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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
bleibe demütig/ und erwarte der künfftigen Verän-
derung.

Sein Discurs war vorsetzlich so variabel, dann ich
bilde mir ein/ er habe mir an der Stirn gelesen/ daß
ich mich groß zu seyn bedünckte/ weil ich mit so mei-
sterlichem Betrug und seiner Kunst durch geschlof-
fen; und ich muthmassete hingegen auß seinem An-
gesicht/ daß er unwillig/ und meiner überdrüssig wor-
den/ dann seine Minen gabens/ und was hatte er von
mir? Derowegen verändert ich auch meine Reden/
und wuste ihm grossen Danck vor die herrliche Mittel/
die er mir zu Erhaltung meines Verstands mitge-
theilt hatte/ ja ich thät unmügliche Promessen, alles/
wie meine Schuldigkeit erfordere/ wieder danckbar-
lich zu verschulden: Solches kützelte ihn/ und brach-
te ihn auch wieder auff einen andern Laun/ dann er
rühmte gleich darauff seine Artzney trefflich/ und er-
zehlte mir/ daß Simonides Melicus eine Kunst auffge-
bracht/ die Metrodorus Sceptius nicht ohne grosse
Müde perfectionirt hätte/ vermittelst deren er die
Menschen lehren können/ daß sie alles/ was sie ein-
mal gehöret oder gelesen/ bey einem Wort nach-re-
den mögen/ und solches wäre/ sagte er/ ohne Haupt-
stärckende Artzneyen/ deren er mir mitgetheilt/ nicht
zugangen! Ja/ gedachte ich/ mein lieber Herr Pfar-
rer/ ich habe in deinen eigenen Büchern bey meinem
Einsidel viel anders gelesen/ worinnen Sceptii Ge-
dächtnus-Gunst bestehet/ doch war ich so schlau/ daß
ich nichts sagte/ dann wann ich die Warheit beken-
nen soll/ so bin ich/ als ich zum Narren werden solte/
allererst witzig/ und in meinen Reden behutsamer
worden. Er der Pfarrer fuhr fort/ und sagte mir/

wie

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
bleibe demuͤtig/ und erwarte der kuͤnfftigen Veraͤn-
derung.

Sein Diſcurs war vorſetzlich ſo variabel, dann ich
bilde mir ein/ er habe mir an der Stirn geleſen/ daß
ich mich groß zu ſeyn beduͤnckte/ weil ich mit ſo mei-
ſterlichem Betrug und ſeiner Kunſt durch geſchlof-
fen; und ich muthmaſſete hingegen auß ſeinem An-
geſicht/ daß er unwillig/ und meiner uͤberdruͤſſig wor-
den/ dann ſeine Minen gabens/ und was hatte er von
mir? Derowegen veraͤndert ich auch meine Reden/
und wuſte ihm groſſen Danck vor die herꝛliche Mittel/
die er mir zu Erhaltung meines Verſtands mitge-
theilt hatte/ ja ich thaͤt unmuͤgliche Promeſſen, alles/
wie meine Schuldigkeit erfordere/ wieder danckbar-
lich zu verſchulden: Solches kuͤtzelte ihn/ und brach-
te ihn auch wieder auff einen andern Laun/ dann er
ruͤhmte gleich darauff ſeine Artzney trefflich/ und er-
zehlte mir/ daß Simonides Melicus eine Kunſt auffge-
bracht/ die Metrodorus Sceptius nicht ohne groſſe
Muͤde perfectionirt haͤtte/ vermittelſt deren er die
Menſchen lehren koͤnnen/ daß ſie alles/ was ſie ein-
mal gehoͤret oder geleſen/ bey einem Wort nach-re-
den moͤgen/ und ſolches waͤre/ ſagte er/ ohne Haupt-
ſtaͤrckende Artzneyen/ deren er mir mitgetheilt/ nicht
zugangen! Ja/ gedachte ich/ mein lieber Herꝛ Pfar-
rer/ ich habe in deinen eigenen Buͤchern bey meinem
Einſidel viel anders geleſen/ worinnen Sceptii Ge-
daͤchtnus-Gunſt beſtehet/ doch war ich ſo ſchlau/ daß
ich nichts ſagte/ dann wann ich die Warheit beken-
nen ſoll/ ſo bin ich/ als ich zum Narꝛen werden ſolte/
allererſt witzig/ und in meinen Reden behutſamer
worden. Er der Pfarꝛer fuhr fort/ und ſagte mir/

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[148/0154] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi bleibe demuͤtig/ und erwarte der kuͤnfftigen Veraͤn- derung. Sein Diſcurs war vorſetzlich ſo variabel, dann ich bilde mir ein/ er habe mir an der Stirn geleſen/ daß ich mich groß zu ſeyn beduͤnckte/ weil ich mit ſo mei- ſterlichem Betrug und ſeiner Kunſt durch geſchlof- fen; und ich muthmaſſete hingegen auß ſeinem An- geſicht/ daß er unwillig/ und meiner uͤberdruͤſſig wor- den/ dann ſeine Minen gabens/ und was hatte er von mir? Derowegen veraͤndert ich auch meine Reden/ und wuſte ihm groſſen Danck vor die herꝛliche Mittel/ die er mir zu Erhaltung meines Verſtands mitge- theilt hatte/ ja ich thaͤt unmuͤgliche Promeſſen, alles/ wie meine Schuldigkeit erfordere/ wieder danckbar- lich zu verſchulden: Solches kuͤtzelte ihn/ und brach- te ihn auch wieder auff einen andern Laun/ dann er ruͤhmte gleich darauff ſeine Artzney trefflich/ und er- zehlte mir/ daß Simonides Melicus eine Kunſt auffge- bracht/ die Metrodorus Sceptius nicht ohne groſſe Muͤde perfectionirt haͤtte/ vermittelſt deren er die Menſchen lehren koͤnnen/ daß ſie alles/ was ſie ein- mal gehoͤret oder geleſen/ bey einem Wort nach-re- den moͤgen/ und ſolches waͤre/ ſagte er/ ohne Haupt- ſtaͤrckende Artzneyen/ deren er mir mitgetheilt/ nicht zugangen! Ja/ gedachte ich/ mein lieber Herꝛ Pfar- rer/ ich habe in deinen eigenen Buͤchern bey meinem Einſidel viel anders geleſen/ worinnen Sceptii Ge- daͤchtnus-Gunſt beſtehet/ doch war ich ſo ſchlau/ daß ich nichts ſagte/ dann wann ich die Warheit beken- nen ſoll/ ſo bin ich/ als ich zum Narꝛen werden ſolte/ allererſt witzig/ und in meinen Reden behutſamer worden. Er der Pfarꝛer fuhr fort/ und ſagte mir/ wie

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/154>, abgerufen am 22.11.2024.