German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi daß der Mensch sein auffgesetztes Ziel schwerlich ü-derschreiten mag/ wann ihm gleich sein Unglück lang oder kurtz zuvor durch dergleichen Weissagungen angedeutet worden. Auff die Frag/ die sich ereignen möchte/ obs einem Menschen nötig/ nützlich und gut seye/ daß er sich wahrsagen/ und die Nativität stellen lasse? Antworte ich allein dieses/ daß mir der Alte Hertzbruder so viel gesagt habe/ daß ich offt gewün- schet/ und noch wünsche/ daß er geschwiegen hätte/ dann die unglückliche Fäll/ die er mir angezeigt/ hab ich niemals umbgehen können/ und die jenige die mir noch bevor stehen/ machen mir nur vergeblich graue Haar/ weil mir besorglich dieselbige auch/ wie die vorige/ zu handen gehen werden/ ich sehe mich gleich für denselben vor oder nicht: Was aber die Glücks- Fälle anbelangt/ von denen einem geweissaget wird/ davon halte ich/ daß sie öffter betrügen/ oder auffs wenigste den Menschen nicht so wol gedeyen/ als die unglückselige Prophezeyhungen: Was halff michs/ daß mir der alte Hertzbruder hoch und theur schwur/ ich wäre von Edlen Eltern geboren und erzogen wor- den/ da ich doch von niemand anders wuste/ als von meinem Knan und meiner Meüder/ die grobe Baurs- Leut im Spessert waren. Jtem was halffs den von Wallenstein/ Hertzogen in Friedland/ daß ihm pro- [v]hezeyt wurde/ er werde gleichsam mit Säitenspiel zum König gekrönet werden? weiß man nicht/ wie er zu Eger eingewieget worden? Mögen derowegen andere ihre Köpff über dieser Frag zerbrechen/ ich komme wieder auff meine Histori. Als ich erzehlter massen meine beyde Hertzbrüder Magde-
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi daß der Menſch ſein auffgeſetztes Ziel ſchwerlich uͤ-derſchreiten mag/ wann ihm gleich ſein Ungluͤck lang oder kurtz zuvor durch dergleichen Weiſſagungen angedeutet worden. Auff die Frag/ die ſich ereignen moͤchte/ obs einem Menſchen noͤtig/ nuͤtzlich und gut ſeye/ daß er ſich wahrſagen/ und die Nativitaͤt ſtellen laſſe? Antworte ich allein dieſes/ daß mir der Alte Hertzbruder ſo viel geſagt habe/ daß ich offt gewuͤn- ſchet/ und noch wuͤnſche/ daß er geſchwiegen haͤtte/ dann die ungluͤckliche Faͤll/ die er mir angezeigt/ hab ich niemals umbgehen koͤnnen/ und die jenige die mir noch bevor ſtehen/ machen mir nur vergeblich graue Haar/ weil mir beſorglich dieſelbige auch/ wie die vorige/ zu handen gehen werden/ ich ſehe mich gleich fuͤr denſelben vor oder nicht: Was aber die Gluͤcks- Faͤlle anbelangt/ von denen einem geweiſſaget wird/ davon halte ich/ daß ſie oͤffter betruͤgen/ oder auffs wenigſte den Menſchen nicht ſo wol gedeyen/ als die ungluͤckſelige Prophezeyhungen: Was halff michs/ daß mir der alte Hertzbruder hoch und theur ſchwur/ ich waͤre von Edlen Eltern geboren und erzogen woꝛ- den/ da ich doch von niemand anders wuſte/ als von meinem Knan und meiner Meuͤder/ die grobe Baurs- Leut im Speſſert waren. Jtem was halffs den von Wallenſtein/ Hertzogen in Friedland/ daß ihm pro- [v]hezeyt wurde/ er werde gleichſam mit Saͤitenſpiel zum Koͤnig gekroͤnet werden? weiß man nicht/ wie er zu Eger eingewieget worden? Moͤgen derowegen andere ihre Koͤpff uͤber dieſer Frag zerbrechen/ ich komme wieder auff meine Hiſtori. Als ich erzehlter maſſen meine beyde Hertzbruͤder Magde-
