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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
widmet wären. Mein Herr aber sagte/ ich solte ihm
ein ander mal nicht wieder so kommen.

Das XXX. Capitel.

BEy dieser Mahlzeit (ich schätze/ es geschicht bey
andern auch) tratte man gantz Christlich zur
Tafel/ man sprach das Tischgebet sehr still/ und al-
lem Ansehen nach auch sehr andächtig: Solche stille
Andacht continuirte so lang/ als man mit der Supp
und den ersten Speisen zu thun hatte/ gleichsam als
wenn man in einem Capucciner-Convent gessen bät-
he; Aber kaum hatte jeder drey oder viermal geseg-
ne Gott
gesagt/ da wurde schon alles viel lauter:
Jch kan nicht beschreiben/ wie sich nach und nach ei-
nes jeden Stimm je länger je höher erhebte/ ich wol-
te dann die gantze Gesellschafft einem Orator ver-
gleichen/ der erstlich sachte anfähet/ und endlich
herauß donnert: Man brachte Gerichter/ deßwegen
Vor-Essen genant/ weil sie gewürtzt/ und vor dem
Trunck zu geniessen verordnet waren/ damit derselbe
desto besser gienge: Jtem Bey-Essen/ weil sie bey
dem Trunck nicht übel schmecken solten/ allerhand
Frantzösischen Potagen und Spanischen Olla Pot-
triden
zu geschweigen; welche durch tausendfältige
künstliche Zubereitungen und ohnzahlbare Zusätze/
dermassen verpfeffert/ überdummelt/ vermummet/
mixtirt/ und zum Trunck gerüstet waren/ daß sie
durch solche zufällige Sachen und Gewürtz mit ih-
rer Substanz sich weit anders verändert hatten/ als
sie die Natur anfänglich hervor gebracht/ also daß
sie Cneus Manlius selbsten/ wann er schon erst auß
Asia kommen wäre/ und die beste Köch bey sich ge-

habt
E vj

Erſtes Buch.
widmet waͤren. Mein Herꝛ aber ſagte/ ich ſolte ihm
ein ander mal nicht wieder ſo kommen.

Das XXX. Capitel.

BEy dieſer Mahlzeit (ich ſchaͤtze/ es geſchicht bey
andern auch) tratte man gantz Chriſtlich zur
Tafel/ man ſprach das Tiſchgebet ſehr ſtill/ und al-
lem Anſehen nach auch ſehr andaͤchtig: Solche ſtille
Andacht continuirte ſo lang/ als man mit der Supp
und den erſten Speiſen zu thun hatte/ gleichſam als
wenn man in einem Capucciner-Convent geſſen baͤt-
he; Aber kaum hatte jeder drey oder viermal geſeg-
ne Gott
geſagt/ da wurde ſchon alles viel lauter:
Jch kan nicht beſchreiben/ wie ſich nach und nach ei-
nes jeden Stimm je laͤnger je hoͤher erhebte/ ich wol-
te dann die gantze Geſellſchafft einem Orator ver-
gleichen/ der erſtlich ſachte anfaͤhet/ und endlich
herauß donnert: Man brachte Gerichter/ deßwegen
Vor-Eſſen genant/ weil ſie gewuͤrtzt/ und vor dem
Trunck zu genieſſen verordnet waren/ damit derſelbe
deſto beſſer gienge: Jtem Bey-Eſſen/ weil ſie bey
dem Trunck nicht uͤbel ſchmecken ſolten/ allerhand
Frantzoͤſiſchen Potagen und Spaniſchen Olla Pot-
triden
zu geſchweigen; welche durch tauſendfaͤltige
kuͤnſtliche Zubereitungen und ohnzahlbare Zuſaͤtze/
dermaſſen verpfeffert/ uͤberdummelt/ vermummet/
mixtirt/ und zum Trunck geruͤſtet waren/ daß ſie
durch ſolche zufaͤllige Sachen und Gewuͤrtz mit ih-
rer Subſtanz ſich weit anders veraͤndert hatten/ als
ſie die Natur anfaͤnglich hervor gebracht/ alſo daß
ſie Cneus Manlius ſelbſten/ wann er ſchon erſt auß
Aſia kommen waͤre/ und die beſte Koͤch bey ſich ge-

habt
E vj
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[105/0111] Erſtes Buch. widmet waͤren. Mein Herꝛ aber ſagte/ ich ſolte ihm ein ander mal nicht wieder ſo kommen. Das XXX. Capitel. BEy dieſer Mahlzeit (ich ſchaͤtze/ es geſchicht bey andern auch) tratte man gantz Chriſtlich zur Tafel/ man ſprach das Tiſchgebet ſehr ſtill/ und al- lem Anſehen nach auch ſehr andaͤchtig: Solche ſtille Andacht continuirte ſo lang/ als man mit der Supp und den erſten Speiſen zu thun hatte/ gleichſam als wenn man in einem Capucciner-Convent geſſen baͤt- he; Aber kaum hatte jeder drey oder viermal geſeg- ne Gott geſagt/ da wurde ſchon alles viel lauter: Jch kan nicht beſchreiben/ wie ſich nach und nach ei- nes jeden Stimm je laͤnger je hoͤher erhebte/ ich wol- te dann die gantze Geſellſchafft einem Orator ver- gleichen/ der erſtlich ſachte anfaͤhet/ und endlich herauß donnert: Man brachte Gerichter/ deßwegen Vor-Eſſen genant/ weil ſie gewuͤrtzt/ und vor dem Trunck zu genieſſen verordnet waren/ damit derſelbe deſto beſſer gienge: Jtem Bey-Eſſen/ weil ſie bey dem Trunck nicht uͤbel ſchmecken ſolten/ allerhand Frantzoͤſiſchen Potagen und Spaniſchen Olla Pot- triden zu geſchweigen; welche durch tauſendfaͤltige kuͤnſtliche Zubereitungen und ohnzahlbare Zuſaͤtze/ dermaſſen verpfeffert/ uͤberdummelt/ vermummet/ mixtirt/ und zum Trunck geruͤſtet waren/ daß ſie durch ſolche zufaͤllige Sachen und Gewuͤrtz mit ih- rer Subſtanz ſich weit anders veraͤndert hatten/ als ſie die Natur anfaͤnglich hervor gebracht/ alſo daß ſie Cneus Manlius ſelbſten/ wann er ſchon erſt auß Aſia kommen waͤre/ und die beſte Koͤch bey ſich ge- habt E vj

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/111>, abgerufen am 24.11.2024.