Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

In demselben Moment ruft Julia: Ich komme zu dir! und will sich von dem niedrigen Altan hinunterstürzen, um ihrem Gatten zu folgen, sie that es auch wirklich, brach aber mit einem Schrei zusammen. Im Nu der alte Schnorrigl zu ihr, um sie aufzuheben und zurückzuhalten, und im selben Augenblick zieht Herr Heister ein Terzerol und schießt auf den Alten. Der Schuß ging fehl, glücklicherweise; aber er brachte die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Frau Julia hatte den Fuß gebrochen und mußte in das Haus zurückgetragen werden. Von allen Seiten stürzten Menschen herbei, um -- wie es hieß -- den Mörder zu fangen. Herr Heister konnte nur mit genauer Noth den Wagen erreichen, um dann sofort allein abzufahren. Es war ein Zeter und Mordio auf dem Platz hier, ein Aufruhr und Getümmel, grade wie auf der Bühne, recht dramatisch, Herr Vetter, recht tragisch, rein zum Herzzerreißen!

Nun, und weiter?

Was weiter, Herr Vetter! Die Sache ist zu Ende. Die Behörden erließen einen Haftbefehl gegen den Flüchtling, der aber hatte längst die Grenze erreicht. Frau Julia lag lange Wochen zwischen Leben und Sterben, und als sie wieder aufstand, war die schöne, junge Frau kaum mehr zu erkennen. Leider fiel die Untersuchung der Bücher noch ungünstiger aus, als man gefürchtet hatte. Die Bücher waren überhaupt völlig in Unordnung. Juliens Vermögen war längst verbraucht, beide Fabriken, sofern sie nicht schon dem Compagnon gehör-

In demselben Moment ruft Julia: Ich komme zu dir! und will sich von dem niedrigen Altan hinunterstürzen, um ihrem Gatten zu folgen, sie that es auch wirklich, brach aber mit einem Schrei zusammen. Im Nu der alte Schnorrigl zu ihr, um sie aufzuheben und zurückzuhalten, und im selben Augenblick zieht Herr Heister ein Terzerol und schießt auf den Alten. Der Schuß ging fehl, glücklicherweise; aber er brachte die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Frau Julia hatte den Fuß gebrochen und mußte in das Haus zurückgetragen werden. Von allen Seiten stürzten Menschen herbei, um — wie es hieß — den Mörder zu fangen. Herr Heister konnte nur mit genauer Noth den Wagen erreichen, um dann sofort allein abzufahren. Es war ein Zeter und Mordio auf dem Platz hier, ein Aufruhr und Getümmel, grade wie auf der Bühne, recht dramatisch, Herr Vetter, recht tragisch, rein zum Herzzerreißen!

Nun, und weiter?

Was weiter, Herr Vetter! Die Sache ist zu Ende. Die Behörden erließen einen Haftbefehl gegen den Flüchtling, der aber hatte längst die Grenze erreicht. Frau Julia lag lange Wochen zwischen Leben und Sterben, und als sie wieder aufstand, war die schöne, junge Frau kaum mehr zu erkennen. Leider fiel die Untersuchung der Bücher noch ungünstiger aus, als man gefürchtet hatte. Die Bücher waren überhaupt völlig in Unordnung. Juliens Vermögen war längst verbraucht, beide Fabriken, sofern sie nicht schon dem Compagnon gehör-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <pb facs="#f0035"/>
        <p>In demselben Moment ruft Julia: Ich komme zu dir! und will sich von dem niedrigen                Altan hinunterstürzen, um ihrem Gatten zu folgen, sie that es auch wirklich, brach                aber mit einem Schrei zusammen. Im Nu der alte Schnorrigl zu ihr, um sie aufzuheben                und zurückzuhalten, und im selben Augenblick zieht Herr Heister ein Terzerol und                schießt auf den Alten. Der Schuß ging fehl, glücklicherweise; aber er brachte die                ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Frau Julia hatte den Fuß gebrochen und mußte in das                Haus zurückgetragen werden. Von allen Seiten stürzten Menschen herbei, um &#x2014; wie es                hieß &#x2014; den Mörder zu fangen. Herr Heister konnte nur mit genauer Noth den Wagen                erreichen, um dann sofort allein abzufahren. Es war ein Zeter und Mordio auf dem                Platz hier, ein Aufruhr und Getümmel, grade wie auf der Bühne, recht dramatisch, Herr                Vetter, recht tragisch, rein zum Herzzerreißen!</p><lb/>
        <p>Nun, und weiter?</p><lb/>
        <p>Was weiter, Herr Vetter! Die Sache ist zu Ende. Die Behörden erließen einen                Haftbefehl gegen den Flüchtling, der aber hatte längst die Grenze erreicht. Frau                Julia lag lange Wochen zwischen Leben und Sterben, und als sie wieder aufstand, war                die schöne, junge Frau kaum mehr zu erkennen. Leider fiel die Untersuchung der Bücher                noch ungünstiger aus, als man gefürchtet hatte. Die Bücher waren überhaupt völlig in                Unordnung. Juliens Vermögen war längst verbraucht, beide Fabriken, sofern sie nicht                schon dem Compagnon gehör-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] In demselben Moment ruft Julia: Ich komme zu dir! und will sich von dem niedrigen Altan hinunterstürzen, um ihrem Gatten zu folgen, sie that es auch wirklich, brach aber mit einem Schrei zusammen. Im Nu der alte Schnorrigl zu ihr, um sie aufzuheben und zurückzuhalten, und im selben Augenblick zieht Herr Heister ein Terzerol und schießt auf den Alten. Der Schuß ging fehl, glücklicherweise; aber er brachte die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Frau Julia hatte den Fuß gebrochen und mußte in das Haus zurückgetragen werden. Von allen Seiten stürzten Menschen herbei, um — wie es hieß — den Mörder zu fangen. Herr Heister konnte nur mit genauer Noth den Wagen erreichen, um dann sofort allein abzufahren. Es war ein Zeter und Mordio auf dem Platz hier, ein Aufruhr und Getümmel, grade wie auf der Bühne, recht dramatisch, Herr Vetter, recht tragisch, rein zum Herzzerreißen! Nun, und weiter? Was weiter, Herr Vetter! Die Sache ist zu Ende. Die Behörden erließen einen Haftbefehl gegen den Flüchtling, der aber hatte längst die Grenze erreicht. Frau Julia lag lange Wochen zwischen Leben und Sterben, und als sie wieder aufstand, war die schöne, junge Frau kaum mehr zu erkennen. Leider fiel die Untersuchung der Bücher noch ungünstiger aus, als man gefürchtet hatte. Die Bücher waren überhaupt völlig in Unordnung. Juliens Vermögen war längst verbraucht, beide Fabriken, sofern sie nicht schon dem Compagnon gehör-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/35
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/35>, abgerufen am 03.12.2024.