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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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daß wir einander nicht sehen kondten wiewol wir
nahe beyeinander lagen; in dieser Finsternus und
erbärmlichen Zustand trieben wir immer fort/ biß
wir ohnversehens innen wurden/ daß wir auff dem
Grund sitzen blieben und stillhielten; der Zimmer-
mann hatte ein Axt in seinem Gürtel stecken/ damit
visitirt er die Tieffe deß Waffers und fande auff der
einen Seiten nicht wol Schuh tieff Wassers/ wel-
ches uns hertzlich erfreute und ohnzweiffeliche Hoff-
nung gabe/ GOtt hätte uns jrgends hin an Land
geholffen/ daß uns auch ein lieblicher Geruch zuver-
stehen gab/ den wir empfanden/ als wir wieder ein
wenig zu uns selbst kamen; weil es aber so finster
und wir beyde gantz abgemattet zumahlen deß Tags
ehistes gewertig waren/ hatten wir nicht das Hertz
sich ins Wasser zulegen und solches Landt zusuchen/
ohnangesehen wir allbereit weit von uns etliche
Vögel singen zuhören vermeinten/ wie es dann
auch nicht anders war; so bald sich aber der liebe
Tag im Osten ein wenig erzeigte/ sahen wir durch
die Düstere ein wenig Land mit Böschen bewachsen
allernechst vor uns liegen/ derowegen begaben wir
sich alsobalden gegen demselbigen ins Wasser/ wel-
ches je länger je seichter wurde/ biß wir endlich mit
grossen Freuden auff das truckene Land kamen; da
fielen wir nieder auff die Knie/ küsten den Erdboden
und dancken Gott im Himmel/ daß er uns so Vätter-
lich erhalten und ans Land gebracht; und solcher ge-
stalt bin ich in diese Jnsul kommen.

Wir kondten noch nicht wissen ob wir auff ei-
nem bewohnten oder unbewohnten: auff einem fe-
sten Land: oder nur auff einer Jnsul waren; Aber
das merckten wir gleich/ daß es ein trefflicher frucht-

barer

daß wir einander nicht ſehen kondten wiewol wir
nahe beyeinander lagen; in dieſer Finſternus und
erbaͤrmlichen Zuſtand trieben wir immer fort/ biß
wir ohnverſehens innen wurden/ daß wir auff dem
Grund ſitzen blieben und ſtillhielten; der Zimmer-
mann hatte ein Axt in ſeinem Guͤrtel ſtecken/ damit
viſitirt er die Tieffe deß Waffers und fande auff der
einen Seiten nicht wol Schuh tieff Waſſers/ wel-
ches uns hertzlich erfreute und ohnzweiffeliche Hoff-
nung gabe/ GOtt haͤtte uns jrgends hin an Land
geholffen/ daß uns auch ein lieblicher Geruch zuver-
ſtehen gab/ den wir empfanden/ als wir wieder ein
wenig zu uns ſelbſt kamen; weil es aber ſo finſter
und wir beyde gantz abgemattet zumahlen deß Tags
ehiſtes gewertig waren/ hatten wir nicht das Hertz
ſich ins Waſſer zulegen und ſolches Landt zuſuchen/
ohnangeſehen wir allbereit weit von uns etliche
Voͤgel ſingen zuhoͤren vermeinten/ wie es dann
auch nicht anders war; ſo bald ſich aber der liebe
Tag im Oſten ein wenig erzeigte/ ſahen wir durch
die Duͤſtere ein wenig Land mit Boͤſchen bewachſen
allernechſt vor uns liegen/ derowegen begaben wir
ſich alſobalden gegen demſelbigen ins Waſſer/ wel-
ches je laͤnger je ſeichter wurde/ biß wir endlich mit
groſſen Freuden auff das truckene Land kamen; da
fielen wir nieder auff die Knie/ kuͤſten den Erdboden
und dancken Gott im Himmel/ daß er uns ſo Vaͤtter-
lich erhalten und ans Land gebracht; und ſolcher ge-
ſtalt bin ich in dieſe Jnſul kommen.

Wir kondten noch nicht wiſſen ob wir auff ei-
nem bewohnten oder unbewohnten: auff einem fe-
ſten Land: oder nur auff einer Jnſul waren; Aber
das merckten wir gleich/ daß es ein trefflicher frucht-

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[0118] daß wir einander nicht ſehen kondten wiewol wir nahe beyeinander lagen; in dieſer Finſternus und erbaͤrmlichen Zuſtand trieben wir immer fort/ biß wir ohnverſehens innen wurden/ daß wir auff dem Grund ſitzen blieben und ſtillhielten; der Zimmer- mann hatte ein Axt in ſeinem Guͤrtel ſtecken/ damit viſitirt er die Tieffe deß Waffers und fande auff der einen Seiten nicht wol Schuh tieff Waſſers/ wel- ches uns hertzlich erfreute und ohnzweiffeliche Hoff- nung gabe/ GOtt haͤtte uns jrgends hin an Land geholffen/ daß uns auch ein lieblicher Geruch zuver- ſtehen gab/ den wir empfanden/ als wir wieder ein wenig zu uns ſelbſt kamen; weil es aber ſo finſter und wir beyde gantz abgemattet zumahlen deß Tags ehiſtes gewertig waren/ hatten wir nicht das Hertz ſich ins Waſſer zulegen und ſolches Landt zuſuchen/ ohnangeſehen wir allbereit weit von uns etliche Voͤgel ſingen zuhoͤren vermeinten/ wie es dann auch nicht anders war; ſo bald ſich aber der liebe Tag im Oſten ein wenig erzeigte/ ſahen wir durch die Duͤſtere ein wenig Land mit Boͤſchen bewachſen allernechſt vor uns liegen/ derowegen begaben wir ſich alſobalden gegen demſelbigen ins Waſſer/ wel- ches je laͤnger je ſeichter wurde/ biß wir endlich mit groſſen Freuden auff das truckene Land kamen; da fielen wir nieder auff die Knie/ kuͤſten den Erdboden und dancken Gott im Himmel/ daß er uns ſo Vaͤtter- lich erhalten und ans Land gebracht; und ſolcher ge- ſtalt bin ich in dieſe Jnſul kommen. Wir kondten noch nicht wiſſen ob wir auff ei- nem bewohnten oder unbewohnten: auff einem fe- ſten Land: oder nur auff einer Jnſul waren; Aber das merckten wir gleich/ daß es ein trefflicher frucht- barer

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/118>, abgerufen am 21.11.2024.