German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Fünfftes Buch. Behüt dich Gott Welt/ dann mich verdreußt Seel
Fuͤnfftes Buch. Behuͤt dich Gott Welt/ dann mich verdreußt Seel
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Fuͤnfftes Buch.
Behuͤt dich Gott Welt/ dann mich verdreußt
deine Converſation, das Leben ſo du uns gibſt/ iſt ein
elende Pilgerfahrt/ ein unbeſtaͤndigs/ ungwiſſes/
hartes/ rauhes/ hinfluͤchtiges und unreines Leben/
voll Armſeeligkeit und Jrꝛthumb/ welches vielmehr
ein Tod als ein Leben zu nennen; in welchem wir
all Augenblick ſterben durch viel Gebrechen der Un-
beſtaͤndigkeit und durch mancherley Weg deß Tods!
du laͤſt dich der Bitterkeit deß Todes/ du laͤſt dich der
Bitterkeit nicht genuͤgen mit deren du umbgeben und
durch ſaltzen biſt/ ſondern betreugſt noch darzu die
meiſte mit deinem Schmeicheln/ Anreitzung und
falſchen Verheiſſungen/ du gibſt auß dem guldenen
Kelch/ den du in deiner Hand haſt/ Bitterkeit
und Falſchheit zutrincken/ und machſt ſie blind/
taub/ toll/ voll und ſinnloß/ ach wie wol denen/ die
dein Gemeinſchafft außſchlagen: deine ſchnelle au-
genblickliche hinfahrende Freud verachten/ dein Ge-
ſellſchafft verwerffen/ und nicht mit einer ſolchen
argliſtigen verlornen Betriegerin zu Grund gehen;
dann du macheſt auß uns einen finſtern Abgrund/ ein
elendes Erdreich/ ein Kind deß Zorus/ ein ſtincken,
des Aas/ ein unreines Geſchirꝛ in der Miſtgrub/ ein
Geſchirꝛ der Verweſung voller Geſtãck und Greuel/
dann wann du uns lang mit Schmeicheln/ liebko-
ſen/ traͤuen/ ſchlagen/ plagen/ martern und peinigen
umbgezogen und gequaͤlt haſt/ ſo uͤberantworteſt du
den außgemergelten Coͤrper dem Grab/ und ſetzeſt
die Seel in ein ungewiſſe Schantz. Dann obwol
nichts gewiſſers iſt als der Todt/ ſo iſt doch der
Menſch nicht verſichert/ wie/ wann und wo er ſter-
ben/ und (welches das erbaͤrmlichſte iſt) wo ſein
Seel
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