Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wie es sonst ihre Gewohnheit war? -- wohl möglich, aber dann hätte sie ihr begegnen müssen. -- Um etwas zu thun, erwartete sie das taube, alte Mütterchen und versuchte ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen. -- Es war unmöglich. Voll seltsamer und von Neuem zweifelhafter Gedanken kam sie in ihr Gartenhäuschen zurück und begann wieder Aepfel zu schälen, um sich die Grillen zu vertreiben. Der Vormittag ging vorüber, der Nachmittag war gekommen. -- Die Conrectorin hatte, auch während sie einsam zu Mittag aß, unablässig an Frau Julien denken müssen und an den Vetter. So eben war die Mahlzeit[...] vorüber, und sie überlegte, ob sie es nicht vorziehen sollte, ein Nachmittagsschläfchen zu machen, als heftig an der Hausglocke gezogen wurde. Gleich darauf trappten schwere Schritte auf dem feinen Kies der Gartenwege, und eine heisere Mannsstimme fragte nach der Frau Conrectorin, welche so eben aus dem Gartenhäuschen trat und mit halbem Schrecken ihren ungemütlichen Nachbarn, den greisen General von Schnorrigl, erkannte. Der alte Mann stand jetzt still und stieß seinen Krückstock in den Sand. Die massive, breitschultrige Gestalt des Alten schien sich nur mit Mühe auf dem wankenden Pedal zu halten, und in seinem broncefarbigen, von Wind und Wetter gebräunten, von tausend Furchen wie es sonst ihre Gewohnheit war? — wohl möglich, aber dann hätte sie ihr begegnen müssen. — Um etwas zu thun, erwartete sie das taube, alte Mütterchen und versuchte ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen. — Es war unmöglich. Voll seltsamer und von Neuem zweifelhafter Gedanken kam sie in ihr Gartenhäuschen zurück und begann wieder Aepfel zu schälen, um sich die Grillen zu vertreiben. Der Vormittag ging vorüber, der Nachmittag war gekommen. — Die Conrectorin hatte, auch während sie einsam zu Mittag aß, unablässig an Frau Julien denken müssen und an den Vetter. So eben war die Mahlzeit[…] vorüber, und sie überlegte, ob sie es nicht vorziehen sollte, ein Nachmittagsschläfchen zu machen, als heftig an der Hausglocke gezogen wurde. Gleich darauf trappten schwere Schritte auf dem feinen Kies der Gartenwege, und eine heisere Mannsstimme fragte nach der Frau Conrectorin, welche so eben aus dem Gartenhäuschen trat und mit halbem Schrecken ihren ungemütlichen Nachbarn, den greisen General von Schnorrigl, erkannte. Der alte Mann stand jetzt still und stieß seinen Krückstock in den Sand. Die massive, breitschultrige Gestalt des Alten schien sich nur mit Mühe auf dem wankenden Pedal zu halten, und in seinem broncefarbigen, von Wind und Wetter gebräunten, von tausend Furchen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0106"/> wie es sonst ihre Gewohnheit war? — wohl möglich, aber dann hätte sie ihr begegnen müssen. — Um etwas zu thun, erwartete sie das taube, alte Mütterchen und versuchte ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen. — Es war unmöglich.</p><lb/> <p>Voll seltsamer und von Neuem zweifelhafter Gedanken kam sie in ihr Gartenhäuschen zurück und begann wieder Aepfel zu schälen, um sich die Grillen zu vertreiben.</p><lb/> <p>Der Vormittag ging vorüber, der Nachmittag war gekommen. — Die Conrectorin hatte, auch während sie einsam zu Mittag aß, unablässig an Frau Julien denken müssen und an den Vetter. So eben war die Mahlzeit<choice><sic>,</sic><corr/></choice> vorüber, und sie überlegte, ob sie es nicht vorziehen sollte, ein Nachmittagsschläfchen zu machen, als heftig an der Hausglocke gezogen wurde.</p><lb/> <p>Gleich darauf trappten schwere Schritte auf dem feinen Kies der Gartenwege, und eine heisere Mannsstimme fragte nach der Frau Conrectorin, welche so eben aus dem Gartenhäuschen trat und mit halbem Schrecken ihren ungemütlichen Nachbarn, den greisen General von Schnorrigl, erkannte.</p><lb/> <p>Der alte Mann stand jetzt still und stieß seinen Krückstock in den Sand. Die massive, breitschultrige Gestalt des Alten schien sich nur mit Mühe auf dem wankenden Pedal zu halten, und in seinem broncefarbigen, von Wind und Wetter gebräunten, von tausend Furchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
wie es sonst ihre Gewohnheit war? — wohl möglich, aber dann hätte sie ihr begegnen müssen. — Um etwas zu thun, erwartete sie das taube, alte Mütterchen und versuchte ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen. — Es war unmöglich.
Voll seltsamer und von Neuem zweifelhafter Gedanken kam sie in ihr Gartenhäuschen zurück und begann wieder Aepfel zu schälen, um sich die Grillen zu vertreiben.
Der Vormittag ging vorüber, der Nachmittag war gekommen. — Die Conrectorin hatte, auch während sie einsam zu Mittag aß, unablässig an Frau Julien denken müssen und an den Vetter. So eben war die Mahlzeit vorüber, und sie überlegte, ob sie es nicht vorziehen sollte, ein Nachmittagsschläfchen zu machen, als heftig an der Hausglocke gezogen wurde.
Gleich darauf trappten schwere Schritte auf dem feinen Kies der Gartenwege, und eine heisere Mannsstimme fragte nach der Frau Conrectorin, welche so eben aus dem Gartenhäuschen trat und mit halbem Schrecken ihren ungemütlichen Nachbarn, den greisen General von Schnorrigl, erkannte.
Der alte Mann stand jetzt still und stieß seinen Krückstock in den Sand. Die massive, breitschultrige Gestalt des Alten schien sich nur mit Mühe auf dem wankenden Pedal zu halten, und in seinem broncefarbigen, von Wind und Wetter gebräunten, von tausend Furchen
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/106>, abgerufen am 17.02.2025. |