Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
gehört/ sie wohnen aber an der Feblhalden/ und ba-
ben keine Gelegenheit wie ich/ die Kunst rechtschaffen
zu üben.

Als wir dergestalt vom Dintenfaß (welches mich
allerdings an deß Fortunati Säckel gemahnet) di-
scuri
rten/ kam mir das Titular-Buch ohngefäbr in
die Händ/ darinnen fande ich/ meines damaligen
Davorhaltens/ mehr Thorheiten/ als mir bißhero
noch nie vor Augen kommen; Jch sagte zum Secre-
tario,
dieses alles sind ja Adams-Kinder/ und eines
Gemächts miteinander/ und zwar nur von Staub
und Aschen! Wo kompt dann ein so grosser Unter-
scheid her? Allerheiligst/ Unüberwindlichst/ Durch-
leuchtigst! Sind das nicht Göttliche Eigenschaff-
ten? hier ist einer Gnädig/ dort ist der ander Ge-
streng; und was muß allzeit das Geborn darbey
thun? man weiß ja wol/ daß keiner vom Himmel fällt/
auch keiner auß dem Wasser entstehet/ und daß kei-
ner auß der Erden wächst/ wie ein Krautskopff; wa-
rumb stehen nur Hoch-Wol. Vor- und Großgeach-
te da/ und keine geneunte? oder wo bleiben die ge-
fünffte/ gesechste/ und gesibende? was ist das vor ein
närrisch Wort/ Vorsichtig? welchem stehen dann
die Augen hinden im Kopff? Der Secretarius muste
meiner lachen/ und nam die Mühe/ mir eines und
deß andern Titul/ und alle Wort insonderheit auß-
zulegen/ ich aber beharrete darauff/ daß die Titul
nicht recht geben würden/ es wäre einem viel rühm-
licher/ wann er Freundlich titulirt würde/ als Ge-
streng; Jtem/ wann das Wort Edel an sich selb-
sten nichts anders/ als hochschätzbarliche Tugenden
dedeute/ warumb es dann/ wann es zwischen Hoch-

geborn
E iij

Erſtes Buch.
gehoͤrt/ ſie wohnen aber an der Feblhalden/ und ba-
ben keine Gelegenheit wie ich/ die Kunſt rechtſchaffen
zu uͤben.

Als wir dergeſtalt vom Dintenfaß (welches mich
allerdings an deß Fortunati Saͤckel gemahnet) di-
ſcuri
rten/ kam mir das Titular-Buch ohngefaͤbr in
die Haͤnd/ darinnen fande ich/ meines damaligen
Davorhaltens/ mehr Thorheiten/ als mir bißhero
noch nie vor Augen kommen; Jch ſagte zum Secre-
tario,
dieſes alles ſind ja Adams-Kinder/ und eines
Gemaͤchts miteinander/ und zwar nur von Staub
und Aſchen! Wo kompt dann ein ſo groſſer Unter-
ſcheid her? Allerheiligſt/ Unuͤberwindlichſt/ Durch-
leuchtigſt! Sind das nicht Goͤttliche Eigenſchaff-
ten? hier iſt einer Gnaͤdig/ dort iſt der ander Ge-
ſtreng; und was muß allzeit das Geborn darbey
thun? man weiß ja wol/ daß keiner vom Him̃el faͤllt/
auch keiner auß dem Waſſer entſtehet/ und daß kei-
ner auß der Erden waͤchſt/ wie ein Krautskopff; wa-
rumb ſtehen nur Hoch-Wol. Vor- und Großgeach-
te da/ und keine geneunte? oder wo bleiben die ge-
fuͤnffte/ geſechſte/ und geſibende? was iſt das vor ein
naͤrꝛiſch Wort/ Vorſichtig? welchem ſtehen dann
die Augen hinden im Kopff? Der Secretarius muſte
meiner lachen/ und nam die Muͤhe/ mir eines und
deß andern Titul/ und alle Wort inſonderheit auß-
zulegen/ ich aber beharꝛete darauff/ daß die Titul
nicht recht geben wuͤrden/ es waͤre einem viel ruͤhm-
licher/ wann er Freundlich titulirt wuͤrde/ als Ge-
ſtreng; Jtem/ wann das Wort Edel an ſich ſelb-
ſten nichts anders/ als hochſchaͤtzbarliche Tugenden
dedeute/ warumb es dann/ wann es zwiſchen Hoch-

