Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

gesotten und hernach verbrandt/ auß dem andern
Abgang spannen die alte Weiber ein grobes Garn/
welches zu Zwilch und Sacktaffel geweben wurde/
der dritte Abgang gab e[i]n zimblich grobes Garn/
welches man Bärdtlen Garn nennet/ und doch vor
Hänffin verkaufft wurde/ auß dem vierten Abgang
wurde zwar ein spiner Garn und Tuch gemacht/ es
mochte mir aber nicht gleichen (geschweige jetzt der
gewaltigen Säuler/ die auß meinen Cammerrathen
den anderen Hanffstengelen (darauß wan Schleiß-
Hanff machte) zugerichtet wurden. Also daß mein
Geschlecht den Menschen trefflich nutz/ ich auch bey
nahe nicht erzehlen kan/ was ein und anders vor Ge-
winn von denselbigen schöpffet) den letzten Abgang
litte ich selbst/ als der Weber ein par Kneul Garn
von mir nach den diebischen Mäusen warffe.

Von obgemeldtem Kauffherren erhandelte
mich eine Edel Frau/ welche das gantze stück Tuch
zerschnitte und ihrem Gesind zum neuen Jahr ver-
ehrete/ da wurde der jenige Particul davon ich meh-
rentheils meinen Ursprung hab/ der Cammer-
Magd zutheil/ welche eine Hembt darauß machte/
und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich/ daß es
nicht alle Jungfern seynd die man so nennet/ dann
nicht allein der Schreiber sonder auch der Herr selb-
sten wusten sich bey ihr zu behelffen weil sie nicht
heßlich war; solches hatte aber die läng keinen Be-
standt/ dann die Frau sahe einsmals selbsten/ wie
ihre Magd ihre Stell vertratt/ sie bollert aber deß-
wegen drumb nicht so gar greulich/ sonder thät als
eine vernünfftige Dame, zahlt ihre Magd auß und
gab ihr einen freundlichen Abschied; dem Junckern
aber gefiele es nicht beym besten/ daß ihm solch

Fleisch

geſotten und hernach verbrandt/ auß dem andern
Abgang ſpannen die alte Weiber ein grobes Garn/
welches zu Zwilch und Sacktaffel geweben wurde/
der dritte Abgang gab e[i]n zimblich grobes Garn/
welches man Baͤrdtlen Garn nennet/ und doch vor
Haͤnffin verkaufft wurde/ auß dem vierten Abgang
wurde zwar ein ſpiner Garn und Tuch gemacht/ es
mochte mir aber nicht gleichen (geſchweige jetzt der
gewaltigen Saͤuler/ die auß meinen Cammerꝛathen
den anderen Hanffſtengelen (darauß wan Schleiß-
Hanff machte) zugerichtet wurden. Alſo daß mein
Geſchlecht den Menſchen trefflich nutz/ ich auch bey
nahe nicht erzehlen kan/ was ein und anders vor Ge-
winn von denſelbigen ſchoͤpffet) den letzten Abgang
litte ich ſelbſt/ als der Weber ein par Kneul Garn
von mir nach den diebiſchen Maͤuſen warffe.

Von obgemeldtem Kauffherꝛen erhandelte
mich eine Edel Frau/ welche das gantze ſtuͤck Tuch
zerſchnitte und ihrem Geſind zum neuen Jahr ver-
ehrete/ da wurde der jenige Particul davon ich meh-
rentheils meinen Urſprung hab/ der Cammer-
Magd zutheil/ welche eine Hembt darauß machte/
und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich/ daß es
nicht alle Jungfern ſeynd die man ſo nennet/ dann
nicht allein der Schreiber ſonder auch der Herꝛ ſelb-
ſten wuſten ſich bey ihr zu behelffen weil ſie nicht
heßlich war; ſolches hatte aber die laͤng keinen Be-
ſtandt/ dann die Frau ſahe einsmals ſelbſten/ wie
ihre Magd ihre Stell vertratt/ ſie bollert aber deß-
wegen drumb nicht ſo gar greulich/ ſonder thaͤt als
eine vernuͤnfftige Dame, zahlt ihre Magd auß und
gab ihr einen freundlichen Abſchied; dem Junckern
aber gefiele es nicht beym beſten/ daß ihm ſolch

