German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi habt hätte/ dennoch nicht gekennet hätte. Jch ge-dachte/ warumb wolten diese einem Menschen/ der ihm solche/ und den Trunck darbey schmecken läst/ (worzu sie dann vornemlich bereitet sind) nicht auch seine Sinne zerstören/ und ihn verändern/ oder gar zu einer Bestia machen können? Wer weiß/ ob Circe andere Mittel gebraucht hat/ als eben diese/ da sie deß Ulyssis Geferten in Schwein verändert? Jch sahe einmal/ daß diese Gäst die Trachten frassen wie die Säu/ darauff soffen wie die Kühe/ sich darbey stellten wie die Esel/ und alle endlich kotzten wie die Gerberhund! Den edlen Hochheimer/ Bacheracher und Klingenberger/ gossen sie mit Kübelmässigen Gläsern in Magen hinunder/ welche ihre Würckun- gen gleich oben im Kopffverspuren liessen. Darauff sahe ich meinen Wunder/ wie sich alles veränderte; nemlich verständige Leut/ die kurtz zuvor ihre fünff Sinn noch gesund beyeinander gehabt/ wie sie jetzt urplötzlich anfiengen närrisch zu thun/ und die al- derste Ding von der Welt vorzubringen; die grosse Thorheiten die sie begiengen/ und die grosse Trünck/ die sie einander zubrachten/ wurden je länger je grös- ser/ also daß es schiene/ als ob diese beyde umb die Wett miteinander stritten/ welches unter ihnen am grösten wäre/ zuletzt verkehrte sich ihr Kampff in eine unflätige Sauerey. Nichts artlichers war/ als daß ich nicht wuste/ woher ihnen der Dürmel kam/ sinte- mal mir die Würckung deß Weins/ oder die Trun- ckenheit selbst/ noch allerdings unbekant gewesen/ welches dann lustige Grillen und Phantasten-Ge- dancken in meinem wercklichen Nachsinnen setzte/ ich ahe wol ihre seltzame Minas, ich wuste aber den Ur- sprung
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi habt haͤtte/ dennoch nicht gekennet haͤtte. Jch ge-dachte/ warumb wolten dieſe einem Menſchen/ der ihm ſolche/ und den Trunck darbey ſchmecken laͤſt/ (worzu ſie dann vornemlich bereitet ſind) nicht auch ſeine Sinne zerſtoͤren/ und ihn veraͤndern/ oder gar zu einer Beſtia machen koͤnnen? Wer weiß/ ob Circe andere Mittel gebraucht hat/ als eben dieſe/ da ſie deß Ulyſſis Geferten in Schwein veraͤndert? Jch ſahe einmal/ daß dieſe Gaͤſt die Trachten fraſſen wie die Saͤu/ darauff ſoffen wie die Kuͤhe/ ſich darbey ſtellten wie die Eſel/ und alle endlich kotzten wie die Gerberhund! Den edlen Hochheimer/ Bacheracher und Klingenberger/ goſſen ſie mit Kuͤbelmaͤſſigen Glaͤſern in Magen hinunder/ welche ihre Wuͤrckun- gen gleich oben im Kopffverſpůren lieſſen. Darauff ſahe ich meinen Wunder/ wie ſich alles veraͤnderte; nemlich verſtaͤndige Leut/ die kurtz zuvor ihre fuͤnff Sinn noch geſund beyeinander gehabt/ wie ſie jetzt urploͤtzlich anfiengen naͤrꝛiſch zu thun/ und die al- derſte Ding von der Welt vorzubringen; die groſſe Thorheiten die ſie begiengen/ und die groſſe Truͤnck/ die ſie einander zubrachten/ wurden je laͤnger je groͤſ- ſer/ alſo daß es ſchiene/ als ob dieſe beyde umb die Wett miteinander ſtritten/ welches unter ihnen am groͤſten waͤre/ zuletzt verkehrte ſich ihr Kampff in eine unflaͤtige Sauerey. Nichts artlichers war/ als daß ich nicht wuſte/ woher ihnen der Duͤrmel kam/ ſinte- mal mir die Wuͤrckung deß Weins/ oder die Trun- ckenheit ſelbſt/ noch allerdings unbekant geweſen/ welches dann luſtige Grillen und Phantaſten-Ge- dancken in meinem wercklichen Nachſinnen ſetzte/ ich ahe wol ihre ſeltzame Minas, ich wuſte aber den Ur- ſprung
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
habt haͤtte/ dennoch nicht gekennet haͤtte. Jch ge-
dachte/ warumb wolten dieſe einem Menſchen/ der
ihm ſolche/ und den Trunck darbey ſchmecken laͤſt/
(worzu ſie dann vornemlich bereitet ſind) nicht auch
ſeine Sinne zerſtoͤren/ und ihn veraͤndern/ oder gar
zu einer Beſtia machen koͤnnen? Wer weiß/ ob Circe
andere Mittel gebraucht hat/ als eben dieſe/ da ſie
deß Ulyſſis Geferten in Schwein veraͤndert? Jch
ſahe einmal/ daß dieſe Gaͤſt die Trachten fraſſen wie
die Saͤu/ darauff ſoffen wie die Kuͤhe/ ſich darbey
ſtellten wie die Eſel/ und alle endlich kotzten wie die
Gerberhund! Den edlen Hochheimer/ Bacheracher
und Klingenberger/ goſſen ſie mit Kuͤbelmaͤſſigen
Glaͤſern in Magen hinunder/ welche ihre Wuͤrckun-
gen gleich oben im Kopffverſpůren lieſſen. Darauff
ſahe ich meinen Wunder/ wie ſich alles veraͤnderte;
nemlich verſtaͤndige Leut/ die kurtz zuvor ihre fuͤnff
Sinn noch geſund beyeinander gehabt/ wie ſie jetzt
urploͤtzlich anfiengen naͤrꝛiſch zu thun/ und die al-
derſte Ding von der Welt vorzubringen; die groſſe
Thorheiten die ſie begiengen/ und die groſſe Truͤnck/
die ſie einander zubrachten/ wurden je laͤnger je groͤſ-
ſer/ alſo daß es ſchiene/ als ob dieſe beyde umb die
Wett miteinander ſtritten/ welches unter ihnen am
groͤſten waͤre/ zuletzt verkehrte ſich ihr Kampff in eine
unflaͤtige Sauerey. Nichts artlichers war/ als daß
ich nicht wuſte/ woher ihnen der Duͤrmel kam/ ſinte-
mal mir die Wuͤrckung deß Weins/ oder die Trun-
ckenheit ſelbſt/ noch allerdings unbekant geweſen/
welches dann luſtige Grillen und Phantaſten-Ge-
dancken in meinem wercklichen Nachſinnen ſetzte/ ich
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