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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
Das X Capitel.

ALs ich das erste mal den Einsidel in der Bibel le-
sen sahe/ konte ich mir nicht einbilden/ mit wem
er doch ein solch heimlich/ und meinem Beduncken
nach sehr ernstlich Gespräch haben müste; ich sahe
wol die Bewegung seiner Lippen/ hingegen aber nie-
mand/ der mit ihm redet/ und ob ich zwar nichts vom
lesen und schreiben gewust/ so merckte ich doch an sei-
nen Augen/ daß ers mit etwas in selbigem Buch zu
thun hatte: Jch gab Achtung auff das Buch/ und
nachdem er solches beygelegt/ machte ich mich dar-
hinder/ schlugs auff/ und bekam im ersten Griff das
erste Capitel deß Hiobs/ und die davor stehende Fi-
gur/ so ein feiner Holtzschnitt/ und schön illuminirt
war/ in die Augen; ich fragte dieselbige Bilder sel-
zame Sachen/ weil mir aber kein Antwort widerfah-
ren wolte/ wurde ich ungedultig/ und sagte eben/ als
der Einsidel hinder mich schlich: Jhr kleine Hudler/
habt ihr dann keine Mäuler mehr? habt ihr nicht al-
lererst mit meinem Vatter (dann also muste ich den
Einsidel nennen) lang genug schwätzen können? ich
sihe wol/ daß ihr auch dem armen Knan seine Schaf
heim treibt/ und das Hauß angezündet habt/ halt/
halt/ ich will diß Feuer noch wol leschen/ damit
stunde ich auff Wasser zu holen/ weil mich die Noth
vorhanden zu seyn bedunckte. Wohin Simplici? sagt
der Einsidel/ den ich binder mir nicht wuste/ Ey
Vatter/ sagte ich/ da sind auch Krieger/ die haben
Schaf/ und wollens weg treiben/ sie habens dem
armen Mann genommen/ mit dem du erst geredet
hast/ so brennet sein Hauß auch schon liechterlohe/
und wann ich nicht bald lesche/ so wirds verbrennen;

mit
B vij
Erſtes Buch.
Das X Capitel.

ALs ich das erſte mal den Einſidel in der Bibel le-
ſen ſahe/ konte ich mir nicht einbilden/ mit wem
er doch ein ſolch heimlich/ und meinem Beduncken
nach ſehr ernſtlich Geſpraͤch haben muͤſte; ich ſahe
wol die Bewegung ſeiner Lippen/ hingegen aber nie-
mand/ der mit ihm redet/ und ob ich zwar nichts vom
leſen und ſchreiben gewuſt/ ſo merckte ich doch an ſei-
nen Augen/ daß ers mit etwas in ſelbigem Buch zu
thun hatte: Jch gab Achtung auff das Buch/ und
nachdem er ſolches beygelegt/ machte ich mich dar-
hinder/ ſchlugs auff/ und bekam im erſten Griff das
erſte Capitel deß Hiobs/ und die davor ſtehende Fi-
gur/ ſo ein feiner Holtzſchnitt/ und ſchoͤn illuminirt
war/ in die Augen; ich fragte dieſelbige Bilder ſel-
zame Sachen/ weil mir aber kein Antwort widerfah-
ren wolte/ wurde ich ungedultig/ und ſagte eben/ als
der Einſidel hinder mich ſchlich: Jhr kleine Hudler/
habt ihr dann keine Maͤuler mehr? habt ihr nicht al-
lererſt mit meinem Vatter (dann alſo muſte ich den
Einſidel nennen) lang genug ſchwaͤtzen koͤnnen? ich
ſihe wol/ daß ihr auch dem armen Knan ſeine Schaf
heim treibt/ und das Hauß angezuͤndet habt/ halt/
halt/ ich will diß Feuer noch wol leſchen/ damit
ſtunde ich auff Waſſer zu holen/ weil mich die Noth
vorhanden zu ſeyn bedunckte. Wohin Simplici? ſagt
der Einſidel/ den ich binder mir nicht wuſte/ Ey
Vatter/ ſagte ich/ da ſind auch Krieger/ die haben
Schaf/ und wollens weg treiben/ ſie habens dem
armen Mann genommen/ mit dem du erſt geredet
haſt/ ſo brennet ſein Hauß auch ſchon liechterlohe/
und wann ich nicht bald leſche/ ſo wirds verbrennen;

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[35/0041] Erſtes Buch. Das X Capitel. ALs ich das erſte mal den Einſidel in der Bibel le- ſen ſahe/ konte ich mir nicht einbilden/ mit wem er doch ein ſolch heimlich/ und meinem Beduncken nach ſehr ernſtlich Geſpraͤch haben muͤſte; ich ſahe wol die Bewegung ſeiner Lippen/ hingegen aber nie- mand/ der mit ihm redet/ und ob ich zwar nichts vom leſen und ſchreiben gewuſt/ ſo merckte ich doch an ſei- nen Augen/ daß ers mit etwas in ſelbigem Buch zu thun hatte: Jch gab Achtung auff das Buch/ und nachdem er ſolches beygelegt/ machte ich mich dar- hinder/ ſchlugs auff/ und bekam im erſten Griff das erſte Capitel deß Hiobs/ und die davor ſtehende Fi- gur/ ſo ein feiner Holtzſchnitt/ und ſchoͤn illuminirt war/ in die Augen; ich fragte dieſelbige Bilder ſel- zame Sachen/ weil mir aber kein Antwort widerfah- ren wolte/ wurde ich ungedultig/ und ſagte eben/ als der Einſidel hinder mich ſchlich: Jhr kleine Hudler/ habt ihr dann keine Maͤuler mehr? habt ihr nicht al- lererſt mit meinem Vatter (dann alſo muſte ich den Einſidel nennen) lang genug ſchwaͤtzen koͤnnen? ich ſihe wol/ daß ihr auch dem armen Knan ſeine Schaf heim treibt/ und das Hauß angezuͤndet habt/ halt/ halt/ ich will diß Feuer noch wol leſchen/ damit ſtunde ich auff Waſſer zu holen/ weil mich die Noth vorhanden zu ſeyn bedunckte. Wohin Simplici? ſagt der Einſidel/ den ich binder mir nicht wuſte/ Ey Vatter/ ſagte ich/ da ſind auch Krieger/ die haben Schaf/ und wollens weg treiben/ ſie habens dem armen Mann genommen/ mit dem du erſt geredet haſt/ ſo brennet ſein Hauß auch ſchon liechterlohe/ und wann ich nicht bald leſche/ ſo wirds verbrennen; mit B vij

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/41>, abgerufen am 23.11.2024.