/ da wurde die-<lb/>
&#x017F;elbe Gegent gleich&#x017F;amb in einem Augenblick mit<lb/>
Ki&#x017F;ten Ballen und Tru&#x0364;mmern vom Schiff u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;treut; da &#x017F;ahe und ho&#x0364;rete man hie und dort oben<lb/>
auff den Wellen und unten in der Tieffe die unglu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eelige Leut an den jenigen Sachen hangen/ die ih-<lb/>
nen in &#x017F;olcher Noth am allerer&#x017F;ten in die Ha&#x0364;nde ge-<lb/>
rathen waren/ welche mit ellendem Geheul ihren<lb/>
Untergang bejammerten/ und ihre Seelen GOtt<lb/>
befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Stu&#x0364;ck vom Schiff/ welches etliche Zwerch-<lb/>
Ho&#x0364;ltzer behalten hatte/ daran wir &#x017F;ich fe&#x017F;t hielten<lb/>
und einander zu&#x017F;prachen; mithin legten &#x017F;ich die<lb/>
grau&#x017F;ame Wind allgemach/ davon die wu&#x0364;ttende Wel-<lb/>
len deß zornigen Meers &#x017F;ich nach und nach be&#x017F;anff-<lb/>
tigten und geringer wurden; hingegen aber &#x017F;olgte<lb/>
die &#x017F;tickfin&#x017F;tere Nacht mit einem &#x017F;chro&#x0364;cklichen Platz-<lb/>
Regen/ daß es das An&#x017F;ehen hatte/ als ha&#x0364;tten wir<lb/>
mitten im Meer von oben herab er&#x017F;aufft werden &#x017F;ol-<lb/>
len; das wa&#x0364;hrete biß umb Mitternacht/ in welcher<lb/>
Zeit wir gro&#x017F;&#x017F;e Noth erlitten hatten; darauff wurde<lb/>
der Himmel wider klar/ al&#x017F;o daß wir das Ge&#x017F;tirn<lb/>
&#x017F;ehen kodten/ an welchem wir vermerckten/ daß uns<lb/>
der Wind je la&#x0364;nger je mehr von der &#x017F;eiten <hi rendition="#aq">Africæ</hi> in<lb/>
das weite Meer gegen <hi rendition="#aq">Terram Au&#x017F;tralem incogni-<lb/>
tam</hi> hinein triebe/ welches uns beyde &#x017F;ehr be&#x017F;tu&#x0364;rtzt<lb/>
machte/ gegen Tag wurde es abermal &#x017F;o dunckel/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] ſenckten ſie uns widerumb biß auff den Abgrund hinunder/ welches bey einer halben Stund waͤrete und uns trefflich andaͤchtig betten lernet/ endlich warffen ſie uns auff eine verborgene Stein Klippe mit ſolcher ſtaͤrcke/ daß das Schiff mit grauſamen Krachen zuſtuͤcken zerbrach/ warvon ſich ein jaͤm- merlichs und ellendes Geſchrey erhub/ da wurde die- ſelbe Gegent gleichſamb in einem Augenblick mit Kiſten Ballen und Truͤmmern vom Schiff uͤber- ſtreut; da ſahe und hoͤrete man hie und dort oben auff den Wellen und unten in der Tieffe die ungluͤck- ſeelige Leut an den jenigen Sachen hangen/ die ih- nen in ſolcher Noth am allererſten in die Haͤnde ge- rathen waren/ welche mit ellendem Geheul ihren Untergang bejammerten/ und ihre Seelen GOtt befohlen; ich und ein Zimmerman lagen auff einem groſſen Stuͤck vom Schiff/ welches etliche Zwerch- Hoͤltzer behalten hatte/ daran wir ſich feſt hielten und einander zuſprachen; mithin legten ſich die grauſame Wind allgemach/ davon die wuͤttende Wel- len deß zornigen Meers ſich nach und nach beſanff- tigten und geringer wurden; hingegen aber ſolgte die ſtickfinſtere Nacht mit einem ſchroͤcklichen Platz- Regen/ daß es das Anſehen hatte/ als haͤtten wir mitten im Meer von oben herab erſaufft werden ſol- len; das waͤhrete biß umb Mitternacht/ in welcher Zeit wir groſſe Noth erlitten hatten; darauff wurde der Himmel wider klar/ alſo daß wir das Geſtirn ſehen kodten/ an welchem wir vermerckten/ daß uns der Wind je laͤnger je mehr von der ſeiten Africæ in das weite Meer gegen Terram Auſtralem incogni- tam hinein triebe/ welches uns beyde ſehr beſtuͤrtzt machte/ gegen Tag wurde es abermal ſo dunckel/ daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/117
Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/117>, abgerufen am 21.11.2024.