German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi und Geberden waren durchauß seltzam/ verwunder-lich und widerwertig/ so/ daß mich auch der Gouver- neur abmahlen lassen: Erstlich waren meine Haar in dritthalb Jahren weder auff Griechisch/ Teutsch noch Frantzöstsch abgeschnitten/ gekampelt noch ge- kräuselt oder gebüfft worden/ sondern sie stunden in ihrer natürlichen Verwirrung noch/ mit mehr als jährigem Staub/ an statt deß Haar-Plunders/ Pu- ders oder Pulvers (wie man das Narren- oder När- rin-werck nennet) durchstreuet/ so zierlich auff mei- nem Kopff/ daß ich darunter herfür sahe mit meinem bleichen Angesicht/ wie ein Schleyer-Eul die knap- pen will/ oder sonst auff eine Mauß spannet. Und weil ich allzeit paarhäuptig zu gehen pflegte/ meine Haar aber von Natur krauß waren/ hatte es das Ansehen/ als wenn ich ein Türckischen Bund auffgehabt hätte; Der übrige Habit stimmte mit der Hauptzierd über- ein/ dann ich hatte meines Einsidlers Rock an/ wann ich denselben anders noch einen Rock nennen darff/ dieweil das erste Gewand/ darauß er geschnitten wor- den/ gäntzlich verschwunden/ und nichts mehr dar- von übrig gewesen/ als die blosse Form/ welche mehr als tausend Stücklein allerhand-färbiges zusammen gesetztes/ oder durch vielfältiges flicken aneinander genähetes Tuch/ noch vor Augen stellte. Uber diesem abgangenem/ und doch zu vielmalen verbessertem Rock/ trug ich das härin Hemd/ an statt eines Schul- der-Kleids/ (weil ich die Ermel an statt eines paar Strümpffs brauchte/ und dieselbe zu solchem Ende herab getrennet hatte) der gantze Leib aber war mit eisernen Ketten/ hinden und vornen fein Creutz- weis/ wie man Sanctum Wilhelmum zu mahlen pflegt
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi und Geberden waren durchauß ſeltzam/ verwunder-lich und widerwertig/ ſo/ daß mich auch der Gouver- neur abmahlen laſſen: Erſtlich waren meine Haar in dritthalb Jahren weder auff Griechiſch/ Teutſch noch Frantzoͤſtſch abgeſchnitten/ gekampelt noch ge- kraͤuſelt oder gebuͤfft worden/ ſondern ſie ſtunden in ihrer natuͤrlichen Verwirꝛung noch/ mit mehr als jaͤhrigem Staub/ an ſtatt deß Haar-Plunders/ Pu- ders oder Pulvers (wie man das Narꝛen- oder Naͤr- rin-werck nennet) durchſtreuet/ ſo zierlich auff mei- nem Kopff/ daß ich darunter herfuͤr ſahe mit meinem bleichen Angeſicht/ wie ein Schleyer-Eul die knap- pen will/ oder ſonſt auff eine Mauß ſpannet. Und weil ich allzeit paarhaͤuptig zu gehen pflegte/ meine Haar aber von Natur krauß waren/ hatte es das Anſehen/ als wenn ich ein Tuͤrckiſchen Bund auffgehabt haͤtte; Der uͤbrige Habit ſtimmte mit der Hauptzierd uͤber- ein/ dann ich hatte meines Einſidlers Rock an/ wann ich denſelben anders noch einen Rock nennen darff/ dieweil das erſte Gewand/ darauß er geſchnitten wor- den/ gaͤntzlich verſchwunden/ und nichts mehr dar- von uͤbrig geweſen/ als die bloſſe Form/ welche mehr als tauſend Stuͤcklein allerhand-faͤrbiges zuſammen geſetztes/ oder durch vielfaͤltiges flicken aneinander genaͤhetes Tuch/ noch vor Augen ſtellte. Uber dieſem abgangenem/ und doch zu vielmalen verbeſſertem Rock/ trug ich das haͤrin Hemd/ an ſtatt eines Schul- der-Kleids/ (weil ich die Ermel an ſtatt eines paar Struͤmpffs brauchte/ und dieſelbe zu ſolchem Ende herab getrennet hatte) der gantze Leib aber war mit eiſernen Ketten/ hinden und vornen fein Creutz- weis/ wie man Sanctum Wilhelmum zu mahlen pflegt
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Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
und Geberden waren durchauß ſeltzam/ verwunder-
lich und widerwertig/ ſo/ daß mich auch der Gouver-
neur abmahlen laſſen: Erſtlich waren meine Haar
in dritthalb Jahren weder auff Griechiſch/ Teutſch
noch Frantzoͤſtſch abgeſchnitten/ gekampelt noch ge-
kraͤuſelt oder gebuͤfft worden/ ſondern ſie ſtunden in
ihrer natuͤrlichen Verwirꝛung noch/ mit mehr als
jaͤhrigem Staub/ an ſtatt deß Haar-Plunders/ Pu-
ders oder Pulvers (wie man das Narꝛen- oder Naͤr-
rin-werck nennet) durchſtreuet/ ſo zierlich auff mei-
nem Kopff/ daß ich darunter herfuͤr ſahe mit meinem
bleichen Angeſicht/ wie ein Schleyer-Eul die knap-
pen will/ oder ſonſt auff eine Mauß ſpannet. Und weil
ich allzeit paarhaͤuptig zu gehen pflegte/ meine Haar
aber von Natur krauß waren/ hatte es das Anſehen/
als wenn ich ein Tuͤrckiſchen Bund auffgehabt haͤtte;
Der uͤbrige Habit ſtimmte mit der Hauptzierd uͤber-
ein/ dann ich hatte meines Einſidlers Rock an/ wann
ich denſelben anders noch einen Rock nennen darff/
dieweil das erſte Gewand/ darauß er geſchnitten wor-
den/ gaͤntzlich verſchwunden/ und nichts mehr dar-
von uͤbrig geweſen/ als die bloſſe Form/ welche mehr
als tauſend Stuͤcklein allerhand-faͤrbiges zuſammen
geſetztes/ oder durch vielfaͤltiges flicken aneinander
genaͤhetes Tuch/ noch vor Augen ſtellte. Uber dieſem
abgangenem/ und doch zu vielmalen verbeſſertem
Rock/ trug ich das haͤrin Hemd/ an ſtatt eines Schul-
der-Kleids/ (weil ich die Ermel an ſtatt eines paar
Struͤmpffs brauchte/ und dieſelbe zu ſolchem Ende
herab getrennet hatte) der gantze Leib aber war mit
eiſernen Ketten/ hinden und vornen fein Creutz-
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