geborn
E iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0105" n="99"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
geho&#x0364;rt/ &#x017F;ie wohnen aber an der Feblhalden/ und ba-<lb/>
ben keine Gelegenheit wie ich/ die Kun&#x017F;t recht&#x017F;chaffen<lb/>
zu u&#x0364;ben.</p><lb/>
        <p>Als wir derge&#x017F;talt vom Dintenfaß (welches mich<lb/>
allerdings an deß <hi rendition="#aq">Fortunati</hi> Sa&#x0364;ckel gemahnet) <hi rendition="#aq">di-<lb/>
&#x017F;curi</hi>rten/ kam mir das Titular-Buch ohngefa&#x0364;br in<lb/>
die Ha&#x0364;nd/ darinnen fande ich/ meines damaligen<lb/>
Davorhaltens/ mehr Thorheiten/ als mir bißhero<lb/>
noch nie vor Augen kommen; Jch &#x017F;agte zum <hi rendition="#aq">Secre-<lb/>
tario,</hi> die&#x017F;es alles &#x017F;ind ja Adams-Kinder/ und eines<lb/>
Gema&#x0364;chts miteinander/ und zwar nur von Staub<lb/>
und A&#x017F;chen! Wo kompt dann ein &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Unter-<lb/>
&#x017F;cheid her? Allerheilig&#x017F;t/ Unu&#x0364;berwindlich&#x017F;t/ Durch-<lb/>
leuchtig&#x017F;t! Sind das nicht Go&#x0364;ttliche Eigen&#x017F;chaff-<lb/>
ten? hier i&#x017F;t einer Gna&#x0364;dig/ dort i&#x017F;t der ander Ge-<lb/>
&#x017F;treng; und was muß allzeit das Geborn darbey<lb/>
thun? man weiß ja wol/ daß keiner vom Him&#x0303;el fa&#x0364;llt/<lb/>
auch keiner auß dem Wa&#x017F;&#x017F;er ent&#x017F;tehet/ und daß kei-<lb/>
ner auß der Erden wa&#x0364;ch&#x017F;t/ wie ein Krautskopff; wa-<lb/>
rumb &#x017F;tehen nur Hoch-Wol. Vor- und Großgeach-<lb/>
te da/ und keine geneunte? oder wo bleiben die ge-<lb/>
fu&#x0364;nffte/ ge&#x017F;ech&#x017F;te/ und ge&#x017F;ibende? was i&#x017F;t das vor ein<lb/>
na&#x0364;r&#xA75B;i&#x017F;ch Wort/ Vor&#x017F;ichtig? welchem &#x017F;tehen dann<lb/>
die Augen hinden im Kopff? Der <hi rendition="#aq">Secretarius</hi> mu&#x017F;te<lb/>
meiner lachen/ und nam die Mu&#x0364;he/ mir eines und<lb/>
deß andern Titul/ und alle Wort in&#x017F;onderheit auß-<lb/>
zulegen/ ich aber behar&#xA75B;ete darauff/ daß die Titul<lb/>
nicht recht geben wu&#x0364;rden/ es wa&#x0364;re einem viel ru&#x0364;hm-<lb/>
licher/ wann er Freundlich titulirt wu&#x0364;rde/ als Ge-<lb/>
&#x017F;treng; Jtem/ wann das Wort Edel an &#x017F;ich &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ten nichts anders/ als hoch&#x017F;cha&#x0364;tzbarliche Tugenden<lb/>
dedeute/ warumb es dann/ wann es zwi&#x017F;chen Hoch-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E iij</fw><fw place="bottom" type="catch">geborn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0105] Erſtes Buch. gehoͤrt/ ſie wohnen aber an der Feblhalden/ und ba- ben keine Gelegenheit wie ich/ die Kunſt rechtſchaffen zu uͤben. Als wir dergeſtalt vom Dintenfaß (welches mich allerdings an deß Fortunati Saͤckel gemahnet) di- ſcurirten/ kam mir das Titular-Buch ohngefaͤbr in die Haͤnd/ darinnen fande ich/ meines damaligen Davorhaltens/ mehr Thorheiten/ als mir bißhero noch nie vor Augen kommen; Jch ſagte zum Secre- tario, dieſes alles ſind ja Adams-Kinder/ und eines Gemaͤchts miteinander/ und zwar nur von Staub und Aſchen! Wo kompt dann ein ſo groſſer Unter- ſcheid her? Allerheiligſt/ Unuͤberwindlichſt/ Durch- leuchtigſt! Sind das nicht Goͤttliche Eigenſchaff- ten? hier iſt einer Gnaͤdig/ dort iſt der ander Ge- ſtreng; und was muß allzeit das Geborn darbey thun? man weiß ja wol/ daß keiner vom Him̃el faͤllt/ auch keiner auß dem Waſſer entſtehet/ und daß kei- ner auß der Erden waͤchſt/ wie ein Krautskopff; wa- rumb ſtehen nur Hoch-Wol. Vor- und Großgeach- te da/ und keine geneunte? oder wo bleiben die ge- fuͤnffte/ geſechſte/ und geſibende? was iſt das vor ein naͤrꝛiſch Wort/ Vorſichtig? welchem ſtehen dann die Augen hinden im Kopff? Der Secretarius muſte meiner lachen/ und nam die Muͤhe/ mir eines und deß andern Titul/ und alle Wort inſonderheit auß- zulegen/ ich aber beharꝛete darauff/ daß die Titul nicht recht geben wuͤrden/ es waͤre einem viel ruͤhm- licher/ wann er Freundlich titulirt wuͤrde/ als Ge- ſtreng; Jtem/ wann das Wort Edel an ſich ſelb- ſten nichts anders/ als hochſchaͤtzbarliche Tugenden dedeute/ warumb es dann/ wann es zwiſchen Hoch- geborn E iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/105
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/105>, abgerufen am 21.11.2024.