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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
gedachte bey mir selbst/ ist diß ein Mann? so solte er
auch einen rechtschaffenen Bart haben/ weil der Geck
nicht mehr so jung ist/ wie er sich stellet: Jsts aber ein
Weib/ warumb hat die alte Hur dann so viel Stupf-
feln umbs Maul? Gewißlich ists ein Weib/ gedacht
ich/ dann ein ehrlicher Mann wird seinen Bart wol
nimmermehr so jämmerlich verketzern lassen; massen
die Böcke auß grosser Schamhafftigkeit keinen Tritt
unter frembde Heerden gehen/ wenn man ihnen die
Bärt stutzet. Und demnach ich also im Zweiffel stun-
de/ und nicht wuste/ was die jetzige Mode war/ hielte
ich ihn endlich vor Mann und Weib zugleich.

Dieses männische Weib/ oder dieser weibische
Mann/ wie er mir vorkam/ liesse mich überall besu-
chen/ fande aber nichts bey mir/ als ein Büchlein
von Bircken-Rinden/ darinn ich meine tägliche Ge-
bet geschrieben/ und auch das jenige Zettelein ligen
hatte/ das mir mein frommer Einsidel/ wie in vori-
gem Capitel gemeldet worden/ zum Valete hinder-
lassen/ solches nam er mir; weil ichs aber ohngern
verlieren wolte/ fiel ich vor ihm nider/ faßte ihn umb
beyde Knie/ und sagte: Ach mein lieber Hermaphro-
dit,
last mir doch mein Gebetbüchlein! Du Narr/
antwortet er/ wer Teuffel hat dir gesagt/ daß ich
Herman heisse? Befahl darauff zweyen Solda-
ten/ mich zum Gubernator zu führen/ welchen er
besagtes Buch mit gab/ weil der Phantast ohne das/
wie ich gleich merckte/ selbst weder lesen noch schrei-
ben konte.

Also führete man mich in die Statt/ und jederman
lieff zu/ als wenn ein Meer-Wunder auff die Schau
geführt wurde; und gleich wie mich jedweder sehen

wolte

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
gedachte bey mir ſelbſt/ iſt diß ein Mann? ſo ſolte er
auch einen rechtſchaffenen Bart haben/ weil der Geck
nicht mehr ſo jung iſt/ wie er ſich ſtellet: Jſts aber ein
Weib/ warumb hat die alte Hur dann ſo viel Stupf-
feln umbs Maul? Gewißlich iſts ein Weib/ gedacht
ich/ dann ein ehrlicher Mann wird ſeinen Bart wol
nimmermehr ſo jaͤmmerlich verketzern laſſen; maſſen
die Boͤcke auß groſſer Schamhafftigkeit keinen Tritt
unter frembde Heerden gehen/ wenn man ihnen die
Baͤrt ſtutzet. Und demnach ich alſo im Zweiffel ſtun-
de/ und nicht wuſte/ was die jetzige Mode war/ hielte
ich ihn endlich vor Mann und Weib zugleich.

Dieſes maͤnniſche Weib/ oder dieſer weibiſche
Mann/ wie er mir vorkam/ lieſſe mich uͤberall beſu-
chen/ fande aber nichts bey mir/ als ein Buͤchlein
von Bircken-Rinden/ darinn ich meine taͤgliche Ge-
bet geſchrieben/ und auch das jenige Zettelein ligen
hatte/ das mir mein frommer Einſidel/ wie in vori-
gem Capitel gemeldet worden/ zum Valete hinder-
laſſen/ ſolches nam er mir; weil ichs aber ohngern
verlieren wolte/ fiel ich vor ihm nider/ faßte ihn umb
beyde Knie/ und ſagte: Ach mein lieber Hermaphro-
dit,
laſt mir doch mein Gebetbuͤchlein! Du Narꝛ/
antwortet er/ wer Teuffel hat dir geſagt/ daß ich
Herman heiſſe? Befahl darauff zweyen Solda-
ten/ mich zum Gubernator zu fuͤhren/ welchen er
beſagtes Buch mit gab/ weil der Phantaſt ohne das/
wie ich gleich merckte/ ſelbſt weder leſen noch ſchrei-
ben konte.

Alſo fuͤhrete man mich in die Statt/ und jederman
lieff zu/ als wenn ein Meer-Wunder auff die Schau
gefuͤhrt wurde; und gleich wie mich jedweder ſehen

wolte
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[68/0074] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi gedachte bey mir ſelbſt/ iſt diß ein Mann? ſo ſolte er auch einen rechtſchaffenen Bart haben/ weil der Geck nicht mehr ſo jung iſt/ wie er ſich ſtellet: Jſts aber ein Weib/ warumb hat die alte Hur dann ſo viel Stupf- feln umbs Maul? Gewißlich iſts ein Weib/ gedacht ich/ dann ein ehrlicher Mann wird ſeinen Bart wol nimmermehr ſo jaͤmmerlich verketzern laſſen; maſſen die Boͤcke auß groſſer Schamhafftigkeit keinen Tritt unter frembde Heerden gehen/ wenn man ihnen die Baͤrt ſtutzet. Und demnach ich alſo im Zweiffel ſtun- de/ und nicht wuſte/ was die jetzige Mode war/ hielte ich ihn endlich vor Mann und Weib zugleich. Dieſes maͤnniſche Weib/ oder dieſer weibiſche Mann/ wie er mir vorkam/ lieſſe mich uͤberall beſu- chen/ fande aber nichts bey mir/ als ein Buͤchlein von Bircken-Rinden/ darinn ich meine taͤgliche Ge- bet geſchrieben/ und auch das jenige Zettelein ligen hatte/ das mir mein frommer Einſidel/ wie in vori- gem Capitel gemeldet worden/ zum Valete hinder- laſſen/ ſolches nam er mir; weil ichs aber ohngern verlieren wolte/ fiel ich vor ihm nider/ faßte ihn umb beyde Knie/ und ſagte: Ach mein lieber Hermaphro- dit, laſt mir doch mein Gebetbuͤchlein! Du Narꝛ/ antwortet er/ wer Teuffel hat dir geſagt/ daß ich Herman heiſſe? Befahl darauff zweyen Solda- ten/ mich zum Gubernator zu fuͤhren/ welchen er beſagtes Buch mit gab/ weil der Phantaſt ohne das/ wie ich gleich merckte/ ſelbſt weder leſen noch ſchrei- ben konte. Alſo fuͤhrete man mich in die Statt/ und jederman lieff zu/ als wenn ein Meer-Wunder auff die Schau gefuͤhrt wurde; und gleich wie mich jedweder ſehen wolte

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/74>, abgerufen am 24.11.2024.