Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
sie/ eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr ge-
wohnt hätte/ oder in viel Jahren nicht zu ihr käme;
zuletzt machte ich mich gar gemein/ weil mir meine
Leffeley nicht sonderlich von den Eltern gewehrt/
sondern zugemuthet ward/ ich solte ihre Tochter auff
der Lauten lernen schlagen. Da hatte ich nun einen
freyen Zutritt/ bey Tag so wol/ als hiebevor deß A-
bends/ also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen/

Jch und eine Fledermauß/
Fliegen nur bey Nachte auß:

änderte/ und ein Liedlein machte/ in welchem ich
mein Glück lobte/ weil es mir auff so manchen guten
Abend auch so freudenreiche Täg verliehe/ an denen
ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen wai-
den/ und mein Hertz umb etwas erquicken könte/ hin-
gegen klagte ich auch in eben demselbigen Lied über
mein Unglück/ und bezüchtigte dasselbige/ daß es mir
die Nächt verbittere/ und mir nicht gönnete/ solche
auch wie die Täg mit liebreicher Ergetzung hinzu-
bringen; und ob es zwar umb etwas zu frey kam/ so
sange ichs doch meiner Liebsten mit andächtigen
Seufftzen und einer Lustreitzenden Melodey/ darbey
die Laute das ihrig trefflich thät/ und gleichsam die
Jungfer mit mir bate/ sie wolte doch cooperiren/ daß
mir die Nächte so glücklich als die Täge bekommen
möchten; Aber ich bekam zimlich abschlägige Ant-
wort/ dann sie war trefflich klug/ und konte mich
auff meine Erfindungen/ die ich bißweilen artlich
anbrachte/ gar höflich beschlagen. Jch nam mich
gar wol in acht/ von der Verehelichung zu schwei-
gen/ ja wenn schon Discursweis davon geredt wurde/
stellete ich doch alle meine Wort auff Schrauben;

Wel-
Q ij

Drittes Buch.
ſie/ eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr ge-
wohnt haͤtte/ oder in viel Jahren nicht zu ihr kaͤme;
zuletzt machte ich mich gar gemein/ weil mir meine
Leffeley nicht ſonderlich von den Eltern gewehrt/
ſondern zugemuthet ward/ ich ſolte ihre Tochter auff
der Lauten lernen ſchlagen. Da hatte ich nun einen
freyen Zutritt/ bey Tag ſo wol/ als hiebevor deß A-
bends/ alſo daß ich meinen gewoͤhnlichen Reimen/

Jch und eine Fledermauß/
Fliegen nur bey Nachte auß:

aͤnderte/ und ein Liedlein machte/ in welchem ich
mein Gluͤck lobte/ weil es mir auff ſo manchen guten
Abend auch ſo freudenreiche Taͤg verliehe/ an denen
ich in meiner Liebſten Gegenwart meine Augen wai-
den/ und mein Hertz umb etwas erquicken koͤnte/ hin-
gegen klagte ich auch in eben demſelbigen Lied uͤber
mein Ungluͤck/ und bezuͤchtigte daſſelbige/ daß es mir
die Naͤcht verbittere/ und mir nicht goͤnnete/ ſolche
auch wie die Taͤg mit liebreicher Ergetzung hinzu-
bringen; und ob es zwar umb etwas zu frey kam/ ſo
ſange ichs doch meiner Liebſten mit andaͤchtigen
Seufftzen und einer Luſtreitzenden Melodey/ darbey
die Laute das ihrig trefflich thaͤt/ und gleichſam die
Jungfer mit mir bate/ ſie wolte doch cooperiren/ daß
mir die Naͤchte ſo gluͤcklich als die Taͤge bekommen
moͤchten; Aber ich bekam zimlich abſchlaͤgige Ant-
wort/ dann ſie war trefflich klug/ und konte mich
auff meine Erfindungen/ die ich bißweilen artlich
anbrachte/ gar hoͤflich beſchlagen. Jch nam mich
gar wol in acht/ von der Verehelichung zu ſchwei-
gen/ ja wenn ſchon Diſcursweis davon geredt wurde/
ſtellete ich doch alle meine Wort auff Schrauben;