Fleiſch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073"/>
ge&#x017F;otten und hernach verbrandt/ auß dem andern<lb/>
Abgang &#x017F;pannen die alte Weiber ein grobes Garn/<lb/>
welches zu Zwilch und Sacktaffel geweben wurde/<lb/>
der dritte Abgang gab e<supplied>i</supplied>n zimblich grobes Garn/<lb/>
welches man Ba&#x0364;rdtlen Garn nennet/ und doch vor<lb/>
Ha&#x0364;nffin verkaufft wurde/ auß dem vierten Abgang<lb/>
wurde zwar ein &#x017F;piner Garn und Tuch gemacht/ es<lb/>
mochte mir aber nicht gleichen (ge&#x017F;chweige jetzt der<lb/>
gewaltigen Sa&#x0364;uler/ die auß meinen Cammer&#xA75B;athen<lb/>
den anderen Hanff&#x017F;tengelen (darauß wan Schleiß-<lb/>
Hanff machte) zugerichtet wurden. Al&#x017F;o daß mein<lb/>
Ge&#x017F;chlecht den Men&#x017F;chen trefflich nutz/ ich auch bey<lb/>
nahe nicht erzehlen kan/ was ein und anders vor Ge-<lb/>
winn von den&#x017F;elbigen &#x017F;cho&#x0364;pffet) den letzten Abgang<lb/>
litte ich &#x017F;elb&#x017F;t/ als der Weber ein par Kneul Garn<lb/>
von mir nach den diebi&#x017F;chen Ma&#x0364;u&#x017F;en warffe.</p><lb/>
        <p>Von obgemeldtem Kauffher&#xA75B;en erhandelte<lb/>
mich eine Edel Frau/ welche das gantze &#x017F;tu&#x0364;ck Tuch<lb/>
zer&#x017F;chnitte und ihrem Ge&#x017F;ind zum neuen Jahr ver-<lb/>
ehrete/ da wurde der jenige Particul davon ich meh-<lb/>
rentheils meinen Ur&#x017F;prung hab/ der Cammer-<lb/>
Magd zutheil/ welche eine Hembt darauß machte/<lb/>
und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich/ daß es<lb/>
nicht alle Jungfern &#x017F;eynd die man &#x017F;o nennet/ dann<lb/>
nicht allein der Schreiber &#x017F;onder auch der Her&#xA75B; &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten wu&#x017F;ten &#x017F;ich bey ihr zu behelffen weil &#x017F;ie nicht<lb/>
heßlich war; &#x017F;olches hatte aber die la&#x0364;ng keinen Be-<lb/>
&#x017F;tandt/ dann die Frau &#x017F;ahe einsmals &#x017F;elb&#x017F;ten/ wie<lb/>
ihre Magd ihre Stell vertratt/ &#x017F;ie bollert aber deß-<lb/>
wegen drumb nicht &#x017F;o gar greulich/ &#x017F;onder tha&#x0364;t als<lb/>
eine vernu&#x0364;nfftige <hi rendition="#aq">Dame,</hi> zahlt ihre Magd auß und<lb/>
gab ihr einen freundlichen Ab&#x017F;chied; dem Junckern<lb/>
aber gefiele es nicht beym be&#x017F;ten/ daß ihm &#x017F;olch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Flei&#x017F;ch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] geſotten und hernach verbrandt/ auß dem andern Abgang ſpannen die alte Weiber ein grobes Garn/ welches zu Zwilch und Sacktaffel geweben wurde/ der dritte Abgang gab ein zimblich grobes Garn/ welches man Baͤrdtlen Garn nennet/ und doch vor Haͤnffin verkaufft wurde/ auß dem vierten Abgang wurde zwar ein ſpiner Garn und Tuch gemacht/ es mochte mir aber nicht gleichen (geſchweige jetzt der gewaltigen Saͤuler/ die auß meinen Cammerꝛathen den anderen Hanffſtengelen (darauß wan Schleiß- Hanff machte) zugerichtet wurden. Alſo daß mein Geſchlecht den Menſchen trefflich nutz/ ich auch bey nahe nicht erzehlen kan/ was ein und anders vor Ge- winn von denſelbigen ſchoͤpffet) den letzten Abgang litte ich ſelbſt/ als der Weber ein par Kneul Garn von mir nach den diebiſchen Maͤuſen warffe. Von obgemeldtem Kauffherꝛen erhandelte mich eine Edel Frau/ welche das gantze ſtuͤck Tuch zerſchnitte und ihrem Geſind zum neuen Jahr ver- ehrete/ da wurde der jenige Particul davon ich meh- rentheils meinen Urſprung hab/ der Cammer- Magd zutheil/ welche eine Hembt darauß machte/ und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich/ daß es nicht alle Jungfern ſeynd die man ſo nennet/ dann nicht allein der Schreiber ſonder auch der Herꝛ ſelb- ſten wuſten ſich bey ihr zu behelffen weil ſie nicht heßlich war; ſolches hatte aber die laͤng keinen Be- ſtandt/ dann die Frau ſahe einsmals ſelbſten/ wie ihre Magd ihre Stell vertratt/ ſie bollert aber deß- wegen drumb nicht ſo gar greulich/ ſonder thaͤt als eine vernuͤnfftige Dame, zahlt ihre Magd auß und gab ihr einen freundlichen Abſchied; dem Junckern aber gefiele es nicht beym beſten/ daß ihm ſolch Fleiſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/73
Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/73>, abgerufen am 17.05.2024.