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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
sagte/ das ist nichts neues/ Berg und Thal kommt nit
zusammen/ das ist mir aber seltzam/ daß wir beyde uns
so verändert haben/ sintemal ich auß einem Secreta-
rio
ein Waldfischer/ du aber auß einem Narrn zu ei-
nem so dapffern Soldaten worden! Sey versichert
Bruder/ wenn unserer zehentausend wären/ daß wir
morgenden Tags Breysach entsetzen/ und endlich zu
Herren der gantzen Welt machen wolten.

Jn solchem Discurs passirten wir/ da es eben Nacht
worden/ in ein klein abgelegen Taglöhner-häußlein;
und ob mir zwar solche Pralerey nit gefiel/ so gab ich
ihm doch recht/ vornemlich weil mir sein schelmisch
falsch Gemüt bekant war/ und ob ich ihm zwar im
geringsten nichts Guts zutraute/ so gieng ich doch
mit ihm in besagtes Häußlein/ in welchem ein Baur
eben die Stub einhitzte/ zu dem sagte er: Hastu etwas
gekocht? Nein/ sagt der Baur/ ich hab ja den gebra-
tenen Kalbsschlegel noch/ den ich heute von Wald-
kirch brachte; Nun dann/ antwort Olivier, so gehe/
und lang her was du hast/ und bringe zugleich das
Fäßlein Wein mit.

Als der Baur fort war/ sagte ich zu Olivier: Bru-
der/ (ich nennt ihn so/ damit ich desto ficherer vor
ihm wäre) du hast einen willigen Wirth! Das danck
(sagte er) dem Schelmen der Teuffel/ ich ernähr ihn
ja mit Weib und Kind/ und er macht noch darzu vor
sich selbst gute Beuten/ ich lasse ihm alle Kleider/ die
ich erobere/ solche zu seinem Nutzen anzuwenden:
Jch fragte/ wo er denn sein Weib und Kind hätte?
da sagte Olivier, daß er sie nach Freyburg geflehnt/ die
er alle Woch zweymal besuche/ und ihm von dort
auß so wol die Victualia als Kraut und Loth zubringe.

Ferner

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſagte/ das iſt nichts neues/ Berg und Thal kom̃t nit
zuſam̃en/ das iſt mir aber ſeltzam/ daß wir beyde uns
ſo veraͤndert haben/ ſintemal ich auß einem Secreta-
rio
ein Waldfiſcher/ du aber auß einem Narꝛn zu ei-
nem ſo dapffern Soldaten worden! Sey verſichert
Bruder/ wenn unſerer zehentauſend waͤren/ daß wir
morgenden Tags Breyſach entſetzen/ und endlich zu
Herꝛen der gantzen Welt machen wolten.

Jn ſolchem Diſcurs paſſirten wir/ da es eben Nacht
woꝛden/ in ein klein abgelegen Tagloͤhner-haͤußlein;
und ob mir zwar ſolche Pralerey nit gefiel/ ſo gab ich
ihm doch recht/ vornemlich weil mir ſein ſchelmiſch
falſch Gemuͤt bekant war/ und ob ich ihm zwar im
geringſten nichts Guts zutraute/ ſo gieng ich doch
mit ihm in beſagtes Haͤußlein/ in welchem ein Baur
eben die Stub einhitzte/ zu dem ſagte er: Haſtu etwas
gekocht? Nein/ ſagt der Baur/ ich hab ja den gebra-
tenen Kalbsſchlegel noch/ den ich heute von Wald-
kirch brachte; Nun dann/ antwort Olivier, ſo gehe/
und lang her was du haſt/ und bringe zugleich das
Faͤßlein Wein mit.

Als der Baur fort war/ ſagte ich zu Olivier: Bru-
der/ (ich nennt ihn ſo/ damit ich deſto ficherer vor
ihm waͤre) du haſt einen willigen Wirth! Das danck
(ſagte er) dem Schelmen der Teuffel/ ich ernaͤhr ihn
ja mit Weib und Kind/ und er macht noch darzu vor
ſich ſelbſt gute Beuten/ ich laſſe ihm alle Kleider/ die
ich erobere/ ſolche zu ſeinem Nutzen anzuwenden:
Jch fragte/ wo er denn ſein Weib und Kind haͤtte?
da ſagte Olivier, daß er ſie nach Freyburg geflehnt/ die
er alle Woch zweymal beſuche/ und ihm von dort
auß ſo wol die Victualia als Kraut und Loth zubringe.

Ferner
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[448/0454] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſagte/ das iſt nichts neues/ Berg und Thal kom̃t nit zuſam̃en/ das iſt mir aber ſeltzam/ daß wir beyde uns ſo veraͤndert haben/ ſintemal ich auß einem Secreta- rio ein Waldfiſcher/ du aber auß einem Narꝛn zu ei- nem ſo dapffern Soldaten worden! Sey verſichert Bruder/ wenn unſerer zehentauſend waͤren/ daß wir morgenden Tags Breyſach entſetzen/ und endlich zu Herꝛen der gantzen Welt machen wolten. Jn ſolchem Diſcurs paſſirten wir/ da es eben Nacht woꝛden/ in ein klein abgelegen Tagloͤhner-haͤußlein; und ob mir zwar ſolche Pralerey nit gefiel/ ſo gab ich ihm doch recht/ vornemlich weil mir ſein ſchelmiſch falſch Gemuͤt bekant war/ und ob ich ihm zwar im geringſten nichts Guts zutraute/ ſo gieng ich doch mit ihm in beſagtes Haͤußlein/ in welchem ein Baur eben die Stub einhitzte/ zu dem ſagte er: Haſtu etwas gekocht? Nein/ ſagt der Baur/ ich hab ja den gebra- tenen Kalbsſchlegel noch/ den ich heute von Wald- kirch brachte; Nun dann/ antwort Olivier, ſo gehe/ und lang her was du haſt/ und bringe zugleich das Faͤßlein Wein mit. Als der Baur fort war/ ſagte ich zu Olivier: Bru- der/ (ich nennt ihn ſo/ damit ich deſto ficherer vor ihm waͤre) du haſt einen willigen Wirth! Das danck (ſagte er) dem Schelmen der Teuffel/ ich ernaͤhr ihn ja mit Weib und Kind/ und er macht noch darzu vor ſich ſelbſt gute Beuten/ ich laſſe ihm alle Kleider/ die ich erobere/ ſolche zu ſeinem Nutzen anzuwenden: Jch fragte/ wo er denn ſein Weib und Kind haͤtte? da ſagte Olivier, daß er ſie nach Freyburg geflehnt/ die er alle Woch zweymal beſuche/ und ihm von dort auß ſo wol die Victualia als Kraut und Loth zubringe. Ferner

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/454>, abgerufen am 22.11.2024.