Wel-
Q ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0367" n="361"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie/ eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr ge-<lb/>
wohnt ha&#x0364;tte/ oder in viel Jahren nicht zu ihr ka&#x0364;me;<lb/>
zuletzt machte ich mich gar gemein/ weil mir meine<lb/>
Leffeley nicht &#x017F;onderlich von den Eltern gewehrt/<lb/>
&#x017F;ondern zugemuthet ward/ ich &#x017F;olte ihre Tochter auff<lb/>
der Lauten lernen &#x017F;chlagen. Da hatte ich nun einen<lb/>
freyen Zutritt/ bey Tag &#x017F;o wol/ als hiebevor deß A-<lb/>
bends/ al&#x017F;o daß ich meinen gewo&#x0364;hnlichen Reimen/</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">Jch und eine Fledermauß/</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Fliegen nur bey Nachte auß:</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p>a&#x0364;nderte/ und ein Liedlein machte/ in welchem ich<lb/>
mein Glu&#x0364;ck lobte/ weil es mir auff &#x017F;o manchen guten<lb/>
Abend auch &#x017F;o freudenreiche Ta&#x0364;g verliehe/ an denen<lb/>
ich in meiner Lieb&#x017F;ten Gegenwart meine Augen wai-<lb/>
den/ und mein Hertz umb etwas erquicken ko&#x0364;nte/ hin-<lb/>
gegen klagte ich auch in eben dem&#x017F;elbigen Lied u&#x0364;ber<lb/>
mein Unglu&#x0364;ck/ und bezu&#x0364;chtigte da&#x017F;&#x017F;elbige/ daß es mir<lb/>
die Na&#x0364;cht verbittere/ und mir nicht go&#x0364;nnete/ &#x017F;olche<lb/>
auch wie die Ta&#x0364;g mit liebreicher Ergetzung hinzu-<lb/>
bringen; und ob es zwar umb etwas zu frey kam/ &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ange ichs doch meiner Lieb&#x017F;ten mit anda&#x0364;chtigen<lb/>
Seufftzen und einer Lu&#x017F;treitzenden Melodey/ darbey<lb/>
die Laute das ihrig trefflich tha&#x0364;t/ und gleich&#x017F;am die<lb/>
Jungfer mit mir bate/ &#x017F;ie wolte doch <hi rendition="#aq">cooperi</hi>ren/ daß<lb/>
mir die Na&#x0364;chte &#x017F;o glu&#x0364;cklich als die Ta&#x0364;ge bekommen<lb/>
mo&#x0364;chten; Aber ich bekam zimlich ab&#x017F;chla&#x0364;gige Ant-<lb/>
wort/ dann &#x017F;ie war trefflich klug/ und konte mich<lb/>
auff meine Erfindungen/ die ich bißweilen artlich<lb/>
anbrachte/ gar ho&#x0364;flich be&#x017F;chlagen. Jch nam mich<lb/>
gar wol in acht/ von der Verehelichung zu &#x017F;chwei-<lb/>
gen/ ja wenn &#x017F;chon <hi rendition="#aq">Di&#x017F;curs</hi>weis davon geredt wurde/<lb/>
&#x017F;tellete ich doch alle meine Wort auff Schrauben;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q ij</fw><fw place="bottom" type="catch">Wel-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0367] Drittes Buch. ſie/ eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr ge- wohnt haͤtte/ oder in viel Jahren nicht zu ihr kaͤme; zuletzt machte ich mich gar gemein/ weil mir meine Leffeley nicht ſonderlich von den Eltern gewehrt/ ſondern zugemuthet ward/ ich ſolte ihre Tochter auff der Lauten lernen ſchlagen. Da hatte ich nun einen freyen Zutritt/ bey Tag ſo wol/ als hiebevor deß A- bends/ alſo daß ich meinen gewoͤhnlichen Reimen/ Jch und eine Fledermauß/ Fliegen nur bey Nachte auß: aͤnderte/ und ein Liedlein machte/ in welchem ich mein Gluͤck lobte/ weil es mir auff ſo manchen guten Abend auch ſo freudenreiche Taͤg verliehe/ an denen ich in meiner Liebſten Gegenwart meine Augen wai- den/ und mein Hertz umb etwas erquicken koͤnte/ hin- gegen klagte ich auch in eben demſelbigen Lied uͤber mein Ungluͤck/ und bezuͤchtigte daſſelbige/ daß es mir die Naͤcht verbittere/ und mir nicht goͤnnete/ ſolche auch wie die Taͤg mit liebreicher Ergetzung hinzu- bringen; und ob es zwar umb etwas zu frey kam/ ſo ſange ichs doch meiner Liebſten mit andaͤchtigen Seufftzen und einer Luſtreitzenden Melodey/ darbey die Laute das ihrig trefflich thaͤt/ und gleichſam die Jungfer mit mir bate/ ſie wolte doch cooperiren/ daß mir die Naͤchte ſo gluͤcklich als die Taͤge bekommen moͤchten; Aber ich bekam zimlich abſchlaͤgige Ant- wort/ dann ſie war trefflich klug/ und konte mich auff meine Erfindungen/ die ich bißweilen artlich anbrachte/ gar hoͤflich beſchlagen. Jch nam mich gar wol in acht/ von der Verehelichung zu ſchwei- gen/ ja wenn ſchon Diſcursweis davon geredt wurde/ ſtellete ich doch alle meine Wort auff Schrauben; Wel- Q ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/367
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/367>, abgerufen am 22.11.2024.