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simpliciſſimi</hi></hi></fw><lb/> daß der Menſch ſein auffgeſetztes Ziel ſchwerlich uͤ-<lb/> derſchreiten mag/ wann ihm gleich ſein Ungluͤck lang<lb/> oder kurtz zuvor durch dergleichen Weiſſagungen<lb/> angedeutet worden. Auff die Frag/ die ſich ereignen<lb/> moͤchte/ obs einem Menſchen noͤtig/ nuͤtzlich und gut<lb/> ſeye/ daß er ſich wahrſagen/ und die <hi rendition="#aq">Nativit</hi>aͤt ſtellen<lb/> laſſe? Antworte ich allein dieſes/ daß mir der Alte<lb/> Hertzbruder ſo viel geſagt habe/ daß ich offt gewuͤn-<lb/> ſchet/ und noch wuͤnſche/ daß er geſchwiegen haͤtte/<lb/> dann die ungluͤckliche Faͤll/ die er mir angezeigt/ hab<lb/> ich niemals umbgehen koͤnnen/ und die jenige die mir<lb/> noch bevor ſtehen/ machen mir nur vergeblich graue<lb/> Haar/ weil mir beſorglich dieſelbige auch/ wie die<lb/> vorige/ zu handen gehen werden/ ich ſehe mich gleich<lb/> fuͤr denſelben vor oder nicht: Was aber die Gluͤcks-<lb/> Faͤlle anbelangt/ von denen einem geweiſſaget wird/<lb/> davon halte ich/ daß ſie oͤffter betruͤgen/ oder auffs<lb/> wenigſte den Menſchen nicht ſo wol gedeyen/ als die<lb/> ungluͤckſelige Prophezeyhungen: Was halff michs/<lb/> daß mir der alte Hertzbruder hoch und theur ſchwur/<lb/> ich waͤre von Edlen Eltern geboren und erzogen woꝛ-<lb/> den/ da ich doch von niemand anders wuſte/ als von<lb/> meinem Knan und meiner Meuͤder/ die grobe Baurs-<lb/> Leut im Speſſert waren. Jtem was halffs den von<lb/> Wallenſtein/ Hertzogen in Friedland/ daß ihm pro-<lb/><supplied>v</supplied>hezeyt wurde/ er werde gleichſam mit Saͤitenſpiel<lb/> zum Koͤnig gekroͤnet werden? weiß man nicht/ wie<lb/> er zu Eger eingewieget worden? Moͤgen derowegen<lb/> andere ihre Koͤpff uͤber dieſer Frag zerbrechen/ ich<lb/> komme wieder auff meine Hiſtori.</p><lb/> <p>Als ich erzehlter maſſen meine beyde Hertzbruͤder<lb/> verloren hatte/ verleydet mir das gantze Laͤger vor<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Magde-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [220/0226]
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
daß der Menſch ſein auffgeſetztes Ziel ſchwerlich uͤ-
derſchreiten mag/ wann ihm gleich ſein Ungluͤck lang
oder kurtz zuvor durch dergleichen Weiſſagungen
angedeutet worden. Auff die Frag/ die ſich ereignen
moͤchte/ obs einem Menſchen noͤtig/ nuͤtzlich und gut
ſeye/ daß er ſich wahrſagen/ und die Nativitaͤt ſtellen
laſſe? Antworte ich allein dieſes/ daß mir der Alte
Hertzbruder ſo viel geſagt habe/ daß ich offt gewuͤn-
ſchet/ und noch wuͤnſche/ daß er geſchwiegen haͤtte/
dann die ungluͤckliche Faͤll/ die er mir angezeigt/ hab
ich niemals umbgehen koͤnnen/ und die jenige die mir
noch bevor ſtehen/ machen mir nur vergeblich graue
Haar/ weil mir beſorglich dieſelbige auch/ wie die
vorige/ zu handen gehen werden/ ich ſehe mich gleich
fuͤr denſelben vor oder nicht: Was aber die Gluͤcks-
Faͤlle anbelangt/ von denen einem geweiſſaget wird/
davon halte ich/ daß ſie oͤffter betruͤgen/ oder auffs
wenigſte den Menſchen nicht ſo wol gedeyen/ als die
ungluͤckſelige Prophezeyhungen: Was halff michs/
daß mir der alte Hertzbruder hoch und theur ſchwur/
ich waͤre von Edlen Eltern geboren und erzogen woꝛ-
den/ da ich doch von niemand anders wuſte/ als von
meinem Knan und meiner Meuͤder/ die grobe Baurs-
Leut im Speſſert waren. Jtem was halffs den von
Wallenſtein/ Hertzogen in Friedland/ daß ihm pro-
vhezeyt wurde/ er werde gleichſam mit Saͤitenſpiel
zum Koͤnig gekroͤnet werden? weiß man nicht/ wie
er zu Eger eingewieget worden? Moͤgen derowegen
andere ihre Koͤpff uͤber dieſer Frag zerbrechen/ ich
komme wieder auff meine Hiſtori.
Als ich erzehlter maſſen meine beyde Hertzbruͤder
verloren hatte/ verleydet mir das gantze Laͤger vor
Magde-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDer angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |